Veranstaltung „Familie als Übungsfeld der Demokratie“ am Freitag, 09. November 2018 in Berlin

Rund 30 Teilnehmende fanden sich am 09. November zu der Veranstaltung im Centre Monbijou ein, um konkrete Erfahrungsräume zum Thema Demokratie für Familien zu diskutieren. Nach einem Begrüßungskaffee hielt Dr. Christian Alt vom Deutschen Jugendinstitut den ersten Impulsvortrag mit dem Titel „Familie als Übungsfeld der Demokratie.“ Nach einem regen Austausch über den Input und angeregten Diskussionen konnten sich die Teilnehmenden bei einem Mittagessen weiter austauschen.

Anschließend fanden zwei parallel verlaufende Workshops statt, an denen jeweils die Hälfte der Gruppe nacheinander teilnahmen, so dass alle Anwesenden die gleichen Inputs erhielten.

Die Impulsgeberin beim ersten Workshop war Eva Prausner, Eltern stärken zum Schwerpunkt „Familienbildung zwischen Wertschätzung und Positionierung – Diskriminierende und rechtsextreme Äußerungen von Eltern.“

Der zweite Workshop wurde von Dr. Verena Wittke, AWO zusammen mit Ulrike Stephan, eaf zum Thema „Was kann die Familienbildung zur Demokratiebildung in Familien beitragen?“ gehalten.

Anschließend erfolgte die Ergebnissicherung aus den beiden Workshop-Gruppen im Plenum und das Sammeln von Fragestellungen und Schwerpunkten für die zukünftige Arbeit des Bundesforums Familie.

Abschließend hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit sich beim Networking-Kaffee weiter auszutauschen und angeregte Diskussionen zu vertiefen.

 

Fachforum „Wie beteiligen sich Kinder und Jugendliche in der Gesellschaft?“ am 29. Oktober 2018

Gut 40 Teilnehmende fanden sich am 29. Oktober 2018 in Berlin zum Fachforum „Wie beteiligen sich Kinder und Jugendliche in der Gesellschaft?“ ins Hotel Grenzfall ein. Initiiert von der Arbeitsgruppe „Spezifische Belange von Kindern und Jugendlichen in der Demokratie“ war es Ziel, Impulse zum Thema der aktiven Beteiligung von Kinder und Jugendlichen in der Demokratie zu setzen sowie ein besseres Verständnis zu den Erfolgsfaktoren von einzelnen Projekten zu erlangen.

Die Veranstaltung begann mit einem Impulsvortrag „Partizipation von Kindern und Jugendlichen – empirische und praktische Perspektiven“ von Prof. Dr. Katharina Gerarts, Professorin für Kindheitspädagogik an der Evangelischen Hochschule in Darmstadt und ehrenamtliche Beauftragte der hessischen Landesregierung für Kinder- und Jugendrechte. Prof. Dr. Gerarts leitete die Grundlagen der Partizipation von Kindern und Jugendlichen zunächst theoretisch her, indem sie u.a. die UN-Kinderrechtskonvention als Grundlage nutzte und zudem die entwicklungspsychologischer Sicht einbezog. Im Anschluss stellte sie in einem empirischen Teil die World Vision Kinderstudie 2018 und des LBS-Kinderbarometers von 2016 vor.

Zusätzlich berichtete Prof. Dr. Gerarts aus der Praxis anhand der von ihr begleiteten Kinder- und Jugendrechte-Charta in Hessen. Dabei erläuterte sie ausführlich die konkrete Ausgestaltung und die Erarbeitung der Fragestellungen, die dabei an die Kinder herangetragen wurden. Weiterhin berichtete sie vom Kongress für Kinder und Erwachsene „Kinder mischen mit, das Recht des Kindes auf Beteiligung und Verwirklichung“, der 2015 in Darmstadt stattgefunden hatte und erläuterte weitere Beispiele der Einbindung von Kindern und Jugendlichen in politische Prozesse und fachliche Diskurse.

Abschließend wandte sie sich mit der Aufforderung zur Kleingruppenarbeit mit der Frage „In welchen Ihrer Arbeitsbereiche ist die konkrete Beteiligung von Kindern und Jugendlichen denkbar?“ an alle Teilnehmenden der Veranstaltung. Daran anknüpfend erfolgte eine angeregte Diskussion im Plenum. Unter anderem wurde über Forderungen debattiert, an Schulen und Kitas stärker über Kinderrechte zu informieren. Auch wurde angemerkt, dass Beteiligung häufig als zusätzliche Belastung angesehen würde, statt als Bereicherung.

Am Nachmittag berichtete Jan Rooschüz, geschäftsführender Vorstand des Landesverbandes Kinder- und Jugendfilm Berlin (kijufi), über Partizipation von Kindern und Jugendlichen durch Medien. Er erläuterte dies am Beispiel seines Projekts „Klappe auf für Demokratie und Kinderrechte“. Dies ist ein Kinderrechte-Filmfestival, bei dem Kinder und Jugendliche unter pädagogischer Begleitung Filme zu jenen Kinderrechten produzieren, die sie am meisten interessieren. Diese Filme wurden anschließend im Internet veröffentlicht und haben dadurch eine große Popularität erfahren (75.000 Abonnent*innen). Da es auf diese Filme jedoch nicht nur positive Rückmeldung gab, sondern die Kinder teilweise auch Hass im Netz ausgesetzt gewesen seien, habe er das Konzept der „Internet Ritter“ entwickelt, bei dem sich die Akteur*innen in einem geschützten Raum mit den „echten“ Kommentaren zu den Filmen auseinandersetzen. In Workshops werden die problematischen Beiträge thematisiert und gemeinsam nach Wege und Strategien gesucht, um auf sie zu reagieren.

Der letzte Programmpunkt der Veranstaltung umfasste eine Debatte über verschiedene politische Beteiligungsformate für Kinder und Jugendliche. Auf dem Podium diskutierten:

  • Miguel Góngora, Vorsitzender und Leyla Soysal, Vorstandsmitglied des Kinder- und Jugendparlaments von Charlottenburg-Wilmersdorf
  • Jeanette Münch, Kinder- und Jugendbeauftragte im Jugendamt Pankow
  • Angelika Staudinger, Kinder- und Jugend-Beteiligungsbüro Friedrichshain-Kreuzberg, GSJ gGmbH

In der Diskussion stellte sich unter anderem heraus, dass alle Ebenen der Beteiligungen wichtig seien, auch, weil es nicht in allen Bezirken Beteiligungsbüros gäbe oder die Kinder- und Jugendparlamente nicht immer gleich gut aufgestellt seien.

Am Ende der Veranstaltung gab es die Möglichkeiten zum bilateralem Austausch und Networking, die von vielen Teilnehmenden aktiv genutzt wurde.

Netzwerktreffen: Einblicke und Ausblicke „Familie, Partizipation und Demokratie“ am 26. April 2018

Am 26. April 2018 fand die Auftaktveranstaltung des Bundesforums Familie zum Thema „Familie, Partizipation und Demokratie“ in der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal in Berlin statt.

Wie und wodurch wird Demokratie in der Familie erlernt? Welche Möglichkeiten haben Familien, sich in die Gesellschaft einzubringen und an politischen Prozessen mitzuwirken? Wie werden demokratische Prozesse in Kita, in Schule und Jugendhilfeeinrichtungen erlebt und vorgelebt? Diese und andere Fragen stellten sich die über 70 Teilnehmer*innen der Auftaktveranstaltung „Familie, Partizipation und Demokratie“ des Bundesforums Familie.

Partizipation und Demokratiebildung im Kindesalter

Die Veranstaltung wurde mit dem Input „Partizipation und Demokratiebildung im Kindesalter“ von Peggy Reisinger, Institut für Partizipation und Bildung, eröffnet. In ihrem Vertrag verdeutlichte Reisinger, dass die Demokratisierungsprozesse bereits im Kita-Alltag erlernt werden können und müssen. Sie untermauerte dies mithilfe eines ausführlichen Berichts über den diesbezüglichen aktuellen Forschungsstand. Die Partizipation von Kindern sollte demzufolge als das Recht von Kindern zur Mitbestimmung bei ihren Belangen verstanden werden, um ein zentraler Bestandteil der subjektorientierten und demokratieorientierten Pädagogik zu sein.

Eine bedeutende Erkenntnis der Forschung sei, dass Kinder nie zu jung oder zu unerfahren sind, um in demokratischen Strukturen mit zu entscheiden und mit zu planen. Würde man Kindern ihre Rechte gewähren und würden Fachkräfte über die nötigen Partizipationskompetenzen verfügen, wären Kinder durchaus in der Lage, kompetent ihre Rechte wahrzunehmen. Fachkräfte und Kinder würden mit zunehmender Erfahrung sicherer im partizipativen Handeln. Sobald Kinder den Anspruch verinnerlicht haben, Rechte einzufordern und praktisch zu erleben, würden sie diese Erfahrungen auch auf andere Lebensbereiche übertragen. So wären sie z.B. in der Lage, im Familienkreis mit zu entscheiden, Ideen zu diskutieren oder ihre Rechte im Kita- oder Schulalltag einzufordern. Schlussendlich haben sie damit gute Voraussetzungen, sich auch im Gemeinwesen zu engagieren und z.B. die Politik auf existierende Missstände aus Kindersicht aufmerksam zu machen.

Dem Vortrag folgte nahtlos eine sehr angeregte Diskussion über diese Erkenntnisse und Thesen. Sabine Zimmermann, Vorsitzende des Familienausschusses des Deutschen Bundestages, nahm die Gelegenheit wahr, sich den Mitgliedern des Bundesforums Familie kurz vorzustellen und ihr eigenes großes Interesse an diesem Thema zu bekunden. Sie sicherte ihre eigene Beteiligung an dem Diskussionsprozess zu und freue sich sehr auf die Mitarbeit im Beirat des Bundesforum Familie.

Demokratieförderung und Partizipation in Kitas und der Kindertagespflege

Die Diskussionsimpulse dazu gab Franziska Porst, Koordinatorin des Kooperationsprojekt „Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung“ der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Porst erinnerte daran, dass ca. 3,5 Mio. Kinder eine Kindertageseinrichtung oder -tagespflege besuchen (2017), sehr viele davon in Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände. Das Projekt habe zum Ziel, Kinder, pädagogische und nicht-pädagogische Fachkräfte, Eltern und Elternvertretungen sowie den Sozialraum für demokratische Partizipation und Mitbestimmung zu sensibilisieren, um die Wahrnehmung und Akzeptanz von Vielfalt zu fördern.

Nach ihrer Erfahrung würden Kinder sich von sich heraus beteiligen wollen und würden auch die Grundlagen von Demokratie beherrschen. Partizipation stelle jedoch neue Anforderungen an Fachkräfte mit Hinblick auf ihre Kompetenzen, Ressourcen und Haltung: häufig falle es dem Fachpersonal schwer, „Macht“ abzugeben und Kinder mitbestimmen zu lassen. Dies gelte im Übrigen auch für Eltern. Da der Prozess von Partizipation von Kindern in der Kindertagesbetreuung Auswirkungen auf die ganze Familie habe, stehe die Einbeziehung von Eltern und anderer Bezugspersonen bei diesen Prozessen besonders im Vordergrund. Auch sei es wichtig, die Beteiligung von Kindern und Eltern in der Kita stärker zusammenzudenken, damit Demokratiebildung auch in den Familien aufgegriffen werden könne. Nur dann würde Demokratiebildung im weiteren Bildungsweg von Kindern fortgeführt werden können. Damit sei jedoch die generelle Anforderung verbunden, das deutsche Bildungssystem stärker auf Partizipation und Teilhabe auszurichten.

Die zahlreichen Projekte, die unter der Überschrift „Demokratieförderung und Partizipation in Kitas“ agieren, werden von den Wohlfahrtsverbänden mit sehr unterschiedlichen Ansätzen umgesetzt. Als Beispiel stellte Meike Geppert, Diakonie Deutschland, ihr Projekt von „Was heißt hier eigentlich Demokratie? – Demokratieerziehung als originärer Auftrag der frühkindlichen Bildung“ vor, das sie mit der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder gemeinsam erarbeitet hat.

In der anschließenden Diskussion unter den Teilnehmer*innen wurde unter anderem betont, dass nicht nur die Mitte der Gesellschaft bei der Demokratiebildung im Vordergrund stehen dürfe, sondern auch daran gedacht werden müsse, wie Partizipation unter schwierigeren Bedingungen gelingen könne.

Auch wurde angemerkt, dass es bei Partizipation immer um die Frage der Machtabgabe gehe – als Fachkraft, als Vorgesetzte*r aber ebenso auch als Mutter oder Vater. In der Diskussion wurde deutlich, dass es unter den Teilnehmer*innen – ebenso wie in der Gesellschaft unterschiedliche Definition von Demokratie gebe. Heißt Demokratie lediglich die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen oder geht sie noch darüber hinaus? Kritisch genannt wurde, dass zu viel Partizipation auch zu einer Überforderung der Kinder führen könne.

Demokratieförderung und Partizipation im schulischen Bereich

Christine Achenbach, Bildungsreferentin beim Verein für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung berichtete, wie ihr Verein Bildungseinrichtungen in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Diskriminierungen und religiös begründeten Extremismus unterstützt. Sie würden Fortbildungen für Pädagog*innen anbieten, Audit-Verfahren zur Schulentwicklung begleiten, Schüler*innen unterstützen, die sich im Klassenrat, in der Schüler*innenvertretung oder für Initiativen wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ engagieren, Seminare und Klassentage mit Schüler*innen durchführen sowie Handreichungen und Argumentationshilfen entwickeln. Hinsichtlich der Demokratiebildung in der Leherer*innenausbildung berichtete sie dass lediglich 20 von 60 Hochschulen „Demokratiebildung“ als verpflichtende Lehrveranstaltung bei der Ausbildung von Gymnasiallehrern im Programm habe. Bei der Ausbildung zu Grundschullehrer*innen seien es 16 von 44 Hochschulen.

Martin Nanzig leitet den Bereich „Partner & Programme“ bei der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik (DeGeDe), die sich für die Entwicklung demokratischer Handlungskompetenzen und in der Förderung demokratischer Organisationskulturen in schulischen und außerschulischen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen einsetzt. In dieser Funktion koordiniert er die Kooperation der DeGeDe im Bundesprogramm „OPENION – Bildung für eine starke Demokratie“. OPENION gebe jungen Menschen die Möglichkeit, sich in gesellschaftliche Prozesse einzubringen, eigene Ideen zu entwickeln und Demokratie als Gestaltungsprozess zu erfahren. Weiterhin stellte Martin Nanzig das Bündnis Bildung für eine demokratische Gesellschaft vor, in dem zivilgesellschaftliche Institutionen und Organisationen sowie Stiftungen gemeinsame die Herausforderungen für eine demokratischere Gesellschaft angehen. Das Bündnis sei offen für weitere zivilgesellschaftliche Organisationen sowie auch Akteure aus Politik und Verwaltung in Bund und Ländern.

Außerinstitutionelle Demokratieförderung

Karin Bremer, Drehscheibe Kinder- und Jugendpolitik, Stiftung SPI und Manuela Elsaßer, Koordinatorin für Kinder -und Jugendbeteiligung im Bezirksamt Lichtenberg von Berlin führten mit Inputs in die Thematik ein.

Bremer erläuterte das Projekt „Drehscheibe der Demokratie“, das das Ziel habe, eine lebendige, alters- und entwicklungsgerechte, attraktive Kinderpolitik kommunal zu verankern sowie Angebote und Projekte zur direkten Beteiligung von Kindern und Jugendlichen umzusetzen. Dafür müsse:

  • eine Struktur geschaffen werden,
  • Statements von Ministerien und anderen politischen Institutionen gesetzt werden,
  • Ansatzpunkte für Kinder- und Jugendliche gegeben werden, wo sie mit ihren Beteiligungswünschen andocken können.

Gesetzliche Grundlagen dafür würden unter anderem die Landesverfassung, das Kita- und Schulgesetz, das Grundgesetz, die UN-Kinderrechtskonvention, das Kinderjugendhilfegesetz sowie das SGB VIII bieten.

Entscheidend für die Qualität von Partizipation sei jedoch insbesondere die Haltung von Erwachsenen. Partizipation müsse zunächst in den Herzen und den Köpfen der Erwachsenen entstehen. Ziel müsse es jeweils sein, für Kinder und Jugendlichen eine Teilhabe an jenen Entscheidungen sicherzustellen, die sie betreffen würden, z.B. bei der Mitgestaltung ihres Lebensraums. Kinder sollen als Expert*innen in eigener Sache ernstgenommen werden, dazu sei es auch notwendig, kind- und jugendgerechte Methoden anzuwenden. Partizipation sei Machtabgabe – diese Machtabgabe würde unmittelbar etwas bewirken und müsse offen und frei zugelassen werden. Ressourcen bereitzustellen sei bei der Beteiligungen von Kindern und Jugendlichen unverzichtbar.

Als Projektbeispiele nannte Bremer die U18 Wahl für Kinder und Jugendliche, Kinder- und Jugendparlamente und die Beteiligung an der Entstehung des Jugendfördergesetzes in Berlin sowie das „JugendForum,“ bei dem Jugendliche mit Abgeordneten des Abgeordnetenhauses in einen Dialog treten würden.

Manuela Elsaßer stellte beispielhaft die Beteiligungsprozesse im Bezirksamt Lichtenberg dar, dessen Basis die Verwaltung, die Kommunalpolitik und die Kinder und Jugendlichen selbst bilden. Sie stellte das Projekt der „Spielleitplanung“ und des „Money man“ vor, mit denen Kinder und Jungendliche ganz praktisch partizipieren können.

Das Bundesprogramm „Demokratie leben“

Thomas Heppener, Leiter der Referatsgruppe Demokratie und Vielfalt im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellte das Bundesprogramm „Demokratie leben“ vom BMFSFJ vor. Dabei unterstrich er die große Bedeutung der zahlreichen Initiativen, Vereine und der engagierten Bürger*innen, die sich tagtäglich für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander einsetzen würden. Das Bundesprogramm solle diese Arbeit finanziell unterstützen. Er bestätigte, dass die Laufzeit des Projekts bis 2019 mit rund 100 Millionen pro Jahr gesichert und eine Verlängerung angestrebt sei. Es folgte eine angeregte Diskussion über das Bundesprogramm und dessen Schwerpunkte, in der Thomas Heppener zu bedenken gab, dass es eine Gefahr darstellen könne, Präventionsmaßnahmen zu sehr in „Nischen“ zu denken. Er plädierte dafür, dass sich demokratiefördernde Maßnahmen sich an alle Menschen gleichermaßen richten sollten. Gleichzeitig ermutigte er die Mitglieder des BFF dazu, ihren Anspruch nach mehr Demokratieförderungsmöglichkeiten in der Gesellschaft lauter werden zu lassen, ihm seien die NGOs dazu deutlich zu leise.

Konstruktives Streiten innerhalb von Familien

Martina Plewa berichtete aus ihrer Praxis als Koordinatorin von Familienräten. Sie stellte zunächst das Konzept des Familienrats vor, bei dem es darum gehe, dass Familien gemeinsam mit Verwandten, Freunden und weiteren Personen aus der Lebenswelt zusammen kommen und Ideen für die Lösungen ihrer Probleme entwickeln. Familien und deren Umfeld würden häufig am besten wissen, was sie gut könnten und was bei ihnen nicht gut funktionierte. Die Beteiligten würden gemeinsam einen Plan entwickeln, für den alle Verantwortung übernähmen. Da das Jugendamt die vermittelnde Behörde sei, gebe es aufgrund einer eher negativen Assoziation zunächst häufig Hemmnisse, einen Familienrat zu begründen. Sobald diese Hürde jedoch überwunden sei, würde als erster Schritt unter den Teilnehmenden des Familienrates die Sorge besprochen und ein entsprechender Lösungsplan erarbeitet werden, der schriftlich festgehalten werde. Anschließend prüfe der*die Sozialarbeiter*in die vorgetragene Lösung vor dem Hintergrund der formulierten Sorge. Im Laufe des Prozesses würden aus der Familie heraus ein Protokollant, ein Moderator und ein Wächter der Regeln für den Diskussionsverlauf bestimmt werden. Die Koordinatorin sei lediglich die Organisatorin dieses Prozesses, sie nehme im Diskussionsverlauf nur eine beobachtende Rolle ein. Abgesehen von dieser allgemeinen Rahmenstruktur sei jeder Familienrat in seiner Durchführung einzigartig, denn er berücksichtige maßgeschneidert die Werte und Rituale der jeweiligen Familienratsgruppe individuell.

Arbeitsgruppen

Neben den inhaltlichen Diskussionen war es das Ziel dieser Auftaktveranstaltung, verschiedene Arbeitsgruppen zur weiteren Arbeit zu bilden. Während der Veranstaltung haben die Teilnehmer/innen weitergehende Fragestellungen und Anregungen notiert und sie den jeweiligen Themenschwerpunkten „Demokratie in der Familie“, „Familien in der Demokratie“ bzw. „Spezifische Belange von Kindern und Jugendlichen in der Demokratie“ zugeordnet. Am Ende der Veranstaltung hatten die Teilnehmer*innen noch Gelegenheit, an einer der drei Themen-Säulen zu diskutieren und weitere Absprachen zu treffen.

Markt der Möglichkeiten

Zusätzlich zu den Diskussionen im Plenum hatten die Teilnehmer*innen auf einem Markt der Möglichkeiten die Gelegenheit, sich mit den vorgestellten Initiativen und Projekten sowie zusätzlich mit Vertreter*innen der Initiativen „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, „Die offene Gesellschaft“ und des Bundesverbands für Kindertagespflege mit dem Projekt „Demokratie und Partizipation von Anfang an“ ins Gespräch zu kommen.

 

Netzwerktreffen: Vorstellung Publikation „Familie und Flucht – Familie leben, in der Gesellschaft ankommen“ und Wahl Schwerpunktthema 2018/2019 am 30. November 2017

Knapp 60 Teilnehmende aus den Mitgliedsorganisationen des Bundesforums Familie kamen am 30. November 2017 zur diesjährigen Netzwerkversammlung zusammen. Die Beratungen zum Thema „Familie und Flucht“ wurden am Vormittag beleuchtet. Petra Winkelmann, Dr. Jürgen Wüst, Birgit Merkel und Lisa Sommer stellten stellvertretend für die Ad-hoc-Arbeitsgruppen die Diskussionsergebnisse der letzten zwei Jahre vor, wie sie in der Broschüre „Familie und Flucht – Familie leben, in der Gesellschaft ankommen“ dargestellt werden. In ihr finden sich zu jedem Unterthema ein Bericht des durchgeführten Fachforums sowie zentrale Erkenntnisse, die die jeweilige Ad-hoc-Arbeitsgruppe zum Thema gewonnen hat. Dies waren: 1. Werte lernen in der Migrationsgesellschaft; 2. Zugänge von geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu Regelangeboten der Bildung; 3. Junge Geflüchtete und ihre Familien in der Kinder- und Jugendhilfe; 4. Familienzusammenführung von Geflüchteten. Zudem blicken die Beteiligten der Arbeitsgruppen sowie der Beirat gemeinsam in einem Abschlusskapitel übergreifend auf das Thema. Nach der Vorstellung wurden die Ergebnisse im Plenum kommentiert, beraten und diskutiert.

Neuer Beirat

Da die vier-jährige Periode des bisherigen Beirats des Bundesforums Ende 2017 endet, muss für die nächsten vier Jahre ein neuer Beirat berufen werden. Sven Iversen bedankte sich im Namen des Bundesforums Familie herzlich beim bisherigen Beirat, der die Arbeit des Bundesforums und der Geschäftsstelle sehr konstruktiv und intensiv begleitet hat. Im Anschluss waren die Organisationen des Bundesforums Familie aufgerufen, aus ihrer Mitte Personen für den Beirat zu wählen. Insgesamt hatten sich 11 Personen darum beworben, sie stellten sich in einer Vorstellungsrunde den Teilnehmenden vor. Gewählt wurden (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Magda Göller, Pestalozzi-Fröbel-Verband
  • Dr. Andreas Heek, Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschland
  • Cordula Lasner-Tietze, Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband
  • Silke Raab, Deutscher Gewerkschaftsbund
  • Stephan Wassmuth, Bundeselternrat

Wir gratulieren ganz herzlich und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.

Thema für 2018/2019

Am Nachmittag wurde zum Thema der nächsten zwei Jahren beraten. Unter den rund 40 eingegangenen Vorschlägen hatte der Beirat die Themen „Familie und Digitalisierung“, „Elternschaften heute“, „Familie, Partizipation und Demokratie“ sowie „Familie in besonderen Lebenslagen“ ausgewählt, die an Thementischen in vier Runden von allen Teilnehmer*innen angeregt diskutiert wurden. Nach spannenden Gesprächen wählten die Anwesenden „Familie, Partizipation und Demokratie“ zum Thema für die nächsten zwei Jahre. Ein zentraler Diskussionsgegenstand war die Frage nach Rolle und Bedeutsamkeit von Familie als zentraler Bildungs- und Sozialisationsinstanz im Erwerb demokratischer Kompetenzen und demokratiefördernder Einstellungen. Dabei ging es u.a. um die Möglichkeiten und Kompetenzen, die in Familien vorhanden sein müssen, um sich z.B. in Beteiligungsprozessen einzubringen, mitzuwirken, mitzugestalten und ihre Bedarfe einzubringen.

Als nächste Schritte wird nun die Art und Schwerpunktsetzung der Themenbearbeitung erarbeitet, und dies voraussichtlich im Januar im Beirat besprochen. Alle Mitglieder sind herzlich eingeladen, dazu Ideen, Anregungen und Erfahrungen mitzuteilen.

Viel Austausch und wichtige Einblicke bei Fachforum „Familienzusammenführung von Geflüchteten“

Berlin, 03. Mai 2017:
Was bedeutet es konkret für eine Familie, wenn sie den Prozess der Familienzusammenführung durchläuft? Wo liegen bei der Familienzusammenführung von Geflüchteten in der Praxis die Spannungsfelder und Herausforderungen? Was müsste in der Handhabung der Familienzusammenführung verändert werden? Über diese und weitere Fragen diskutierten die rund 40 Teilnehmer_innen beim Fachforum „Familienzusammenführung von Geflüchteten“ des Bundesforums Familie am 03. Mai 2017.

Die Veranstaltung wurde eingeleitet von einer thematischen Hinführung „Familienzusammenführung als familienpolitisches Thema?“ von Hiltrud Stöcker-Zafari (Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.). Darin erläuterte sie das Spannungsverhältnis der Zuständigkeiten beim Thema Familienzusammenführung zwischen Familienpolitik und Innenpolitik und gab einen kurzen historischen Einblick in Familienzusammenführungsprozesse der letzten 40 Jahre in Deutschland. Abschließend ging sie auf die besondere Bedeutung ein, die der Familiennachzug bei Geflüchteten für das Ankommen in einer Gesellschaft hat.

Es folgte ein Impulsreferat von Rebecca Einhoff (UNHCR) zum Thema „Familienzusammenführung von Flüchtlingen: Rechtliche Rahmenbedingungen und praktische Hindernisse“ (PDF). Dabei gab Rebecca Einhoff einen Überblick über die völkerrechtlichen Grundsätze zur Familienzusammenführung und erläuterte die unterschiedlichen Definitionen des Familienbegriffs der verschiedenen internationalen Konventionen, Institutionen und Organe. Einhoff berichtete, dass die Einheit der Familie in völkerrechtlichen Dokumenten zwar geschützt werde, „Familienzusammenführung“ jedoch in nur wenigen Dokumenten ausdrücklich Erwähnung finde. Sie stellte ausführlich die völkerrechtlichen, europäischen und nationalen Grundsätze zur Familienzusammenführung dar und verdeutlichte, unter welchen Voraussetzungen sie möglich sei und welche Bestimmungen dabei gelten. Dabei wies sie darauf hin, dass es in der Praxis der Familienzusammenführung große Probleme vor allem mit den unterschiedlichen Terminvergabesystemen und den langen Wartezeiten auf Termine und Verfahren gebe. Auch die praktische Erreichbarkeit der deutschen Auslandsvertretungen (insbesondere im Libanon und der Türkei) stelle oftmals ein großes Hindernis für eine rasche Familienzusammenführung dar.

Anschließend ging Einhoff näher auf aktuelle rechtliche Probleme in Deutschland aus Sicht von UNHCR ein, die vor allem mit der engen Definition des Familienbegriffs (z.B. der Schwierigkeit, Geschwisterkinder von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) gemeinsam mit den Eltern nachziehen zu lassen) sowie auch mit der aktuellen Aussetzung der Familienzusammenführung von Personen mit subsidiärem Schutz zusammenhängen. Auch die Zumutbarkeit der Pass- und Dokumentenbeschaffung (Identitätsnachweis, Nachweis der familiären Verbindungen) und alternative Formen der Glaubhaftmachung seien problematisch. Zum Abschluss gab Einhoff einen kurzen Exkurs zu den Grundsätzen der Familienzusammenführung im Rahmen der Dublin-III-Verordnung und zu anderen Aufnahme- bzw. Einreisemöglichkeiten für Familienangehörige (Resettlement, Humanitäre Aufnahmeprogramme, Aufnahmeprogramme der Bundesländer etc.).

In Anschluss fand die anregende Podiumsdiskussion „Familienzusammenführung von Geflüchteten: Chancen und Herausforderungen“ mit Karim Al Wasiti (Flüchtlingsrat Niedersachsen), Mohammed Jouni (Jugendliche Ohne Grenzen), Sebastian Muy (BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrant*innen), Gerhard Scholz (Ausländerbehörde München) und Ulrike Wolz (Landesjugendamt Berlin) statt.

Gerhard Scholz, der seit 1992 in der Ausländerbehörde München arbeitet, beschrieb die enorme Erhöhung des Arbeitsumfangs und die damit einhergehenden großen personellen Herausforderungen, die mit dem aktuellen Anstieg der Anzahl Geflüchteter aus Syrien einhergingen. Er berichtete von teilweise sehr langen Wartezeiten für die Familienangehörigen bei den Auslandsvertretungen, denen dann wiederum lange Bearbeitungszeiten bei den Ausländerbehörden folgen würden, sodass der Prozess des Familiennachzugs insgesamt zu lange dauere.

Dabei sei das grundsätzliche Problem des Zuzugs nicht neu. So sei es gleich zu Beginn seiner Arbeit bei der Ausländerbehörde im Zuge der Balkankrise zu einer großen Zuwanderung von geflüchteten Familien gekommen. Einige Aspekte hätten sich jedoch seit der damaligen Zeit verbessert, beispielsweise sei das Thema Beschäftigung von Geflüchteten viel besser aufgegriffen worden. Auch die Einsicht, dass Deutschland Zuwanderer_innen brauche, habe sich deutlich zum Positiven gewandelt. Vieles sei jedoch nach wie vor verbesserungsfähig: wünschenswert wären z. B. Verwaltungsanweisungen oder eine entsprechende Gesetzgebung, die mehr Klarheit in die Familienzusammenführung bringen würde, vor allem beim Thema Nachzug von Geschwisterkindern.

Sebastian Muy stellte seine Arbeit beim Beratungszentrum BBZ vor, wo er seit Oktober 2014 tätig ist. Die größte Gruppe, die er dort berate, seien syrische Geflüchtete. Er habe im Prozess der Familienzusammenführung Wartezeiten von 15 Monaten bis zu zwei Jahren miterlebt. Daneben stelle die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten eines der größten Probleme dar. Dies sei vor allem für unbegleitete Jugendliche und deren Familien hoch problematisch, da diese nach Vollendung des 18. Lebensjahres den Anspruch auf Nachzug der Eltern verlören. Er betonte, dass Familiennachzug oftmals auch außerhalb der Kernfamilie von den Geflüchteten erwünscht sei. Dass dem nicht stattgegeben wird, liege am engen Familienbegriff des Aufenthaltsgesetzes und der restriktiven Auslegung der bestehenden Härtefallregelungen. In jüngster Zeit würden die Behörden zunehmend die Visaanträge von Geschwistern von UMF ablehnen und damit selbst Kernfamilien auseinanderreißen.

Muy wünschte sich, dass Gesetze, Behörden und Gerichte den Familien jenen Wert beimessen, den sie – unter anderem nach der UN-Kinderrechtskonvention – tatsächlich haben, anstatt Familien auseinander zu reißen. Dabei müsse die Situation der Familienangehörigen im Ausland ebenso berücksichtigt werden wie die emotionale Belastung und der Druck, dem sich insbesondere unbegleitete Minderjährige in Deutschland ausgesetzt fühlten. Viele wagten es daher nicht, ihren Eltern das Ausmaß der Hürden und Schwierigkeiten zu berichten. Dies stelle oftmals eine Zerreißprobe für die gesamte Familie dar.

Karim Al Wasiti berichtete, dass die Familienzusammenführung ein wichtiges Arbeitsfeld des Flüchtlingsrats Niedersachsen sei und er das Thema seit Anfang der Krise in Syrien intensiv begleite. Seit Anfang 2016 arbeite er sogar hauptsächlich im Thema Familienzusammenführung zu anerkannten Flüchtlingen in den Feldern Beratung, Begleitung und Öffentlichkeitsarbeit. Der Flüchtlingsrat formuliere durch enge Begleitung dieses Prozesses politische Forderungen, damit das Recht auf Familienzusammenführung für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Geschützte nicht durch jahrelange Wartezeiten, bürokratische Hürden und gesetzliche Verschärfungen auf die lange Bank geschoben werde. Zusammen mit anderen Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtverbänden und Kirchen habe der Flüchtlingsrat daran gearbeitet, dass Angehörige von syrischen Geflüchteten in Deutschland durch Aufnahmeprogramme einreisen könnten.

Al Wasiti kritisierte, dass viele Menschen, die eigentlich einen Anspruch auf Familiennachzug nach Deutschland hätten, diesen aufgrund immenser bürokratischer Hürden nicht einlösen könnten. So seien 200.000 Menschen aus Syrien und dem Irak nach Genfer Flüchtlingskonvention im Jahr 2016 in Deutschland anerkannt worden, während im selben Zeitraum nur 48.000 Visa an die anspruchsberechtigten Angehörigen erteilt worden seien. Er bemängelte ebenfalls, dass seit Sommer 2016 neue Dimensionen der Verhinderung von Familiennachzug zu UMF durch Ausnutzung von Gesetzeslücken durch das Verwaltungshandeln zu beobachten seien. Dabei würden den Eltern dieser UMF Visa erteilt, den minderjährigen Geschwistern aber nicht. Deshalb stünden diese Eltern oftmals vor einer schwierigen Entscheidung: Sie müssten sich zwischen dem Zusammenleben mit einem Teil ihrer Kinder und dem Zusammenleben als Ehepaar entscheiden. Er appellierte dementsprechend deutlich an die Familienverbände, sie sollten verstärkt zusammenarbeiten und ihre Forderungen deutlich lauter werden lassen.

Ulrike Wolz stellte dar, dass in ihrer Arbeit beim Landesjugendamt Berlin die hochgradig schutzbedürftigen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von besonderer Relevanz seien. Das Landesjugendamt sei zunächst für sie zuständig und übernehme dann die Verteilung auf die Bezirke. Auch in ihrer Arbeit sei Familienzusammenführung bislang kein großes Thema gewesen. Nun schlage es immer mehr auf, denn die meisten UMF äußerten sehr rasch den Wunsch nach Familiennachzug. Problematisch sei aber auch die innerdeutsche Familienzusammenführung, da im Gesetz nicht näher definiert sei, wer genau als Verwandte_r gelte und wer nicht. Eine Zusammenführung sei dadurch in manchen Fällen ausgeschlossen gewesen, auch wenn es tatsächlich Verwandte in anderen deutschen Städten gab und alle Beteiligten eine Zusammenführung wünschten. Besonders problematisch sei es, wenn sich innerhalb des Prozesses der Familienzusammenführung die Zuständigkeiten der Behörden ändere. Auch gebe es in allen Bundesländern unterschiedliche Regelungen, die sich wiederum ebenfalls viel Fluktuation unterlägen, beispielsweise habe sich die Anerkennung des afghanischen Identitätsdokuments Tazkira in Berlin zweimal kurzfristig geändert. Wolz äußerte den Wunsch, die innerdeutsche Familienzusammenführung leichter zu ermöglichen. Auch müssten die Ausländerbehörden und die Jugendämter besser zusammenarbeiten und die Prozesse der Familienzusammenführung insgesamt besser begleitet werden.

Mohammed Jouni stellte die von ihm mit gegründete Organisation Jugendliche ohne Grenzen vor. Seit 2004 betreibe die Organisation Lobbyarbeit zu den Themen Bildung und Ausbildung, Duldung und Bleiberecht. Bis 2014 sei der Begriff der Duldung weitestgehend unbekannt gewesen. Das habe sich mittlerweile geändert und die Öffentlichkeit sei inzwischen viel besser informiert.

Aus der Praxis schilderte er eine große Intransparenz bei der Terminvergabe und von Agenturen, die sich durch Familienzusammenführungsprozesse bereichern wollten. Die Situation von UMF, die einen Nachzug ihrer Familie begehrten, sei besonders problematisch: Es sei nahezu unmöglich, mit 17,5 Jahren noch einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Es gebe auch Probleme bei der Alterseinschätzung, teilweise dauere der Prozess zwei Jahre. Dann seien die Betroffenen bereits volljährig und damit ihre letzte Chance auf einen Aufenthaltstitel entfallen würde. Jouni berichtete auch von der hohen Erwartungshaltung der Eltern an die Jugendlichen, sie schnellstmöglich nachzuholen und von dem enormen Druck, der dadurch auf den Jugendlichen laste. Innerhalb kürzester Zeit müssten sie die deutsche Sprache erlernen, ins Schul- oder Ausbildungssystem finden und sich mit den bürokratischen Hürden des Familiennachzugs auseinandersetzen. Diese hohen Anforderungen führten teils zu Depressionen und Belastungsstörungen. Von den Beratungsorganisationen erfordere dies in der Beratung oft sehr spezielle Qualifikationen in einzelnen Fragen. Gleichzeitig müsse man jedoch auch bedenken, was konkret mit den jungen Menschen passiert, wenn tatsächlich die ganze Familie nachkäme und sie dann die gesamte Verantwortung für die Familie trügen. Jouni wünschte sich eine schnelle Überarbeitung der momentan unzureichenden Gesetzeslage und einen sofortigen Stopp der Aussetzung des Familiennachzugs bei subsidiärem Schutz: Familienzusammenführung sei ein Grundrecht und ein Menschenrecht.

Anmerkungen aus dem Plenum

Im Plenum wurde betont, dass der Fokus bei der Diskussion zum Thema Familienzusammenführung nicht allein auf unbegleitete minderjährige Geflüchtete gesetzt werden sollte. Es gebe auch viele begleitete minderjährige Geflüchtete, die ebenfalls wichtige Bedarfe hätten. Dennoch schätzten die Teilnehmer_innen die langen Wartezeiten und die hohen bürokratischen Hürden im Familienzusammenführungsprozess als dramatisch und dringend reformbedürftig ein. Es sei zudem wichtig, sich die Geflüchteten und ihre Familien genau anzuschauen, denn entgegen der oftmals vorherrschenden öffentlichen Meinung würden nicht alle Transferleistungen beziehen und seien „bildungsfern“. Sprachprobleme würden häufig mit „Bildungsferne“ gleichgesetzt, dies sei problematisch.

Insgesamt wurde resümiert, dass es sich beim Familiennachzug um ein altbekanntes und aus familienpolitischer Sicht hochgradig wichtiges Thema handele, dass jedoch bislang nicht genügend im Fokus stehe. Bedauerlicherweise finde eine Bündelung der Zuständigkeiten nicht statt und die Stimme der Familienpolitik sei dabei insgesamt deutlich zu leise. Die Verantwortung könne jedoch auch nicht allein beim Gesetzgeber gesucht werden. „Was können die Organisationen des Bundesforums Familie ganz konkret dafür tun, damit Familienzusammenführung besser gelingen kann?“

In ihrem Abschlusskommentar nahm Dr. Karin Jurczyk (Deutsches Jugendinstitut), die Themen Sicherheit, Angst und Sorge um die Angehörigen in den Fokus. Ein wichtiger Aspekt dabei müsse es sein, dass Familienpolitik, Asylpolitik und Integrationspolitik mehr und effektiver zusammenarbeiten und die Familienpolitik als „weiches“ Politikfeld sich dabei offensiver und selbstbewusster behaupte. Sie ging auch auf die Frage ein, was konkret mit geflüchteten Familien passiere, wenn sie nach Deutschland gekommen sind. „Wie kann dann die ganze Familie gestützt werden?“ Bei diesen Fragen müsse auch die sozio-ökonomische und kulturelle Vielfalt von Familien  und die Vielfalt der Familienformen (z.B. Alleinerziehende) hinsichtlich ihrer Bedarfe, aber auch ihrer Ressourcen – auch und gerade beim Thema Bildung – deutlicher berücksichtigt  werden.

Inputs und Aspekte aus dem Fachforum „Junge Geflüchtete und ihre Familien in der Kinder- und Jugendhilfe“

Berlin, 20. März 2017:  Welche Bedarfe haben junge Geflüchtete? Wie hat sich die Jugendhilfe angesichts des Zuzugs von jungen Geflüchteten und ihren Familien verändert?

Diese und weitere Fragen wurden in bei der Veranstaltung des Bundesforums Familie im Rahmen des thematischen Schwerpunkts „Familie und Flucht“ diskutiert. Über 50 Teilnehmer_innen setzten sich intensiv mit den aktuellen Herausforderungen und Konsequenzen hinsichtlich der Inklusion von geflüchteten Kindern und Jugendlichen und deren Familien in die Jugendhilfe auseinander.

Inputs und Podiumsdiskussion

Bei einer anregenden Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis wurden diese Fragen von unterschiedlichen Seiten beleuchtet. Der Leiter des Jugendamts Tempelhof-Schöneberg von Berlin, Rainer Schwarz, berichtete aus der Praxis seines Jugendamts, dass sich die Zahl der ankommenden geflüchteten Familien in den letzten Monaten insgesamt verringert hat, die Belastung der einzelnen Jugendämter in Berlin jedoch nach wie vor sehr hoch sei. Eine viel zu große Zahl von Familien müsse eine zu lange Zeit in Notunterkünften verweilen. Aus den damit verbundenen Lebensumständen entstünde ein hoher Unterstützungsbedarf. Es habe zwar in der Vergangenheit eine große Vielfalt von Initiativen und Projekten freier Träger und ehrenamtlicher Initiativen in diesen Unterkünften gegeben, jedoch stoße diese Form der Unterstützung zunehmend an ihre Grenzen. Er berichtete über viele bürokratische Barrieren, einen erheblichen Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst und eine Vielzahl besonderer Herausforderungen, die noch zu überwinden seien. Beispielsweise könnten geflüchtete Kinder oftmals nicht aus den Willkommensklassen in den normalen Klassenverband und junge Menschen vielfach nicht in Ausbildung gebracht werden. Es gebe zwar eine Vielzahl von passenden Maßnahmen für junge Geflüchtete, jedoch seien die Jugendlichen ohne geklärten aufenthaltsrechtlichen Status in diese oft nicht vermittelbar. Positiv sei hingegen zu berichten, dass es durch die Zusammenarbeit von Jugendämtern mit freien Trägern zur Bildung von neuen, trag- und leistungsfähigen Netzwerken gekommen sei. Er fasste zusammen, dass die geflüchteten Familien zwar „in der Mitte der Jugendhilfe angekommen sind, dies aber oft noch nicht von der Mitte der Jugendhilfe so wahrgenommen wird“. Dabei seien schon jetzt alle geflüchteten Kinder und Jugendlichen Teil unserer gemeinsamen Zukunft, unabhängig ob diese in Deutschland oder in ihrem Herkunftsland liege.

Heinz Müller, Geschäftsführer des Instituts für Sozialpädagogische Forschung Mainz, begrüßte das Thema des Fachforums und berichtete, dass die Kinder- und Jugendhilfe und viele familienbezogene Dienste trotz der enormen Herausforderungen sehr vielfältig und gut aufgestellt seien. Die Fachkräfte und die Zivilgesellschaft hätten in der Vergangenheit Hervorragendes geleistet. In kürzester Zeit mussten für viele hunderttausende von jungen Menschen und Familien neue Angebote geschaffen und bestehende Strukturen angepasst werden. Allerdings sei der Handlungsbedarf nach wie vor groß. Nach dem erforderlichen Krisenmanagement der letzten Jahre stünde jetzt der Strukturaufbau an. Auch er betonte, dass dies in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit deutlicher hervorgehoben werden müsse. Immer wieder würde er auf Legitimitätsprobleme bei der Kinder- und Jugendarbeit stoßen, obwohl sie eine zentrale Aufnahme- und Integrationsfunktion für Flüchtlingsfamilien erfülle. Er berichtete, dass es nun endlich für viele Projekte und Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe finanzielle Förderung gebe, aber dass es entscheidend sei, wie die einzelnen Maßnahmen und Projekte tatsächlich koordiniert würden und wie eine solide Regelförderung aussehen könnte. Dabei sei es wichtig, die Gesamtstruktur der Kinder- und Jugendhilfe nicht aus den Augen zu verlieren. Er bewertete zusammenfassend sehr positiv, dass das System der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt durch den Zuwachs von geflüchteten Familien in Bewegung geraten sei. Durch das Aufbrechen von Strukturen seien neue Möglichkeitsräume sichtbar geworden und es hätten sich viele neue Kooperationen gebildet.

Als Beigeordneter beim Deutschen Landkreistag ist Jörg Freese für die Kinder- und Jugendhilfe zuständig. Er betonte, dass es für eine gelingende Kinder- und Jugendhilfe unerlässlich sei, feste Strukturen zu schaffen, so dass Hilfe und Unterstützung längerfristig angelegt werden könnten. Er wies auch auf die Heterogenität in der Jugendhilfe hin. Im ländlichen Raum stoße die Jugendhilfe mit ihren Angeboten auf große Resonanz und sei insgesamt recht gut aufgestellt. Die jeweiligen Bedarfe und Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe hätten sich in den letzten Jahren ohnehin stark verändert. Angebote wie Jugendfreizeiten in Freizeitheimen müssten generell modifiziert und an die heutigen Bedarfslagen von jungen Menschen – ganz gleich ob geflüchtet oder nicht – angepasst werden.

Wilhelm Liebing, Mitglied im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen, berichtete aus seiner Praxis von der Niedrigschwelligkeit der offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen und dass diese von geflüchteten Jugendlichen viel und häufig frequentiert würden. Dabei sei zu beobachten, dass dies natürlich auch Auswirkungen auf die bisherigen Strukturen der Kinder- und Jugendeinrichtungen habe und sich das Spektrum teils verändere. Er stellte heraus, dass es vielfach eine hohe Fluktuation der Jugendlichen in den einzelnen Einrichtungen gebe. Um geflüchtete Jugendliche für die Einrichtungen zu interessieren, sei es besonders wichtig, auch die Eltern mit einzubeziehen und ihnen nicht die Kompetenz abzusprechen, für ihre Kinder sorgen zu können. So konnte er von einer offenen Jugendeinrichtung berichten, die auch von Großeltern, Eltern und (auch jüngeren) Geschwistern von geflüchteten Jugendlichen besucht werde und somit fast die Atmosphäre eines Familienzentrums aufweisen würde. Liebing erklärte ebenfalls, dass viele Projekte und Vorhaben zurzeit so gut finanziert seien wie nie zuvor, gleichzeitig aber die Absicherung der Strukturen der offenen Jugendeinrichtungen vernachlässigt werde. Er betonte, dass in der Jugendarbeit in den vergangenen Jahren insgesamt zu wenig Geld investiert worden sei. Das habe sich jetzt teilweise geändert, aber dennoch sei es auch wichtig darauf zu achten, dass das Geld zielgerichtet ausgegeben werde und nicht durch z.B. Parallelförderung verschiedener Ministerien, gerade im Bereich der Projektförderung, teilweise verpuffe. Auch sei der Druck in der Kinder- und Jugendhilfe nicht überall gleich groß, so sei die Jugendhilfe im ländlichen Raum vielerorts in Relation zu den Anforderungen besser aufgestellt als in Großstädten.

Diskussionen im Plenum

Nach der Podiumsdiskussion wurde die Debatte für das Plenum geöffnet. Auch hier wurde begrüßt, dass wieder mehr Geld im System sei, wobei kritisiert wurde, dass dies teilweise zu kurzfristig angelegt werde. So hätten beispielsweise qualifizierte Fachkräfte vielerorts lediglich befristete Verträge, die nach Ablauf oft nicht verlängert würden. Dadurch gehe viel erworbenes Fachwissen verloren und könne nicht langfristig genutzt werden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Jugendhilfesystem bereits vor dem großen Zuwachs von geflüchteten Familien seit Jahren systemimmanente Probleme und Engpässe aufgewiesen hatte (Kitaplätze wurden nicht ausreichend ausgebaut, offene Kinder- und Jugendeinrichtungen wurden geschlossen etc.). Durch den Zuzug von geflüchteten Kindern und Jugendlichen seien diese Probleme jedoch sehr deutlich zu Tage getreten und erforderten an vielen Stellen ein Umdenken und Neustrukturieren.

Workshops

Nach der Mittagspause reflektierten die Teilnehmenden in drei parallelen Workshops die eigenen Erfahrungen zum Thema„Junge Geflüchtete und ihre Familien in der Kinder- und Jugendhilfe“.

Im ersten Workshop, moderiert von Dr. Jürgen Blumenberg (Verein zur Förderung von Beziehungskompetenz), wurden die Hilfen zur Erziehung für Unbegleitete Minderjährige erörtert. Nerea González Méndez de Vigo (Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge) berichtete in ihrem Input, dass sich, der Bundesregierung zufolge, Anfang 2017 bundesweit ca. 43.840 unbegleitete minderjährige Geflüchtete und 18.214 geflüchtete junge Volljährige in der Zuständigkeit der Kinder-und Jugendhilfe befunden hätten, wobei die Zahlen insgesamt seit Mai 2016 rückläufig seien. Sie erläuterte die Versorgung von unbegleiteten Geflüchteten in den Hilfen zur Erziehung, die sich immer individuell an den erzieherischen Bedarfen der jungen Menschen sowie Eignung und Erforderlichkeit der Hilfe orientiere. Sie beschrieb die verschiedenen Stationen und Maßnahmen der Hilfen (Clearingstelle, Hilfeplanverfahren, Beratungsanspruch etc.) und die damit häufig einhergehenden Probleme, wie fehlende personelle und fachliche Ressourcen, unklar geregelte und nicht aufeinander abgestimmte Verfahren und Unkenntnis der Familienverhältnisse auf Seiten der Länder und Kommunen. Dr. Silke Betscher (Kompetenz-Zentrum Pflegekinder) stellte in ihrem Beitrag dar, welche Bereicherungen sich für unbegleitete Jugendliche durch die Aufnahme in einer Gastfamilie bieten könnten (Spracherwerb, bestehendes Netzwerk, verlässliche Bezugspersonen über die Betreuungsdauer hinaus etc.). Sie berichtete aber auch von den potentiellen Herausforderungen und Problemen: viele Jugendliche hätten Loyalitätskonflikte beim Einlassen auf die neue Familie und manche bevorzugten die Unterbringung mit Peer-Groups in der Wohngruppe. Auch könne es mancherorts zur Überforderung der Gastfamilien insbesondere bei offenkundig traumatisierten Jugendlichen kommen. Da sei es notwendig, die Gastfamilien gut und kompetent zu begleiten. Auch sei es wichtig zu bedenken, dass eine gelungene Flucht der Jugendlichen und die damit verbundenen Überlebensstrategien nicht gleichzusetzen seien mit einer Selbständigkeit der Jugendlichen in ihrem täglichen Leben.

Der zweite Workshop beschäftigte sich mit dem Thema „Frühe Hilfen und Kinderschutz bei geflüchteten Kindern“ und wurde von Anna Traub (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge) moderiert. Melanie Mengel (Nationales Zentrum Frühe Hilfen) erläuterte in ihrer Präsentation wie die Frühen Hilfen als Unterstützungssystem für (werdende) Eltern und ihre Kinder bis zum Alter von drei Jahren fungierten, insbesondere für Familien in besonderen Lebenslagen. Sie berichtete, dass eine Elternschaft unter erschwerten Bedingungen (z.B. sprachliche Barrieren, mögliche traumatische Erfahrungen) vermehrt auf Hilfe unter erschwerten Bedingungen (z.B. durch Beziehungs- und Hilfeabbrüche) treffe. Bezogen auf geflüchtete Familien würden dabei ähnliche Gelingensfaktoren wie bei nicht geflüchteten Familien Bestand haben: es gelte Erfahrungen systematisch zu sammeln, zu dokumentieren und rückzukoppeln, Kooperationen zu bilden und die Stärken und Ressourcen der Familien wahrzunehmen und einzubeziehen. Dafür brauche es unter anderem sichere Rahmenbedingungen und Standards, die die Transparenz und Verlässlichkeit von Hilfen erhöhten, eine aktive interkulturelle Öffnung und Kompetenzen im Umgang mit Vielfalt. Dabei stelle sich die Ansprache der Jugendlichen und Familien als eine besondere Herausforderung dar. Diese sei in den Unterkünften noch gut zu organisieren, danach könnten interkulturelle Familienzentren als Knotenpunkte dienen. Sahar El-Qasem und Stefanie Fried (Save the Children Deutschland) präsentierten spannende Ergebnisse aus ihrer Arbeit zum Kinderschutz von geflüchteten Kindern. Ihre Ausführungen basierten auf qualitativen Interviews in Einrichtungen. In der Diskussion wurde als positives Beispiel für die Ansprache von Geflüchteten das Projekt „Kinderstuben“ in Dortmund genannt, in dem geflüchtete Mütter als Tagesmütter arbeiten. Weiterhin wurde betont, dass Familien als Ziel haben, ihre Kinder gut zu erziehen und ihnen dafür Räume und Möglichkeiten gegeben werden müssen. Zudem sei die Unterstützung von Fachkräften ein zentraler Ansatzpunkt, ihnen müsse Sicherheit und Wertschätzung in ihrer Arbeit gegeben werden. Dies gelte im Übrigen für die sozialen Berufe im Allgemeinen. Nur so sei dem konstatierten Fachkräftemangel zumindest langfristig beizukommen.

Der dritte Workshop, „Gelingende Zugänge der Familienbildung und Familienförderung zu Schutz suchenden Familien“ wurde von Birgit Merkel (Zukunftsforum Familie) moderiert. Beate Helmke (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung) stellte in ihrem Input Landesinitiativen zu diesem Themenschwerpunkt vor. In Niedersachsen werde seit 2007 die Weiterentwicklung von insgesamt rund 200 geschaffenen Familienbüros in den 55 Jugendamtsbezirken gefördert. Hier sei die ausdrückliche Förderung von Projekten zur Erprobung von neuen Wegen in der Familienbildung vorgesehen, z.B. für Familien mit Zuwanderungs- oder Fluchtbiografie. Dabei spiele auch die aufsuchende Elternarbeit eine große Rolle. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse einer Modellphase über gelingende Zugänge zu Familien mit Migrationshintergrund in den Bereichen Elternarbeit und Frühe Hilfen sei bereits 2015 ein Projekt für die Zielgruppe der Schutz suchenden Familien auf den Weg gebracht worden, das auf die erste Phase des Ankommens in Niedersachsen ausgerichtet sei. Es würden Projekte initiiert, die auf Familien, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, zugeschnitten seien. Die Projektträger würden mit einem Wissenstransfer und Orten der Vernetzung durch eine Praxisbegleitung des Instituts für Sozialpädagogische Forschung (ism gGmbH) unterstützt. Heinz Müller (Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz) berichtete in seiner Präsentation vom Projekt „Gut ankommen in Niedersachsen“, welches von seinem Institut seit 2015 wissenschaftlich begleitet werde. Ein zentraler Faktor für das Gelingen des Projektes sei unter anderem die Schaffung von „Ankerpunkten“ an vertrauten Orten wie Kitas, Schulen etc. Auch die direkte Ansprache durch Vertrauenspersonen, niedrigschwellige und wohnortnahe Angebote sowie parallele Angebote für Eltern und Kinder (z.B. Sprachkurse mit Kinderbetreuung) seien wichtige Faktoren. Dazu bräuchte es bei geflüchteten Familien insbesondere eine Anbindung an regionale Strukturen, eine gute Wissensvermittlung sowohl an die Aufnahmegesellschaft als auch an neuzugewanderte Familien sowie vielfältige Begegnungsorte zwischen Einheimischen und Neuzugewanderten. Dabei müssten insbesondere die Zugänge zu den Angeboten im ländlichen Raum geschaffen bzw. erweitert werden.

Fishbowl-Diskussion

Im Anschluss an die Workshops kamen die Teilnehmenden noch einmal in einer anregenden Fishbowl-Diskussion zusammen. Dabei resümierten mehrere Teilnehmende, dass der Zuwachs von geflüchteten Familien als eine Bereicherung für die Kinder- und Jugendhilfe anzusehen sei. Es  gebe viele positive Effekte bei Projekten, die geflüchtete und nicht geflüchtete Jugendliche zusammenbringen würden.

Spannende Inputs und Diskussionen beim Fachforum „Zugänge von geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu Regelangeboten der Bildung“

Berlin, 06. Dezember 2016:
Wie wird der Zugang von geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu Kindertagesbetreuung und Schule gewährleistet? Was sind die bestehenden Herausforderungen und welche Lösungsansätze gibt es? Um diese Fragen drehte sich das zweite Fachforum des Bundesforums Familie im Themenzyklus „Familie und Flucht“ am 6. Dezember 2016. Rund 40 Teilnehmer_innen aus den Mitgliedsorganisationen nahmen die Gelegenheit zum Informationsaustausch und zur Vernetzung wahr.

In einem ersten spannenden Impulsvortrag berichtete Rainer Ohliger (Netzwerk Migration in Europa) über die formalen und strukturellen Zugänge und Hürden, denen Geflüchtete im Bildungsbereich begegnen. Grundlage seiner Ausführungen bildete die Arbeit der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik. Dabei sei zu bedenken, dass noch nicht ausreichend quantitative Daten vorlägen, um belastbare Aussagen zu treffen. Ausgehend von den bisherigen Forschungsergebnissen könne man aber in etwa damit rechnen, dass die Zahl der Kinder in der Kindertagesbetreuung um 1,4 – 3,5 Prozent und die Zahl der zu beschulenden Kinder um 0,6 – 1,4 Prozent steige, wenn die seit 2015 nach Deutschland geflüchteten Kinder und Jugendliche in den Bildungsinstitutionen ankämen. Die Institution Schule sei, auch aufgrund der relativ geringen zusätzlichen Schüler_innen bei ansonsten sinkenden Schüler_innenzahlen, vergleichsweise gut in der Lage, die Herausforderungen zu bewältigen. Größere Probleme seien in der Kindertagesbetreuung zu sehen, denn es gebe generell hier zu wenig Plätze, zu wenig Personal und einen großen Bedarf an interkultureller Qualifikation der bereits hoch beanspruchten Fachkräfte.

Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte spielten auch im zweiten Impulsvortrag „Kinder geflüchteter Familien in der Kita“ von Petra Wagner (Fachstelle Kinderwelten, Institut für den Situationsansatz) eine Rolle. Sie erläuterte den Ansatz der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung, der dazu befähigen soll, Diversität zu respektieren und Diskriminierungen zu widerstehen. Der Leitsatz „Alle Kinder sind gleich, jedes Kind ist besonders!“ verdeutliche die Spannung zwischen der Anerkennung gleicher Rechte und der Notwendigkeit, dabei die unterschiedlichen Lebensumstände von Kindern und Familien zu berücksichtigen. Anhand von praktischen Beispielen machte Wagner deutlich, wie Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte gefunden und thematisiert werden können. Kitas und Schulen könnten so zu Orten „kultureller Demokratie“ werden. Dies erfordere kontinuierliche Aushandlungsprozesse zwischen den Familienkulturen und den institutionellen Kulturen, mit einer Orientierung an der Leitlinie „Vielfalt respektieren, Ausgrenzung widerstehen!“. Konkret bestehe dies darin, Unterschiede weder zu ignorieren noch überzubetonen, sondern respektvoll zum Thema zu machen. Gleichzeitig gelte es, Ausgrenzung und Diskriminierung zu erkennen und zu bekämpfen – und nicht den geflüchteten Familien die Schuld für (bildungs-)politische Versäumnisse zu geben.

Die beiden Hauptvorträge wurden ergänzt durch Praxisbeispiele aus den Mitgliedsorganisationen des Bundesforums Familie. Dr. Apolonia Franco Elizondo berichtete von Sprachlernangeboten für geflüchtete Familien, die die IMPULS Deutschland Stiftung organisiert. Eine Mitarbeiterin des Zentralrats der Muslime in Deutschland stellte das Patenschaftsprojekt „Wir sind Paten“ vor. Die Vernetzung und fachliche Begleitung von Modellkitas in Berlin, die mit geflüchteten Kindern arbeiten, war Gegenstand des Inputs von Marlies Knoops von der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder. Dass geflüchtete Kinder aber auch in der Kindertagespflege unterkommen können und welche Schritte aktuell zur Vernetzung und Unterstützung der Tagespflegepersonen wie auch der geflüchteten Familien unternommen werden, verdeutlichte Ilka Ruhl vom Bundesverband für Kindertagespflege.

Nach der Mittagspause kamen die Teilnehmer_innen in zwei parallelen Foren mit Expert_innen zusammen. Forum 1 hatte die frühkindliche Bildung zum Thema, in Forum 2 wurde zum Themenbereich Schule diskutiert. In beiden Gruppen waren die leitenden Fragen: Was sind die Faktoren, die dazu beitragen, dass Zugänge zu Bildungsangeboten geschaffen und genutzt werden? Wo liegen die Herausforderungen? Was muss geschehen, dass bestehende Probleme bewältigt werden können?

Dr. Jürgen Wüst von der Karl-Kübel-Stiftung moderierte das Forum 1 zum Bereich frühkindliche Bildung. Zwei Expertinnen eröffneten hier die Diskussion. Helena Saba stellte die Aktivitäten von „Willkommen KONKRET“ vor, dem Berliner Bündnis für Kinder geflüchteter Familien, einer zivilgesellschaftlichen Initiative von Menschen aus der frühpädagogischen Praxis und Theorie, aus Verwaltung, Therapie sowie Fort- und Weiterbildung. Das Bündnis arbeite gemeinsam daran, allen in Berlin lebenden Kindern von Beginn an Zugang zu frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung zu verschaffen und ihnen die Rechte zu sichern, die ihnen laut Kinderrechtskonvention zustehen. Sie machte deutlich, welche Akteure an der Inklusion von Kindern in Einrichtungen frühkindlicher Bildung beteiligt sind und wie wichtig deren Vernetzung ist, nicht zuletzt auch um sich gegenseitig in den entsprechenden Praxisfeldern zu unterstützen und zu stärken. Maria Korte-Rüther vom Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) ergänzte dies mit Erfahrungen aus der Qualifizierung und Vernetzung von Fachkräften und Einrichtungen. Die Kita sei ein, wenn nicht sogar der Ort der Vielfalt von Anfang an. Hier kämen Familien und Kinder aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen, mit unterschiedlichsten sozio-ökonomischen Hintergründen und unterschiedlichsten körperlichen und geistigen Fähigkeiten zusammen, um gemeinsam zu spielen und zu lernen, um Freundschaften zu knüpfen und Freude zu haben. Zurzeit würden in Niedersachsen beispielsweise etwa 200 Multiplikator_innen im Rahmen der Qualifizierungsinitiative des Kultusministeriums „Vielfalt fördert! Vielfalt fordert“ fortgebildet, um Fachkräfte beim Umgang mit Diversität in Kitas zu unterstützen. Dabei seien die Reflexion des professionellen Selbstverständnisses und der eigenen pädagogischen Orientierungen zentrale Bestandteile der folgenden Qualifizierungen in den Einrichtungen. Zudem gehe es zentral um die Frage, welchen Beitrag die Einrichtungen darüber hinaus leisten können, um sich in den Sozialraum zu öffnen.

Forum 2, welches parallel stattfand und von Dr. Mehmet Alpbek (FÖTED) moderiert wurde, hatte die Zugänge von geflüchteten Kindern und Jugendlichen zur Schule im Blick. Hier berichtete zunächst Lara Stothfang, Grundschullehrerin in Berlin, von ihren Erfahrungen mit geflüchteten Kindern in der Schule und der von ihr ins Leben gerufenen Initiative HUCKEPACK, die sehr erfolgreich Patenschaften an geflüchtete Kinder zwischen 6 und 18 Jahren in Berlin vermittelt. Die ehrenamtlichen Pat_innen würden sich etwa einmal wöchentlich mit ihren Patenkindern treffen und gemeinsam Freizeitaktivitäten unternehmen, sowie sie beim Deutschlernen und auch bei schulischen Belangen unterstützen. Die erklärten Ziele der Initiative seien es, Geflüchtete Willkommen zu heißen, ihnen das Ankommen zu erleichtern, Vorurteile abzubauen, Kinder zu stärken und einen gegenseitigen Austausch zu fördern, indem Barrieren abgebaut würden. Anschließend schilderte Tom Erdmann (GEW Berlin) die gewerkschaftliche Sichtweise auf die Zugänge von jungen Geflüchteten zur Schule im Land Berlin. Das System der sogenannten „Willkommensklassen“, in denen geflüchtete Kinder separat unterrichtet werden und dort vor allem die deutsche Sprache lernten, sei in den letzten zwei Jahren rasant ausgebaut worden: mittlerweile gebe es 1000 solcher Klassen mit insgesamt etwa 12000 geflüchteten Schüler_innen in Berlin. Allerdings fehlten vielerorts geeignete Lehrkräfte für diese Klassen, auch würde der Unterricht bei Erkrankung der Lehrkräfte oft nicht vertreten, sondern falle aus. Wichtig sei der GEW ein Ausbau von Erzieher_innenstellen im Ganztagsbereich, eine deutliche Stärkung der Schulpsychologie wie auch ein klarer Abschiebestopp für Kinder. Sybille Siegling, Referentin beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz, legte abschließend die teils recht unterschiedlichen Bemühungen der Bundesländer im Bereich der schulischen Inklusion junger Geflüchteter dar. So greife die Schulpflicht beispielsweise in Hamburg „ab dem ersten Tag“, in vielen anderen Ländern erst nach Zuweisung der geflüchteten Kinder in die Kommunen, wenn diese „ihren gewöhnlichen Aufenthalt“ dort etabliert hätten. Flächendeckend gebe es in allen Ländern den Anspruch, so schnell wie möglich alle Kinder zu beschulen. Die angewandten Sprachförderkonzepte seien aufgrund der Gegebenheiten vor Ort vielfältig. Leider fehle bislang aber eine konsistente wissenschaftliche Evaluation der eingesetzten Methoden und Praktiken, um entsprechende Empfehlungen aussprechen zu können. Als vorteilhaft hob Siegling hervor, dass sich durch die notwendige Handhabe des Zuzugs geflüchteter Kinder vielerorts neue Kommunikations- und Kooperationsstrukturen auf kommunaler Ebene gebildet hätten, was auch für andere Bereiche durchaus positive Synergien freisetzen könne.

Die Leitfragen der Foren wurden in der abschließenden Fishbowl-Diskussion mit allen Teilnehmenden noch einmal aufgegriffen. Dabei wurde deutlich, dass der Bedarf in erster Linie auf personeller Seite gesehen wird. Zum einen sei es unbedingt notwendig, über ausreichend personelle Ressourcen verfügen zu können, um mit der Diversität in den Bildungsinstitutionen angemessen umzugehen. Zum anderen bedürfe es bei den Fachkräften einer bestimmten Haltung als Teil ihrer Professionalität, die es zu entwickeln gelte. Elemente einer solchen Haltung seien Offenheit und Augenhöhe. „Der eigentliche Gelingensfaktor ist, dass wir es wirklich wollen!“, formulierte es eine Teilnehmerin.

Erfolgreiches erstes Fachforum „Werte lernen in der Migrationsgesellschaft“

Berlin, 07. Oktober 2016:
Mit dem ersten Fachforum „Werte lernen in der Migrationsgesellschaft“ mit knapp 50 Teilnehmenden ist das Bundesforum Familie voll in die inhaltliche Arbeit zum Thema „Familie und Flucht“ eingestiegen. Eine 7-köpfige Ad-Hoc-Arbeitsgruppe aus dem Kreis der Mitgliedsorganisationen hatte das Fachforum vorbereitet, das von einem spannenden Impulsvortrag von Prof. Dr. Friedrich Heckmann (europäisches forum für migrationsstudien an der Universität Bamberg) zum Thema Werte in der Migrationsgesellschaft eingeleitet wurde.

Prof. Dr. Heckmann erläuterte in seinem Vortrag zunächst einige sozialisationstheoretische Grundlagen. Werte seien als grundlegende Maßstäbe des individuellen Handelns sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verstehen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stabilität von Institutionen sei eine gewisse Wertegemeinsamkeit eine zentrale Bedingung. Um sich in eine Gesellschaft integrieren zu können, müssen Werte also gelernt werden. Integration ist für Heckmann ein Sozialisationsprozess und besteht – dem Soziologen Hartmut Esser folgend – aus vier Dimensionen: der strukturellen Integration (in Schule, Arbeits- und Wohnungsmarkt etc.), der sozialen Integration (Freundschaften, Vereine etc.) und der identifikativen Dimension (z.B. als syrischer Deutscher); besondere Bedeutung sei dem Spracherwerb als Teil der vierten Dimension, der kulturellen Integration, beizumessen. Alle vier Dimensionen stünden in wechselseitigen Kausalbeziehungen. Sie setzten außerdem die Offenheit der Aufnahmegesellschaft für die Partizipation und Identifizierung der Migranten voraus. Zu dieser Offenheit gehöre auch, so Heckmann, sich die Frage zu stellen: Müssen wir uns – schon im Interesse des Friedens – nicht darauf einstellen, mehr zu teilen und nicht nur unseren Wohlstand zu mehren? Wir scheinen an einer Zeitenwende zu stehen, die die Chance berge, neue Formen internationaler und europäischer Zusammenarbeit zu entwickeln und das europäische Projekt voranzubringen; größer sei leider momentan jedoch die Gefahr, dass durch nationale Beschränktheiten das zerstört werde, was in vielen Jahren an europäischen Errungenschaften für Frieden und Wohlstand erreicht worden sei.

Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Dr. Heckmann erinnerte Magda Göller, Mitglied im Beirat des Bundesforums, daran, dass das Thema des Fachforums große Schnittmengen mit früheren Rahmenthemen des Bundesforums aufweise. An die Erkenntnisse aus den Bereichen „Migrationsfamilien“ (2003 – 2004), „Kinder brauchen Werte“ (2007 – 2009) sowie „Familie und Inklusion“ (2013 – 2015) könne man deshalb gut anknüpfen. In all diesen Zusammenhängen zeige sich immer wieder, wie wichtig es ist, die zwei menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie und Zugehörigkeit auszutarieren. Häufig werde vernachlässigt, wie hilfreich dabei die Selbstreflektion sein kann, also sich zu fragen: „Was ist mir wichtig? Warum? Wofür stehe ich?“

Intensive Diskussionen im Plenum schlossen sich an. Dabei wurde die Frage aufgeworfen, ob denn „unsere“ Werte von den Zugewanderten tatsächlich im größeren Stil in Frage gestellt würden. Und wer das eigentlich sei: „Wir“? Schließlich sei unsere Gesellschaft keineswegs homogen, auch nicht in den Wertvorstellungen. Zudem hätte die Geschichte und hätten insbesondere die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass Wertvorstellungen einem teilweise starken Wandel unterlägen. Als Beispiel wurden unter anderem der Umgang mit den Themen geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung oder Gewalt in der Erziehung genannt.

Nach der Mittagspause reflektierten die Teilnehmenden in drei parallelen Workshops die eigenen Erfahrungen mit dem Thema Werte in der Arbeit mit Geflüchteten und suchten gemeinsam nach Bausteinen für einen konstruktiven Wertedialog.

In allen drei Gruppen wurde dabei deutlich, wie wichtig der persönliche Kontakt zwischen den Menschen ist, um Vorurteile abzubauen. Wenn man sich mit Offenheit und Respekt begegne, zeige sich meist, dass man viele Wertvorstellungen teile. Da aus den geteilten Werten aber unterschiedliche, auch kulturell unterschiedlich geprägte Verhaltensweisen abgeleitet werden können, komme es häufig zu Missverständnissen.

Unterstrichen wurde mehrfach die Gefahr, innerhalb eines vermeintlich gut gemeinten Prozesses der Wertevermittlung durch Stereotype und „Labelling“ Geflüchtete oder auch andere nicht-weiße Menschen zu diskriminieren und Rassismen auszusetzen. Ebenfalls betont wurde die Notwendigkeit, für Neuankommende Rechte zu stärken und Zugänge zu Bildung, Arbeit etc. zu schaffen, damit überhaupt ein Dialog auf Augenhöhe möglich sei.

Sorgen äußerten viele Teilnehmende auch in Hinblick auf den jüngsten Aufschwung von rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien, die massiv Stimmung gegen Geflüchtete, Muslim_innen sowie generell Andersdenkende machten. Das von Heckmann in seinem Vortrag erwähnte Konzept der „Leitkultur“ wurde in allen Workshops kritisch hinterfragt bzw. geradeheraus abgelehnt.

Als wichtiges Elemente eines konstruktiven Wertedialogs wurde immer wieder genannt, vorurteilsbewusst zu agieren, sich der eigenen (Macht-)position bewusst zu sein, anderen auf Augenhöhe zu begegnen, Raum für Begegnungen, Austausch und Dialog zu schaffen sowie letztlich geduldig zu sein und dem Prozess des Zusammenwachsens auch einfach Zeit zu geben.

Im Nachgang der Veranstaltung kam in Hannover abermals die Ad-Hoc-Arbeitsgruppe zusammen, um die Ergebnisse zusammenzutragen und nachzubereiten.

JETZT ONLINE: Material- und Linksammlung „Familie und Flucht“

Was machen eigentlich die Mitglieder des Bundesforums Familie zum Thema „Familie und Flucht“? Auf welche Ressourcen der Partnerorganisationen kann ich zurückgreifen? Von welchen Projekten kann ich lernen? Welche Aktivitäten haben Beispielcharakter?

Unsere Material- und Linksammlung ist jetzt online und hilft Ihnen, einen Ein- und Überblick zu bekommen.

Auftaktveranstaltung „Familie und Flucht“: Erste Bestandsaufnahme und Ideensammlung für Weiterarbeit

Berlin, 12. April 2016:
Das neue Thema „Familie und Flucht“ ist mit einer gelungenen Auftaktveranstaltung mit über 60 Teilnehmenden aus den Mitgliedsorganisationen des Bundesforums Familie in Berlin gestartet. Eine erste Bestandsaufnahme der Beschäftigung mit dem Thema innerhalb der Mitgliedsorganisationen wurde durch eine spannende Podiumsdiskussion eingeleitet. Dr. Heidemarie Arnhold (Arbeitskreis Neue Erziehung), Andrea Domke (Bundeskonferenz für Erziehungsberatung), Sebastian Ludwig (Diakonie Deutschland), Maria Rocholl (Paritätisches Bildungswerk Bundesverband) und Hiltrud Stöcker-Zafari (Verband binationaler Familien und Partnerschaften) berichteten auf dem Podium zu den reichhaltigen Erfahrungen ihrer Verbände mit dem Thema „Familie und Flucht“. Ergänzt wurden diese Ausführungen von zahlreichen weiteren Erfahrungsberichten und Diskussionsbeiträgen aus dem Plenum der Teilnehmenden.

Die Projektkoordination stelle zudem den Vorschlag des Beirats zum Erarbeitungsformat des Themas vor: In den kommenden zwei Jahren sollten keine festen Arbeitsgruppen gebildet werden, stattdessen könne das Bundesforum sich dem Thema in einem offenen Veranstaltungsformat („Fachforen“) nähern. Kleinere Ad-Hoc Arbeitsgruppen aus den Reihen der Mitglieder könnten die Projektkoordination bei der Vor- und Nachbereitung der Veranstaltungen unterstützen, und vor allem auch konkrete Ergebnisse aus den jeweiligen Veranstaltungen im Nachgang formulieren. Durch dieses Format stehe die Bearbeitung im Verlauf der Projektphase stets allen Mitgliedern offen, es gebe viel Raum Expertise von außen zu holen und den Facettenreichtum des Themas widerzuspiegeln. Der Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung. Im weiteren Verlauf des Nachmittags wurden Vorschläge für zu bearbeitende Unterthemen an Stellwänden gesammelt, diskutiert und anschließend von allen Teilnehmenden mit Klebepunkten gewertet. Der Beirat des Bundesforums Familie wird nun die Ergebnisse auswerten und sich bald mit Vorschlägen für die konkreten Fachforen an die Mitglieder des Bundesforums wenden.

UPDATE: Die ausführliche Dokumentation der Veranstaltung steht jetzt zur Verfügung.

Netzwerkversammlung 2015: Vorstellung der Abschlusspublikation und neues Schwerpunktthema

Berlin, 04. Dezember 2015:
Knapp 60 Teilnehmende aus den Mitgliedsverbänden des Bundesforums Familie kamen am Freitag zur diesjährigen Netzwerkversammlung zusammen. Die Beratungen der letzten zwei Jahre zum Thema „Familie und Inklusion“ wurden am Vormittag beleuchtet. Dr. Verena Wittke und Dr. Karin Jurczyk stellten stellvertretend für die beiden Arbeitsgruppen die Abschlusspublikation „Familie ist Vielfalt: Inklusion leben, Teilhabe sichern“ vor. Dr. Antje Kunstmann, Journalistin aus Hamburg, und Paul Lehrieder, MdB und Vorsitzender des Familienausschusses im Bundestag, kommentierten die Ergebnisse, bevor sie im Plenum beraten und diskutiert wurden. Die Teilnehmenden unterstrichen beispielsweise die Vorteile des verwendeten breiten Inklusionsbegriffs, der deutlich über das Thema der schulischen Inklusion von Kindern mit Behinderung hinausgeht, ebenso wie die spannenden Erkenntnisse zu Familien mit behinderten Eltern. Die zwölf Leitlinien für Verbände, Politik und Gesellschaft am Ende der Publikation, die einen möglichen Weg in eine inklusive Gesellschaft für alle Familien zeichnen, wurden ebenfalls anerkennend hervorgehoben.

Am Nachmittag wurde zum Schwerpunktthema der nächsten zwei Jahre beraten. Unter den vielen eingegangenen Vorschlägen der Mitgliedsorganisationen hatte der Beirat die Themen „Familie und Flucht“, „Elternschaften heute“, „Digitalisierung und Familie“ sowie „Gewalt in der Familie“ ausgewählt, die an Thementischen in vier Runden von allen Teilnehmer/innen angeregt diskutiert wurden. Nach spannenden Gesprächen wählten die Anwesenden „Familie und Flucht“ zum Schwerpunktthema für die nächsten zwei Jahre im Bundesforum Familie.

Spannende Diskussionen bei der Netzwerkversammlung 2014

Am 19. September kamen in Berlin rund 50 Vertreter/innen der Mitgliedsverbände zur diesjährigen Netzwerkversammlung des Bundesforums Familie zusammen. Am Vormittag hatte außerdem eine gemeinsame Sitzung der beiden Arbeitsgruppen stattgefunden.

Zunächst begrüßten Prof. Dr. Can Aybek (Mitglied des Beirats des Bundesforums Familie) und Diana Golze, MdB (Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Deutschen Bundestag) die Teilnehmenden. Im Anschluss berichtete Dr. Jürgen Blumenberg dem Plenum aus der Arbeit der Arbeitsgruppe A „Inklusion bei Familien mit behinderten Angehörigen“ und Mechthild von Luxburg aus der Arbeit in der Arbeitsgruppe B „Inklusion für die Vielfalt von Familien“.

Das Thema „Lebenslagen von Familien im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention“ stand nachfolgend im Mittelpunkt. Nach spannenden Inputs von Dr. Michael Wrase (Wissenschaftszentrum Berlin), Dr. Sigrid Arnade (Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V.) und Prof. Dr. Andreas Eckert (Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, Zürich) nutzten die Teilnehmenden die Chance zum Austausch und diskutierten lebhaft mit den Inputgeber/innen.

UPDATE: Die ausführliche Dokumentation der Veranstaltung steht jetzt zur Verfügung.