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Workshop des Clusters Familienbildung

„Werte erlebbar machen im Miteinander der Generationen: Praxisbeispiele – Familienbildung“ am 2. September 2008 in Berlin

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In einer Fragebogenaktion wurden Ende 2007 Projekte unter der Überschrift „Werte erlebbar machen im Miteinander der Generationen“ erfasst. Eine Vielzahl interessanter und spannender Praxisbeispiele wurden den Teilnehmer/innen in diesem Workshop zugänglich gemacht. Zur Förderung des Austauschs und des Transfers von Erfahrungen wurden Praktiker/innen aus der Familienbildung eingeladen. Neben einleitenden Vorträgen gab es viel Zeit, sich mit den vielen aus- und vorgestellten Projekten vertraut zu machen.

Nach einführenden Vorträgen am Vormittag standen die Projekte im Mittelpunkt. Während der Mittagspause war Zeit für den Besuch des Marktes der Möglichkeiten. Und am Nachmittag wurden drei Arbeitsgruppen angeboten, um Impulse für die eigene Arbeit zu geben. In Form eines moderierten Gespräches wurden hier die ausgewählten Projekte präsentiert.

Einmischen in die Diskussion um kommunuale Bildungslandschaften

hocke_fb.jpgNorbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie, bedankte sich in seiner Begrüßung bei der Kinderkommission des Deutschen Bundestages, die die Schirmherrschaft für das Projekt „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ übernommen hat. Er kritisierte, dass genau bei denjenigen, die mit den Familien arbeiten, in den letzten sechs Jahren am meisten Personal abgebaut wurde und bezeichnete diesen Personalabbau als Aderlass. Und appellierte an die Teilnehmer/innen, sich in den nächsten Monaten in die Diskussion um die kommunalen Bildungslandschaften einzumischen. Denn Kultur, Familie und die offene Kinder- und Jugendarbeit gehören in diese Diskussion. Es komme weniger darauf an, Leuchttürme und Botschafter/innen zu finden, sondern die öffentliche Verantwortung für ein gelingendes Aufwachsen und die Zuwendung zu den Lebenslagen und Lebensbedingungen der Familien einzubetten in ein Konzept der kommunalen Bildungslandschaften. In dieser Diskussion mit den Stärken zu brillieren und sich nicht an die Seite drängen zu lassen – hierin liegt Norbert Hocke zufolge die Zukunftsperspektive und Chance für die Familienbildung.

Eltern in die Arbeit einbeziehen

golze_fb.jpgDiana Golze, Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestages, wies in ihrem Grußwort auf den 12. Kinder- und Jugendbericht hin, der die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen mit einem ganzheitlichen Anspruch betrachtet. Der Blick auf die heutige Kindererziehung zeige, dass das Aufwachsen von Kindern heute eine sehr hohe Aufmerksamkeit erfahre und damit auch die Betrachtung der Kinder als eigenständige Persönlichkeiten, die es zu fördern und zu unterstützen gelte. Gleichzeitig wies Diana Golze auf die Problemsituation von Familien hin, denn veränderte, allzu oft familienunfreundliche Arbeitswelten stellten Eltern unter Druck. Aus diesem Grund brauchten Familien Orte des Austausches und der Begegnung  sowie Bildungsangebote, um Kompetenzen zu erlernen, die sie an ihre Kinder weitergeben können, und die Möglichkeit, sich selbst einbringen zu können. Besonders die Beteiligung und die Mitsprache von Eltern seien für die Vorsitzende der Kinderkommission wichtig, denn nur so könnten Demokratie, Toleranz und Solidarität erlernt werden.

Der Beitrag der Familienbildung zur Werteerziehung

loeher_fb.jpgMichael Löher vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. gab einen reichhaltigen Überblick über die Aufgaben und Anforderungen der Familienbildung und wies auf die stetig realen oder gefühlten Anforderungen an Eltern hin. Elterliche Kompetenz sei gefragt wie nie und die vielen Erziehungsratgeber und Fernsehformate zeigten die Nachfrage in erzieherischen Fragen, ohne jedoch wirklich eine große Hilfe zu sein. Familienbildung hingegen mit seinen vielfältigen Angeboten und Trägern unterstütze nachhaltig Familien. Löher stellte drei Thesen vor, welchen Beitrag die Familienbildung zur Werteerziehung leisten könne und solle:

Familienbildung als Brückenfunktion: Durch Familienbildung finde ein Wertetransfer statt. Dadurch, dass derjenige, der eine Familie im Rahmen einer Maßnahme der Familienbildung berät, der Familie Werte vorlebe, würden Werte in die Familie selbst hineingetragen.

Werte vorleben und weitergeben: Die Familienbildung könne die Werte der Eltern transparent und bewusst machen. So versetze sie die Eltern in die Lage, Werte bewusst weitergeben zu können. Doch gehe es hierbei nicht darum, der Familie möglichst viele Werte  nahezubringen oder gar um den besten Wert, sondern immer um die konkrete Familiensituation im Einzelfall. Die Herausforderung bestehe darin, dass Werte einem permanenten Wandel unterworfen seien. Doch, so betonte Löher, könne die Weiterentwicklung von Werten die Weiterentwicklung des Einzelnen bedeuten. Werte zu haben bedeute vor allem, einen Selbstwert zu besitzen und zu entdecken. Dazu müsse die Familienbildung beitragen. Sie müsse Eltern ermutigen, ihren eigenen Wert zu entdecken und schätzen zu lernen.

Familienbildung soll werteorientiert sein: Die Familienbildung müsse selbst werteorientiert sein, wenn sie erfolgreich sein wolle. Diejenigen, die in der Familienbildung tätig sind, müssten für sich selbst Werte gefunden haben, um sie den Familien vorleben zu können. Ohne Werte wie Achtung, Wertschätzung und Respekt gegenüber der Familie auch auszudrücken, könne die Familienbildung nicht die Werteerziehung und Werteorientierung der Eltern stärken.

 

Die Befragungsaktion des Bundesforums Familie

Dr. Katherine Bird vom Bundesforum Familie stellte in ihrem Vortrag die Befragungsaktion des Clusters Familienbildung vor. Ziel der Befragung war es, neue oder innovative Ansätze vieler Einrichtungen und Verbände zu erfassen und interessierten Praktiker/innen vorzustellen, um Impulse für die eigene Arbeit zu geben. Der zweiseitige Fragebogen wurde Ende 2007 an alle Mitgliedsorganisationen verschickt und stieß mit 126 ausgefüllten Antworten auf eine kate1.gifüberraschend große Resonanz. Eine Vielzahl von Angeboten, deren Großteil auf die Bedürfnisse vor Ort zugeschnitten sind, wurde erfasst: Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz und/oder Entwicklung von Partizipationsmöglichkeiten, religiöse Erziehung/religiöse Bräuche, Jung und Alt/Familienzeit, Ernährung/Hauswirtschaft, Förderung der Kultur/Natur sowie Patenschaften/„Leih-Omas“ o.Ä. Und eine breite Palette an Werten wurde erhoben, die in soziale, kulturelle, religiöse, ökologische und sonstige Werte unterteilt werden konnte.

Die sozialen Werte wie z.B. Solidarität, Toleranz oder Mitgefühl wurden am häufigsten benannt. Die Angaben zu den kulturellen Werten unterstrichen die Bemühungen der Anbieter, gewisse Traditionen weiterzugeben, aber auch die Lust an der Produktion und Rezeption von Kultur zu wecken und zu fördern. Bei den ökologischen Werten war es den Befragten oftmals wichtig, einen sparsamen Umgang mit den begrenzten Ressourcen zu vermitteln. Und als religiöse Werte nannten viele Nächstenliebe, Gottvertrauen sowie Achtung und Wertschätzung der eigenen Personen. Dr. Bird betonte aber hierbei, dass das Thema Werte komplex ist und daher die Klassifikation eines Wertes oder einer Aktion nicht so wichtig ist, wie das dahinter stehende Handlungsprinzip. Und dass es verschiedene Erklärungen, Grundlagen sowie Rechtfertigungen für unsere gemeinsamen Handlungsprinzipien gibt. Anschließend ging Dr. Bird auf drei kleinere spannende Projekte näher ein, um praxisnah aufzuzeigen, wie Werte erlebbar gemacht werden. Übertragbar, so Dr. Bird, sind bestimmte Organisationsformen, wie z.B. Mutter-Kind-Gruppen, Patenschaften oder Begegnungen zwischen Jung und Alt, aber die genaue Gestaltung hängt von den „Macher/innen“ vor Ort ab.

Werte erlebbar machen – die Arbeitsgruppen

gruppe_fb.jpgAm Nachmittag wurden drei Arbeitsgruppen angeboten, in denen in Form eines moderierten Gespräches unterschiedliche Projekte vorgestellt wurden, und mit den Teilnehmenden intensiv diskutiert. Im kleineren Kreis war es möglich, auf die Inhalte, Hintergründe und Beweggründe für das Projekt, Finanzierungsmöglichkeiten und weitere Hindernissen und Hilfen einzugehen.

Folgende Arbeitsgruppen wurden eingerichtet:
AG 1: Kurse für Erziehungspersonen (Moderation: Hubert Heeg, AKF – Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e. V.)
•    „Auf eigenen Beinen stehen“, vorgestellt von Thea Strichau, Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern, AEEB
•    „Kess – Hand in Hand. (Erziehungs-)Kurs für Eltern und Großeltern“, vorgestellt von Sabine Schäfer, Caritas Erziehungs- und Familienberatung Berlin
•    „Stark für die Zukunft“ – Elternseminarreihe für Migrantenfamilien, vorgestellt von Dagmar Höpfner, BVHS Solingen Wuppertal
•    Werteorientierter Erziehungskurs „Kindern zum Leben helfen“, vorgestellt von Peter Scherer, Bistum Augsburg
AG 2: Angebote von Kooperationspartnern der Familienbildung (Moderation: Dr. Katherine Bird, Bundesforum Familie)
•    „GfG-Familienbegleitung von Anfang an“, vorgestellt von Ines Albrecht-Engel, Gesellschaft für Geburtsvorbereitung – Familienbildung und Frauengesundheit – Bundesverband e.V.
•    Toleranzprojekt „Ich bin anders. Du bist anders. Jeder ist einzigartig“, vorgestellt von Eva Neumann, Kindervereinigung Hohen Neuendorf e.V.
AG 3: Ehrenamtliches Engagement und selbstorganisierte Projekte (Moderation: Dr. Erika Neubauer, BAGSO)
•    „Bedeutung der Musikerziehung im frühkindlichen Bereich von behinderten und nicht behinderten Kindern für Eltern und Großeltern“, vorgestellt von Dr. Renate Heinisch, Elternverein Baden-Württemberg e.V.
•    „Initiative Z – Zeit und HerZ. Paten begleiten Familien“, vorgestellt von Christine Heppner, Jugendamt Stuttgart
•    „Stricken für Akzeptanz und Solidarität“ – ein humanitäres Projekt des Deutschen Hausfrauen-Bundes, vorgestellt von Sylvia Dieckhoff, Deutscher Hausfrauen-Bund Schleswig-Holstein

Eine Besonderheit der AG 3 war die Teilnahme gleich zwei Bundesverdienstkreuzträgerinnen: Sylvia Dieckhoff (links) und Dr. Renate Heinisch (rechts), die in langjähriger ehrenamtlicher Arbeit viele Menschen unterstützt haben.

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In einer Abschlussrunde fasste Heribert Rollik vom Deutschen Roten Kreuz die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen zusammen und sprach die Empfehlung aus, Länderinitiativen auf den Weg zu bringen, die sich an die oberste Landesjugendbehörde wenden, um das Erlebbar machen von Werten in § 16 des SGB VIII aufzunehmen.

Regionalkonferenz Süd des Kita-Clusters

„So entsteht ein Werteklima: In Kindertageseinrichtungen wertebewusst kommunizieren“

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Werte können Kindern nicht vermittelt werden – erst durch das eigene Tun und durch das Vorbild von Erwachsenen werden Werte für Kinder lebendig und begreifbar. Aus dem, wie sie Menschen im Umgang miteinander erleben, leiten Kinder intuitiv Regeln für ihr Leben ab. Dies setzt ein Werteklima voraus, das den erhobenen Zeigefinger überflüssig macht. Und genau darum ging es in dieser Regionalkonferenz. Die Kooperationspartner waren der Landesverband Katholischer Kindertagesstätten Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband.

Am 17. Juli 2008 trafen sich mehr als 60 Erzieher*innen und Fachberater*innen im Christkönigshaus in Stuttgart-Hohenheim, um sich praxisnahe und konkrete Anregungen für die Beschäftigung mit Werten in Kindertagesstätten zu holen.

Zum Auftakt stellte Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie, fest, dass jede Einrichtung ihreigenes Werteklima habe, das von den Mitarbeiter*innen geprägt werde und auf den Grundpfeilern von Authentizität, Respekt und Wertschätzung ruhe. Er bedauerte zutiefst, dass Erzieher*innen so wenig Wertschätzung erführen, denn wer wenig Wertschätzung erführe, könne sie auch nicht weitergeben. Für ihn sei das Peter SchererKlima einer Einrichtung wichtiger als vielfältige frühkindliche Bildungsangebote.
In seinem Grußwort wies Peter Scherer (Landesverband Katholischer Kindertagesstätten Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V.) darauf hin, dass das Wertethema nicht neu sei und immer darunter leide, dass nicht genau definiert sei, was man mit Werten meine, und alle etwas anderes darunter verstünden. Ziel der Regionalkonferenz sei, zur Klärung dieser Frage beizutragen.

Frank Jansen (Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e. V.) ging in seinem Grußwort noch einmal auf die Entstehungsgeschichte des Projektes „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ ein und erinnerte daran, dass es die damalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt gewesen sei, die die Idee für das Bündnis für Erziehung hatte und die Kirchen zum gemeinsamen Handeln aufforderte. Dann sei der Regierungswechsel gefolgt und die neue Ministerin von der Leyen hätte das erste Bündnis für Erziehung initiiert. Jansen berichtete von seiner Erfahrung auf der Bundespressekonferenz, auf der das Projekt vorgestellt und sogleich massiv kritisiert worden sei. Aus dieser Erfahrung sei dann das Projekt „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ geworden. Schnell habe man dort gelernt, dass es nicht möglich ist, in so einem pluralen Zusammenhang bestimmte Werte festzulegen. Stattdessen habe man auf die Reflexion dessen gesetzt, was man tut, und versuche darüber zu einem Konsens zu kommen.

Uta Stolz

Den praktischen Teil der Veranstaltung leitete Mitorganisatorin Uta Stolz (Landesverband Katholischer Kindertagesstätten Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V.) ein, die darauf hinwies, wie wichtig es sei, die Eltern in den Wertedialog einzubeziehen und dass Werte im Verborgenen wirkten und immer wieder herausgeholt werden müssten. Folgende Fragen formulierte sie für die Veranstaltung:
•    Wie wird im Elternhaus und Kindergarten ein Werteklima geschaffen?
•    Wie kann man Werte erlebbar machen?
•    Wie kann man sie teilen und vermitteln?
•    Wie kann man sie mit Leben füllen, überzeugend und bereichernd machen?

Werte erlebbar machen – gefühlt, gelebt, gezeigt…

Elke Schlimbach

Die Kommunikationsspezialistin, Trainerin für Kommunikation, Kooperation und Erlebniskommunikation Elke Schlimbach war von den Veranstaltern eingeladen worden, um den Teilnehmer*innen eine praxistaugliche Methode nahezubringen, um in ihren Einrichtungen einen Wertedialog führen zu können.
Schlimbach betonte die Wichtigkeit des Begriffs „Erlebnis“ im Hinblick auf die Gestaltung von nachhaltigen Kommunikationsprozessen. Ein Erlebnis habe einen pädagogischen Hintergrund. Was Menschen erleben, hinterlasse nachhaltige Spuren. Herz und Bauch würden Erlebnisse spürbar machen. Ein Erlebnis habe immer etwas mit Unbekanntem zu tun. Die fünf Sinne müssten angesprochen werden.
Wenn Werte erlebbar gemacht werden sollen, müssten sie ungewöhnlich und neu dargestellt werden, sodass Gefühle entstehen können und eine Anregung zum Mitdenken entsteht. Es sei einfacher darauf zu reagieren, wenn etwas nicht stimme mit den Werten.
Schlimbach stellte dann das Konzept der Kommunikationssphären vor. Auf einem Achsenkreuz befänden sich die Dimensionen Aktiviertheit und Innere Beteiligung. Nur in dem Bereich, wo sich Aktiviertheit und Innere Beteiligung treffen, könne ein Erlebnis entstehen. Als Beispiele für Aktiviertheit ohne innere Beteiligung nannte sie den Bildungsbereich. Weder innere Beteiligung noch Aktiviertheit fänden sich beim Fernsehen oder anderen Formen der „Berieselungsunterhaltung“. Hohe innere Beteiligung ohne Aktiviertheit könne in bestimmten Arten des ästhetischen Empfindens vorkommen.
Ziel sei also, sowohl die innere Beteiligung als auch die Aktiviertheit in einer Gruppe zu erreichen, damit es ein gemeinsames Erlebnis geben könne.

Was ist ein Erlebnis?                  –    Aus dem Alltag herausgelöst
Wie wird ein Erlebnis erreicht?    –    Aktivieren, Innere Beteiligung
Was bedeutet das für Werte?    –    Das Alltägliche besonders machen

Auf dieser Grundlage entwickelte sie ein Dreistufenmodell, um Werte erlebbar zu machen:
1.    Sich seiner eigenen Werte bewusst werden und definieren
2.    Leitsätze entwickeln (Wir-Aussagen, wir möchten, wir wollen …)
3.    Handlungsgrundsätze (Ich verpflichte mich, auf meiner persönlichen Ebene)
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Im weiteren Verlauf der Tagung ging es darum, sich die eigenen Werte bewusst zu machen und pädagogische Praktiken zu entwickeln, um sie erlebbar zu machen. Die weiteren Stufen der Entwicklung von Leitsätzen und Handlungsgrundsätzen sind Themen für die Teams in den einzelnen Einrichtungen und können deswegen auf so einer Tagung nicht sinnvoll diskutiert werden.

Was würde ein Kind über Sie erzählen?

Zur Bewusstmachung der eigenen Werte wurden sechs Teilnehmer*innen gebeten, vorne Platz zu nehmen und sich den anderen zu beschreiben. Um sie aus dem Alltag herauszulösen, bat Frau Schlimbach die Freiwilligen, sich aus der Sicht eines Kindes oder eines Haustiers vorzustellen:

•    Wie würde ein Kind oder ein Haustier Sie wohl beschreiben?
•    Was würde ein Kind oder ein Haustier über Sie erzählen?

Danach hatten die sechs Teilnehmenden die Aufgabe, auf Karten aufzuschreiben, welche Werte und Wertehaltungen aus den Vorstellungen der einzelnen Teilnehmenden deutlich wurden. Die große Sammlung wurde in einem mehrstufigen Diskussionsprozess auf drei zentrale Werte zusammengefasst: Verantwortungsbewusstsein, Toleranz und Gerechtigkeit
Alle Tagungsteilnehmenden wurden in drei Gruppen – eine pro Wert – aufgeteilt. Drei Tische mit unterschiedlichsten Materialen standen zu Verfügung. Nach dem Prinzip „Lernen mit allen Sinnen“ wurden jedem Tisch unterschiedliche Sinne zugeordnet. Die Idee war, der Kreativität der Teilnehmenden freien Lauf zu lassen und die Frage zu beantworten: Wie können wir Kindern und Erwachsenen den uns zugewiesenen Wert mit den uns zugewiesenen Sinnen näherbringen?
Eine Gruppe hatte die Aufgabe, „Gerechtigkeit“ akustisch und taktil erlebbar zu machen. Sie führte das Spiel „stiller Dirigent“ vor, in dem jede/r einen Rhythmus vorgab, den die anderen nachmachen sollten.

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Alle Gruppenmitglieder bekamen damit die Chance, die ganze Gruppe kurzzeitig zu führen. Aber das Spiel funktioniert nur, wenn alle die Grundbedingungen akzeptieren und mitmachen.
Die gestellte Aufgabe brachte für viele der Teilnehmenden eine neue Erkenntnis: In vielen ihrer Alltagsaktivitäten in der Kita werden Werte erlebbar gemacht; sie hatten aber noch nicht erkannt, dass sie das tun. Viele der Teilnehmenden genossen die neue Herangehensweise an eine derartige Problematik und die Gelegenheit, sich kreativ mit der Problemstellung auseinandersetzen zu können. Nicht wenige machten in Gesprächen deutlich, dass sie durchaus versuchen werden, das Gelernte in der eigenen Einrichtung umzusetzen.

Regionalkonferenz Ost II des Kita-Clusters

„Pädagogische Fachkräfte im Spannungsfeld der Wertekonflikte II“

halle1.gif Wie schon zuvor in Dresden ging es in der zweiten Regionalkonferenz Ost am 4. Juni 2008 in Halle um die Entwicklung von Strategien im Umgang mit Wertekonflikten in Sachsen-Anhalt. Das Nachbarschaftszentrum „Pusteblume“ (Träger: SPI-Ost) in Halle war Kooperationspartner und zugleich Tagungsort. Diesmal konnten folgende Referenten und Referentinnen gewonnen werden: Norbert Blauig-Schaaf von „bildung: elementar“, Pascal Begrich von Miteinander e.V., und Annett Maiwald von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Werte sind nicht lehrbar, sondern nur lernbar

blauig-schaaf„Werte können nicht durch Institutionen vermittelt werden, d.h. auch nicht durch Kirchen und Kindergärten oder Schulen, sondern durch Menschen“, zitierte Norbert Blauig-Schaaf von „bildung: elementar“ Ilse Wehrmann. Kinder erfahren Werte nicht in gesonderten pädagogischen Veranstaltungen. Sie erleben sie in vielen verschiedenen Alltagszusammenhängen und in der Interaktion mit anderen Kindern und mit erwachsenen Bezugspersonen. Werte werden oftmals unbewusst an Kinder herangetragen. Deshalb ist es wichtig, dass insbesondere Erwachsene sich ihrer Wertvorstellungen/Wertbilder bewusst sind. Für Norbert Blauig-Schaaf gibt es für wertebewusste Bildung weder eine Methode noch eine pädagogische Zauberformel, sie wächst vielmehr aus einem wertschätzenden Umgang mit den Kindern heraus. Mit einer Wertevermittlung an Kinder korrigieren zu wollen, was die gesellschaftliche Moral der Erwachsenen hervorruft, kann Blauig-Schaaf zufolge nicht funktionieren. Werte sind nicht lehrbar, sondern nur lernbar. Diese Grundhaltung ist für ihn für eine wertebewusste Bildung in allen Kindertageseinrichtungen entscheidend.

Praxisnahe Auseinandersetzung mit fremdenfeindlichen Einstellungen

begrich Pascal Begrich von Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V. stellte die vier Schwerpunkte des Vereins kurz vor: Monitoring gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Entwicklung von Handlungsstrategien, Sensibilisierung durch Fortbildungen und Beratung, und Prävention durch die Stärkung von Demokratie und Zivilgesellschaft. Der Verein hat Anfragen von Erzieher/innen erhalten, hauptsächlich aus strukturschwachen Regionen, die über den Umgang mit engagierten aber rechtsextremistischen Eltern eine Beratung suchten. Vor diesem Hintergrund ging Begrich der Frage nach, wie entsteht ein Klima von Fremdenfeindlichkeit? Dazu tragen bei: Die Abwesenheit von Zivilgesellschaft, ein autoritärer Identitätsdiskurs (DDR), hohe Zustimmungswerte zu menschenverachtenden Positionen sowie die Existenz einer rechtsextremen Jugendkultur. Bei einigen Jugendlichen herrscht eine Bedrohungskulisse in den Köpfen. Nach dem Ausländeranteil in ihrem Bundesland befragt, schätzen Schüler/innen in Sachsen-Anhalt es auf 40 bis 50 %, obwohl der tatsächliche Anteil lediglich 1,8 % beträgt. In der Jugendkultur ist zu beobachten, dass die Cliquenbildung immer früher anfängt (mit 12 – 13 Jahren). Anhand eines Szenenmodells erläuterte Begrich wie Jugendliche über Freunde vom äußeren Ring der Szenengänger/innen in den festen Kern einer rechten Clique hineinwachsen können. Die Herausforderung für die Pädagogik ist, es nicht so weit kommen zu lassen. Eine Möglichkeit wäre einen „Wettbewerb der Kulturen und Weltbildern“ zu unterstützen und damit eine demokratische vielfältige Erlebniswelt dem Rechtsextremismus entgegensetzen. Das fängt schon in frühen Jahren an, z.B. mit der Wahl des Spielzeugs und der Bilderbücher. Insbesondere sollten Demokratie und Vielfalt im Kindesalter erfahrbar gemacht werden und die Arbeit mit Eltern und Großeltern nicht vergessen werden – denn ohne sie kann Wertebildung nicht gelingen.

Ostdeutsche Erzieher/innen unter veränderten Verhältnissen

maiwaldIn der ostdeutschen Kita-Landschaft, so Annett Maiwald von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, stehen sich zwei Konzepte gegenüber. Einerseits die Konzeption eines subjektiv motivierten, vom Kind aktiv initiierten und durchgehaltenen Bildungsprozesses, der sich im notwendigen Dialog mit den Erwachsenen entfaltet. Und andererseits das Konzept der Befähigung der Kinder zur regelgeleiteten Teilhabe an der Gesellschaft der Erwachsenen durch die Erzieherin. Eine Pädagogik, die das Durchsetzen von Regeln über die subjektiven Bildungsinteressen der Kinder stellt. Nachdem Maiwald auf die sozialistische Erziehung – die Eingliederung ins Kollektiv – und auf die angewendeten Methoden bei der staatlichen Kindererziehung einging, beschrieb sie auf sehr persönliche und anschauliche Weise anhand eines Beispieles „Aufräumen des Kinderzimmers“ das Spannungsverhältnis von Autonomie und Ordnung zwischen ihr selber und ihrem Sohn: Während für die Mutter unter den Spielsachen ein heilloses Durcheinander und keine Ordnung erkennbar war, unterwies sie ihr Sohn in die Funktionsweise der „kindlich-chaotischen“ Gebäude und Vorrichtungen. Bei einer Aufräumaktion „es wird aufgeräumt, was rausgekramt wurde und nur so rumliegt“ kann das Kind nur zur Erkenntnis gelangen, dass keine Achtung und kein Interesse an seinem/ihrem Produkten, den Resultaten seiner/ihrer kindlichen Eigentätigkeit, bestehen.

teilnehmerin halle Maiwald schlägt vor, dass die Kitas sich von einer abgeforderten Ordnung bzw. von der kontrollierten, protokollierten Zeit und und von dem Einwand „nachher müssen sie es ja eh` können“ befreien. Für sie gilt es, die Heranziehung des Nachwuchses nicht nur als Vorbereitung und Einführung in die späteren erwachsenen Werte zu begreifen, sondern als Begleitung und Wertschätzung der für sich seienden Kinder. In den Kitas müssten bewusst gemachte Erfahrung und Vorbild vorherrschen und damit die Belehrung und Benennung von Werten ablösen, auf die meist die sogenannte Wertevermittlung hinausläuft.

Regionalkonfenz Ost I des Kita-Clusters

„Pädagogische Fachkräfte im Spannungsfeld der Wertekonflikte I“

wustmann2„Konflikte gehören zu unserem Alltag, aber leider gehen sie nicht von alleine weg sondern bedürfen einer aktiven Auseinandersetzung, um sie zu lösen“, so Prof. Dr. Cornelia Wustmann. Im Mittelpunkt der ersten Regionalkonferenz Ost am 29. Mai 2008 in Dresden stand der Umgang mit Wertekonflikten und mit Eltern, die die Demokratie und Menschenrechte aberkennen. Ziel der Regionalkonferenz war es daher, unter Zuhilfenahme des sächsischen Bildungsplanes Handlungsoptionen für Kinder, Eltern und pädagogische Fachkräfte zu erarbeiten. Kooperationspartner vor Ort in Dresden waren die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, die AWO und der Landeselternrat Sachsen.

Etwa 70 pädagogische Fachkräfte waren gekommen, um sich die Vorträge von Thomas Platz (Sächsische Landeszentrale für politische Bildung), Dr. Katherine Bird (Bundesforum Familie), Arnfried Schlosser (Sächsisches Staatsministerium für Soziales), Danilo Starosta (Kulturbüro Sachsen) und Prof. Dr. Cornelia Wustmann (Leuphana Universität Lüneburg) anzuhören und anschließend am Nachmittag in Workshops zu diskutieren.

Wertewandel und Wertehaltung

platz ddIn den Vorträgen von Platz und Bird wurden grundsätzliche Fragen zu Wertevorstellungen und zur Wertevermittlung besprochen. Thomas Platz beschrieb den Wertewandel der letzten hundert Jahre in Deutschland, vom Kaiserreich über die Nazizeit bis zur Bundesrepublik. Er betonte das Spannungsfeld, in dem sich pluralistische, westliche Gesellschaften befinden, in denen es keinen allgemein verbindlichen Wertekanon mehr gibt und Wertehaltungen daher wandel- und angreifbar sind. Er wies darauf hin, dass viele Elternhäuser die Meinung vertreten, Wertebildung sei nicht Auftrag öffentlicher Bildungsinstanzen. In einer Umfrage sprachen sich 2/3 aller Eltern für „wertfreien“ Unterricht in der Schule aus. Seiner Meinung nach müssen Eltern und Erzieherinnen Werte leben und aktiv vertreten, er hält es jedoch für verkehrt zu glauben, dass Kita und Schule ein Reparaturbetrieb für die Gesellschaft sein können. Sein Fazit war, dass eine multikulturelle Gesellschaft trotz einer Vielfalt der Werte Verbindlichkeit braucht und dass auch gerade die Wertebildung als Integrationsinstrument sinnvoll sein kann.

kate ddDr. Katherine Bird stellte die Arbeit des Bundesforums Familie, sowie des Kita-Clusters vor. Sie betonte die Botschaft der Auftaktveranstaltung am 22. November 2007: Man kann Werte nicht nicht vermitteln, sondern Erwachsene sind immer Vorbilder für Kinder, ob sie es wollen oder nicht. Deswegen ist eine eigene sichere Wertehaltung unverzichtbar.

 

Die Entstehung des sächsischen Bildungsplanes

schlosser ddIn seinem Vortrag über die Entstehung des sächsischen Bildungsplans stellte Arnfried Schlosser fest, dass das Ziel, unsere Kinder und Enkel zu eigenverantwortlichen, ihrer Individualität bewussten und zugleich gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu erziehen, immer noch vorrangig durch eine Generation von Pädagogen umgesetzt werde, die es in ihrem eigenen Aufwachsen, in ihrer Schul- und Studienzeit ganz anders erlebt hätten. Er beschrieb die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem aktuellen sächsischen Bildungsplan und den damaligen Vorgaben in der DDR. Er wies darauf hin, dass Begriffe wie „Wohlbefinden“ dort keinen Platz gehabt hätten. Die Aufnahme religiöser Bildungselemente in den neuen Bildungsplan habe zu Konflikten geführt. Schlosser zitierte einige Sätze, die damals kontrovers diskutiert worden seien, z. B.: „Die aus der DDR-Zeit herrührende Überzeugung, die Religion hätte in der heutigen Zeit keinen Platz mehr, hat leider einen gewissen religiösen Analphabetismus hinterlassen“. Resümierend plädierte er dafür, stärker über den Wertekonsens in der Demokratie und die Schlussfolgerungen für Erziehung und Bildung zu sprechen – und auch zu streiten.

Werte sind weder „gut“ noch „schlecht“

staroste ddDanilo Starosta benutzte ein Werteviereck, um die Entstehung von Wertekonflikten zu erklären. Für jeden Wert gebe es einen positiven Gegenwert. Beide – der Wert und sein Gegenwert – könnten in ein Extrem „entarten“, wenn sie nicht hinreichend von dem anderen im Gleichgewicht gehalten würden. Ein Beispiel sei die Toleranz. Das eine Extrem von Toleranz sei Gleichgültigkeit und ein positiver Gegenwert die Überzeugungsgewissheit. Konflikte entstünden z. B., wenn zwei unterschiedliche Überzeugungsgewissheiten aufeinandertreffen.
Als Antwort darauf stellte Starosta eine Hierarchie der Konfliktlösung nach Gerhard Schwarz vor: Flucht, Vernichtung, Unterordnung, Delegation an einen Dritten (höhere Instanz), den Kompromiss suchen. Die Parallelwelt des Rechtsextremismus suche keinen Kompromiss mit der Gesellschaft, sondern wolle sie vernichten. Wenn Eltern vermuteten oder erführen, dass ihre Kinder so denken, würden sie Rat suchen. Das Kulturbüro Sachsen sei eine solche Beratungsstelle für besorgte Eltern.
Zum Schluss berichtete Starosta über ein Beispiel für Konfliktlösung mittels Unterordnung. Eine Frau habe ihr Kind in eine Kita in der Nähe von Berlin gebracht und die Einrichtung sei froh über eine „so aktive, interessierte, motivierte, ordnen könnende, moderieren könnende, kluge Frau“ gewesen, bis sie mitbekommen habe, dass sie dem Vorstand der NPD angehörte. Die Einrichtung habe den Betreuungsvertrag gekündigt – wie es einem freien Träger freistünde –, aber sie habe einen Rechtsanspruch auf öffentliche Erziehung. Die Kollegen vom mobilen Beratungsteam in Brandenburg hätten einen neuen Kita-Platz für das Kind gefunden, und zwar in einer AWO-Kita. Dafür müssten die Eltern den Magdeburger Appell der AWO für ein demokratisches Miteinander unterschreiben, der dazu auffordert, vehement gegen die Unterwanderung zivilgesellschaftlicher Strukturen durch Personen und Gruppierungen mit rechtem Gedankengut einzutreten.

Konflikte gehören zum Alltag

zuschauer ddProf. Dr. Cornelia Wustmann betonte in ihrem Vortrag die soziale Komponente von Wertekonflikten. Sie stellte fest, dass Kinder Werte brauchen, aber auch selber Werte haben. Kinder seien keine Konsumenten, sondern aktive Aneigner/innen von Werten. Sie betonte, dass Konflikte zu unserem Alltag gehörten, aber leider gingen sie nicht von alleine weg, sondern bedürften einer aktiven Auseinandersetzung, um sie zu lösen. Zur Illustration berichtete sie über ein Beispiel, in dem verschiedene Wertehaltungen zu einem Konflikt geführt hätten.
„Wenn ein Kind in der Kita Geburtstag hat, ist es üblich, dass an diesem Tag vom Geburtstagskind eine Torte mitgebracht wird. Insbesondere sehr arme Kinder bieten dann sehr häufig sehr teure Konditortorten auf. Der Konflikt, der sich in den Einrichtungen zeigen kann, bezieht sich auf die Möglichkeiten gerade dieser Familien.“
Die Mitarbeiter/-innen der Einrichtung würden sich fragen, wie die Familie sich das leisten könne, wenn sie doch von Hartz IV lebe und das Geld viel sinnvoller ausgeben solle. Vielleicht sei jedoch der Wert der teuren Torte ein anderer für die Mitarbeiter/-innen als in der Familie. Wenn man aber etwas tiefer in die Familien hineinschaue, entdecke man, dass es eigentlich um die Kaschierung von Armutsanzeichen geht. Die Familie lege viel Wert darauf, nicht als arm zu erscheinen, selbst um den Preis, dass sie, wie Wustmann es ausdrückte, „drei oder mehr Tage, im wahrsten Sinne des Wortes, trockene Nudeln ohne Sauce essen muss.“
Daraus schließ Wustmann: „Scheinbar eindeutige Situationen gibt es selten, deswegen müssen wir als Erwachsene beleuchten, was uns stört“ und schlug Reflektionsfragen für das Erkennen von Konflikten vor:
•    Wer sind in der Situation die Beteiligten?
•    Sehen diese selbst ein Problem?
•    Betrifft die Konfliktsituation auch Personen, die nicht direkt beteiligt sind?
•    Ist dies ein Problem, dass ich lösen möchte und kann?
•    Wo haben Kinder wirkliche Entscheidungsspielräume?
•    Wo gibt es Unterschiede, Widersprüche und Gegensätze zwischen den Erziehungsstilen Kita und Elternhaus?

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Regionalkonferenz Nord des Kita-Clusters

„Mein Wert – Dein Wert: Zum Umgang mit Differenz in der Kita“

teilnehmerinnen ha.gif„Nicht alles, was man sieht, ist auch so“
Über 100 Erzieherinnen und Erzieher, viele davon noch in der Ausbildung, folgten der gemeinsamen Einladung des Bundesforums Familie, der AWO Region Hannover und der Alice-Salomon-Fachschule Hannover und nahmen an der Regionalkonferenz Nord am 6. März 2008 in Hannover teil. Die drei Vorträge am Vormittag lieferten reichlich Stoff für Diskussion und Reflektion über die eigenen Werte und das pädagogische Handeln am Nachmittag.

Wertedifferenzen und Wertehaltungen

ha_uslucan2.gifIn seinem Eröffnungsvortrag sprach PD Dr. Haci-Halil Uslucan von der Universität Potsdam über die Wahrnehmung des Anderen und die Gefahr der vorschnellen Erklärung von Problemen mit dem Begriff „Kultur“. Manche Unterschiede lassen sich an Hand anderer Merkmale erklären, wie z.B. Schichtzugehörigkeit oder Geschlecht und nicht nur Ethnie.

Uslucan stellte die Ergebnisse einer Forschungsstudie vor, in der Deutsche, in Deutschland lebende Türken und Türkinnen und in der Türkei lebende Türken und Türkinnen nach ihren wichtigsten Werten befragt wurden. Für einige überraschend, stand in allen drei Gruppen derselbe Wert an erster Stelle: „Familiäre Sicherheit“. An zweiter oder dritter Stelle standen weiterhin in allen drei Gruppen „Freiheit“ und „Freundschaft“. Diese drei Werte führten mit Abstand. Unterschiede bestanden in der Bewertung von „Spiritualität“ und „Achtung vor Tradition“ zwischen den Deutschen und den in Deutschland lebenden Türken und Türkinnen.ha_zuschauermappen.gif

Anknüpfend an die Bedeutung der Spiritualität berichtete Uslucan aus weiteren Studien über religiöse Erziehung in islamischen Familien. Einigen eingewanderten Familien hilft die Religion sich in der Aufnahmegesellschaft zu Recht zu finden. Angesichts der Unübersichtlichkeit und Komplexität der neuen Heimat bietet die Religion klare Regeln und Orientierungen. Ferner wenn das Bild eines Gottes als eine schützende, bergende und bedingungslos liebende Macht vermittelt wird, kann es das Selbstwertgefühl eines Kindes stärken. In diesem Fall kann die Religion als Ressource in der kindlichen Entwicklung betrachtet werden.

Zum Schluss warnte Uslucan vor „pädagogischen Fallen“ im Umgang mit Kindern und Eltern mit Migrationshintergrund. Dazu gehören die Tendenz zum Universalismus („Alle Türken sind gleich“), die Fixierung auf eine fremde Mentalität oder Sitten (manchmal sind es die Eheprobleme der Eltern, die einem Kind zu schaffen machen), der pauschale Verdacht auf Fundamentalismus, eine folgenlose Toleranz (Unterschiede wahrnehmen aber keinen Umgang damit entwickeln), die Infantilisierung von Eltern mit Migrationshintergrund, die Tendenz zur zivilisatorischen Missionierung und keine Infragestellung des eigenen Wahrnehmungs- oder Bewertungsmusters. Vor allem dieser letzte Punkt wurde in den Workshops am Nachmittag aufgegriffen.

Der Umgang mit Wertedifferenzen im niedersächsischen Orientierungsplan

ministerium.gif Im zweiten Vortrag berichtete Christiane Reckmann aus dem niedersächsischen Kultusministerium, Referat 31 (Tageseinrichtungen und Tagespflege für Kinder), über die Entstehung und Inhalte des Orientierungsplans für Bildung und Erziehung im Elementarbereich. An der Erarbeitung des Plans waren nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kultusministeriums beteiligt, sondern auch die Kita-Träger und Eltern. In der prozesshaften Zusammenarbeit kamen bestimmte Werte zum Vorschein, wie z.B. Wertschätzung, Akzeptanz, Beachtung und Verständigung.
Im Orientierungsplan selbst befasste sich ein Abschnitt mit ethischen und religiösen Fragen. Der Fokus liegt auf grundlegenden Erfahrungen der menschlichen Existenz, wie z.B. Geburt oder Tod, und nicht auf einer spezifischen religiösen Interpretation. In der Kita sollen Kinder positive Grunderfahrungen machen: Geborgenheit, Vertrauen und Angenommensein. Sie sollen zu ihrem eigenen Standpunkt verholfen werden in dem sie lernen, dass es gut ist, solidarisch zu sein und anderen zu helfen. Sie lernen Toleranz, die Achtung der Umwelt und der Mitmenschen vor allem durch das Vorbild der Erwachsenen und durch gelebte Demokratie in der Kindertagesst
ätha_zuschauerlachend.gifte.

Es ist Aufgabe der Erzieherinnen, den Raum für solche Themen zu schaffen und ihn entsprechend zu gestalten. Obwohl Erzählungen und Feste natürlich geeignete Anlässe für Diskussionen über ethische und religiöse Fragen sind, werden die positiven Grunderfahrungen im Kita-Alltag gemacht, ohne darüber nachzudenken. Zur Unterstützung der Erzieherinnen kann es hilfreich sein, über diese Fragen zu reflektieren: Welche Sicht auf das Kind habe ich? Bin ich Vorbild? Vermittele ich die Werte des Trägers? Sind die Eltern ein Partner? Die Konsultationskitas nehmen sich einen Schwerpunkt aus dem Orientierungsplan und entwickeln Umsetzungsvorschläge für sich und andere Kitas. Auf dieser Weise lernt die Praxis von der Praxis. Die vollständige Liste der Konsultationskitas finden Sie hier: www.kita-bildet.de
Die Kita „Villa Kunterbunt“ in Peine (Raum Braunschweig) hat den Schwerpunkt Wertebildung mit konkreten Aktivitäten zur Bildung von fünf Werten: Solidarität, Weltbürger, Gerechtigkeit, Frieden und Naturschutz.
Der Orientierungsplan wurde ursprünglich für 3- bis 6-Jährigen konzipiert. Zurzeit ist das Kultusministerium wieder im Gespräch mit den Trägern, um den Plan für 0- bis 3-Jährigen zu erweitern, im Zuge des Ausbaus der Betreuung der unter 3-Jährigen.
Hier können Sie den Niedersächsischen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich herunterladen: www.mk.niedersachsen.de

„Kinderwelten“ – Ein Projekt zur vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung

ha_birgit.gif Abgerundet wurde der Vormittag mit der Vorstellung des Projektes „Kinderwelten“ von Birgit Merkel von der AWO Region Hannover. Seit ihrer Gründung im Jahre 1919 gehören Werte wie Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität zum Leitbild der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Deswegen wird in AWO-Kitas einen besonderen Schwerpunkt auf das Erlernen von demokratischen Verhaltensweisen gelegt. Kinder erwerben und praktizieren demokratische Verhaltensweisen in gemeinsamen Aktionen:
– im gemeinsamen Spiel
– in der gemeinsamen Planung
– in der gemeinsamen Gestaltung des Zusammenlebens.

Von dieser Ausgangslage war die Beteiligung am Projekt „Kinderwelten“ nur ein kurzer Schritt. Über drei Jahre arbeiteten die AWO Region Hannover zusammen mit Institut für den Situationsansatz, internationale Akademie gGmbh an der FU Berlin im Rahmen des Projektes. Basis für das Projekt „Kinderwelten“ ist der Anti-Bias-Ansatz. Für die Kinder bedeutet dies:

•    Kinder brauchen pädagogische Fachkräfte, die sich ihres eigenen kulturellen Hintergrunds und seiner Auswirkungen auf ihre Tätigkeit bewusst sind.
•    Dazu gehört, dass sie ihre Machtposition im Erziehungsgeschehen reflektieren, Einseitigkeiten erkennen und bei Vorurteilen und Diskriminierung kompetent eingreifen.

Für die pädagogischen Fachkräfte sind vier Ziele von zentraler Bedeutung:

•    Erkennen Sie ihren eigenen kulturellen Hintergrund und seinen Einfluss auf Ihr berufliches Handeln.
•   
Lernen Sie die unterschiedlichen Familienkulturen und Vorstellungen über Erziehung und Lernen kennen.
•    Werden Sie kritisch gegenüber Diskriminierungen und Vorurteilen in Ihrer Einrichtung und allgemein im Bildungsbereich.
•    Initiieren Sie Dialoge über Diskriminierungen und Vorurteile und tragen Sie Konflikte aus.
Wie diese abstrakten Prinzipien in vielfältigen praktischen Aktivitäten umgesetzt werden können, zeigte Frau Merkel inha_birgitmagda.gif einer Ton-Dia Show. Da der Ansatz kontextbezogen ist („Situationsansatz“), gibt es keine allgemeingültigen Konzepte, sondern der Anti-Bias-Ansatz ist auf den jeweiligen Kontext zu beziehen. Er umfasst Vorurteile jeglicher Art aber thematisiert Unterschiede auf der Grundlage von Gemeinsamkeiten. Wichtig ist die breite Verankerung in der Kita: es geht alle Kinder an, bezieht die Familien(-kulturen) ein und ist integriert in Alltagsleben der KiTa (nicht touristisch). Die Einblicke in die Praxis lieferten wichtige Inspirationen für die Workshops am Nachmittag.

Die Dokumentation kann bei der AWO Bezirksverband Hannover e.V., Körtingsdorfer Weg 8, 30455 Hannover gegen ein Entgelt erworben werden.
Weitere Informationen über „Kinderwelten“ finden Sie unter www.kinderwelten.net

Workshops – Reflektion über die eigenen Werte

Am Nachmittag fanden drei parallele Workshops statt. Schwerpunkt war die Reflektion über die eigenen Werte und wie diese mit denen der Kinder, ihrer Eltern, der weiteren Teammitglieder, des Leitbildes des Trägers und der Gesellschaft insgesamt zusammenpassen. Eine wichtige Botschaft des Tages war Differenz als Chance zu sehen und zu begreifen und „Wertedifferenzen nicht nur wahrnehmen, sondern etwas daraus machen.“
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Protokolle der Workshops
•    Workshop 1
•    Workshop 2
•   
Workshop 3

Auftaktveranstaltung des Kita-Clusters

„Werte reflektieren und erlebbar machen! Wertevermittlung in frühen Jahren“ im November 2007 in Hannover

preissing.jpg„Werte können nicht vermittelt werden, sondern müssen von jedem Kind durch eigene Aktivität gebildet werden“, betonte Dr. Christa Preissing auf der Auftaktveranstaltung „Werte reflektieren und erlebbar machen! Wertevermittlung in jungen Jahren“ am 22. November 2007 in Hannover.

Die beiden einführenden Referate von Dr. Christa Preissing von der Internationalen Akademie, Institut für den Situationsansatz (ISTA) der Freien Universität Berlin und Dr. Rainer Strätz vom Sozialpädagogischen Institut Nordrhein-Westfalen dienten als Grundlage, um in den anschließenden berufsspezifischen Workshops (Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und Elternvertretung) über das eigene pädagogische Handeln zu reflektieren. Während Dr. Christa Preissing in das Thema einführte, ihr Verständnis von Bildung darlegte und hieraus die Wertebildung ableitete und ausführte, veranschaulichte Dr. Rainer Strätz anhand von Beispielen, welche Möglichkeiten Fachkräfte und Eltern zur Wertebildung in konkreten Situationen zur Verfügung stehen und wie sich unterschiedliches Verhalten bei Kindern auswirkt.

Werte müssen durch eigene Aktivität gebildet werden

straetz.jpgFür Preissing und Strätz ist Bildung ein aktiver Prozess, denn ein Kind entdecke, erforsche und gestalte seine Welt durch eigenwillige Tätigkeit mit allen Sinnen vom ersten Atemzug an. Für sie sei Bildung nicht von Wertebildung zu trennen. Werte könnten nicht vermittelt werden, betonte Preissing, sondern müssten von jedem Kind durch eigene Aktivität gebildet werden. In dieser Aktivität wollten Kinder wertgeschätzt werden und diese Wertschätzung sei die wichtigste Quelle, aus der die Kinder neue Energie für ihren weiteren Bildungsprozess zögen. Wertebildung sei ohne diese Wertschätzung nicht denkbar.
„Kinder lernen nur das, was sie wollen, nicht das was sie sollen“, zitierte Preissing den Neurophysiologen Wolf Singer, denn Kinder wollten aus sich heraus etwas wollen, können und erfahren. Der Wunsch, sich anzustrengen und etwas zu leisten, Widerstände und Schwierigkeiten zu überwinden, werde von der Erwartung auf ein Glücksempfinden gespeist. Doch Wertebildung werde in der pädagogischen Praxis oft als Erziehung zum Verzicht, zur Begrenzung verstanden, die das Glücksempfinden ausschließe. Preissing betonte, dass das eigene Wollen und der Stolz auf die eigene Leistung vom Kind her gesehen Voraussetzung und nicht Barriere für Gemeinschaftsfähigkeit seien. Wertebildung sei dann Gewinn, wenn Gemeinschaftsfähigkeit nicht Unterordnung bedeute, sondern durch eigene Leistung zu einer Entwicklung in der Gemeinschaft beitrage. Grundbedingung sei hier allerdings, dass die eigenen Voraussetzungen und Möglichkeiten eines jeden Kindes in der Gemeinschaft einer Kita Platz hätten.
Für Strätz sind Werte auch wahre Unruhestifter, denn der Wunsch nach Frieden erfülle sich nicht, wenn man immer die Wahrheit sagt. Oder es stelle sich auch die Frage, ob man in einer ungerechten Welt Pazifist sein kann. Wenn man mit Kindern über Werte spreche, die hinter Handlungen stünden, würden sie für Kinder dann besonders erlebbar, wenn es „auf der Kippe“ steht, in Situationen, in den es ihnen vielleicht schwerfällt, sich wertgemäß zu verhalten. Dann hätten Kinder ein Recht auf einen kurzen Blick, der sagte, dass wir es bemerkt haben und uns darüber freuen – ohne lange darüber zu sprechen. Preissing ergänzte, dass für die Wertebildung die Konflikthandlung in der Kindergruppe wichtig sei. Denn hier werde ausgehandelt, was zählt, was in der Gemeinschaft Wert hat. Würden diese Aushandlungsprozesse durch den mächtigen Erwachsenen gestoppt, unterbrochen oder blockiert, indem die Konfliktregelung den Kindern aus der Hand genommen und vom Erwachsenen übernommen werden, werde auch die Wertebildung blockiert.

Mit den Kindern in den Dialog treten – Werte reflektieren

podium1.jpgDas Beobachten und Dokumentieren – eine jüngst noch mal sehr in die Bildungsdiskussion in den Tageseinrichtungen für Kinder eingebrachte Frage – stellen für Preissing und Strätz vielfältige Chancen dar, denn hier biete sich die Gelegenheit, in einen intensiven Dialog mit den Kindern zu treten. Hier werde deutlich, welchen Wert die betreffenden Aktivitäten für das jeweilige Kind und welchen Wert die Erzieherin ihr beigemessen hätten. Doch hiermit seien auch Risiken verbunden, denn vielerorts herrsche die Annahme, die eigenen Bewertungen seien außen vor zu lassen. Das Gegenteil sei der Fall. Kinder hätten ein Recht auf die Bewertungen der Erwachsenen und ein Recht, sich damit auseinanderzusetzen – nicht als Vorschrift, sondern als Feedback.
Beide Referierende betonten die Wichtigkeit, authentisches Vorbild zu sein. Wertebildung zeige sich für Kinder aus unterschiedlichen Kulturen daran, wessen Sprache gehört und verstanden wird, wessen Erfahrung zählen, wessen Erleben in das Leben der Kita einbezogen werden, was ignoriert oder abgewertet wird und wer etwas wert ist. „Werte kann man nicht nicht vorleben“, so Strätz. Dies erfordere eine ständige Selbstreflektion sowie eine Reflektion im Team, mit Eltern und anderen Experten. Die Richtlinien für diese Selbstreflexion könnten folgende Prinzipien sein:
•    Unantastbarkeit/Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens
•    Recht auf Zugehörigkeit
•    Individuelle Freiheit und Integrität
•    Gleichwürdigkeit/Gleichheit aller Menschen
•    Gleichberechtigung
•    Solidarität mit Menschen in unterprivilegierten Situationen
•    Verantwortlicher Umgang mit Tieren und Pflanzen und mit natürlichen Ressourcen
Auf diese Weise könne den Kindern allmählich und ohne pädagogischen Zeigefinger bewusst werden, dass und welche Wirkungen ihre Handlungen für sie selbst und ihre Gemeinschaft haben. Dies sei nicht nur eine wesentliche lernmethodische Kompetenz, sondern fördere vor allem das Lernen in Sinn- und Bedeutungszusammenhängen und damit die Bildung von Werten in einem doppelten Sinn.

Ein Bericht über die Tagung erschien in “Kinderzeit – Zeitschrift für Pädagogik und Bildung. Das didacta Fachmagazin“, 1/2008, Seite 7 unter dem Titel „Werte bilden“.


Stellungnahmen zur Berliner Erklärung

Am 25. November 2008 stellte die Steuerungsgruppe des Bundesforums Familie ihre Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung der Öffentlichkeit vor. Mit der Berliner Erklärung drücken die Erstunterzeichnenden ihre Vorstellungen von einer wertorientierenden Erziehung und den nötigen Rahmenbedingungen dafür aus. Die Berliner Erklärung ist der erste Beitrag einer weiterführenden Diskussion in Verbänden, Politik und Öffentlichkeit, die wir auf diesen Seiten dokumentieren werden.

Die ersten Stellungnahmen wurden am 25. November vorgetragen:

•    Stellungnahme von Dr. Josef Faltermeier, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
•    Stellungnahme von Judith Huber, Humanistischer Verband Deutschlands, Bundesverband
•    Stellungnahme von Dr. Ayyub A. Köhler, Zentralrat der Muslime in Deutschland
•    Stellungnahme von Prof. Dr. Dieter Spanhel, Universität Erlangen-Nürnberg
•    Stellungnahme von Anette Stein, Bertelsmann Stiftung
•    Stellungnahme von Cord Wellhausen, Der Paritätischer Gesamtverband

foto henning moser

Erstunterzeichnende und Stellungnehmende auf der Abschlussveranstaltung am 25. November 2008, von l. nach r.: Wolfgang Hötzel; Dr. Erika Neubauer; Sarah Singer; Magda Göller; Dr. Insa Schöningh; Dr. Ayyub Axel Köhler; Cornelia Spohn; Dr. Jürgen Frank; Cord Wellhausen; Dr. Katherine Bird; Norbert Hocke; Dr. Barbara Thiessen; Dr. Josef Faltermeier; Prof. Dr. Dieter Spanhel; Judith Huber; Hannes Lachenmair.

Unterzeichnende

Nach der Vorstellung der Berliner Erklärung teilten uns weitere Mitgliedsorganisationen ihre Unterstützung mit. Die Erstunterzeichnenden sind:
•    Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
•   
Cornelia Spohn, Stellvertretende Sprecherin des Bundesforums Familie, Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V.
•   
Magda Göller, Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bundesverband
•   
Wolfgang Hötzel, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz
•   
Ute König, Bundesarbeitsgemeinschaft Ev. Familien-Bildungsstätten und Familien-Bildungswerke (BAG)
•   
Hannes Lachenmair, Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen (BAGE)
•   
Peggi Liebisch, Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV)
•    Dr. Erika Neubauer, Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO)
•   
Dr. Insa Schöningh, Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf)
•   
Wilfried Steinert, Bundeselternrat (BER)

unterzeichnen

Unterzeichnende auf dem Parlamentarischen Nachmittag am 20. April 2009, von l. nach r. Wilfried Steinert, Bundeselternrat (BER); Dr. Eberhard Jüttner, Der Paritätische Gesamtverband; Angelika Grözinger, Deutscher Hausfrauen-Bund, Berufsverband der Haushaltführenden (DHB); Helga Conzen, Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Einrichtungen der Familienbildung; Magda Göller, Verein zur Förderung der Beziehungskompetenz; Gisela Notz, pro familia; Hannes Lachenmair, Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen (BAGE); Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW); Dr. Insa Schöningh, Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf); Dr. Verena Wittke, AWO Bundesverband; Birgit Merkel, Zukunftsforum Familie; Dr. Volker Mueller, Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften; Regine Bigga, Haushalt in Bildung und Forschung (HaBiFo); Dr. Jürgen Blumenberg, Verein zur Förderung der Beziehungskompetenz; Dieter Dornbusch, Bundeselternrat (BER); Norbert Hubweber, Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen (BAG OKJE);Ines Albrecht-Engel, Gesellschaft für Geburtsvorbereitung – Familienbildung und Frauengesundheit – Bundesverband (GfG);Michael Kortländer, LegaKids; Ute Brückner, ECE – Early Childhood Education European Institute; Ruth Althoff-Epting, Evangelische Konferenz für Familien und Lebensberatung (EKFuL); Wolfgang Hötzel, Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf)

Folgende Unterzeichnende sind seit der Vorstellung der Berliner Erklärung am 25.11.2008 dazu gekommen:
•   
Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen e.V. (BAG OKJE)
•   
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke)
•   
Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften
•   
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung (DAJEB)
•   
Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie und Familientherapie (DGSF)
•   
Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ)
•   
Deutscher Hausfrauen-Bund, Berufsverband der Haushaltführenden (DHB)
•   
ECE – Early Childhood Education European Institute
•   
Evangelische Konferenz für Familien und Lebensberatung (EKFuL)
•   
Gesellschaft für Geburtsvorbereitung – Familienbildung und Frauengesundheit – Bundesverband
•   
Haushalt in Bildung und Forschung (HaBiFo)
•   
Humanistischer Verband Deutschlands, Bundesverband
•   
IG Metall
•   
Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Einrichtungen der Familienbildun
•   
LegaKids
•   
Der Paritätische Gesamtverband
•   
Paritätisches Bildungswerk Bundesverband
•   
Verband Bildung und Erziehung (VBE)
•   
Verein zur Förderung der Beziehungskompetenz
•   
Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)
•   
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)
•   
Zukunftsforum Familie

Abschlussveranstaltung: „Kinder haben Werte!“

gruppe_02„Kinder haben Werte!“ – Dieser Satz fasst das Ergebnis der zweijährigen Arbeit des Projekt „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“  am besten zusammen. Am 25. November 2008 zogen alle am Projekt Beteiligten auf der Abschlussveranstaltung ein gemeinsames Fazit der Arbeit. Einhellige Meinung, es hat sich gelohnt! Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie, Dr. Katherine Bird, die Geschäftsführerin und  ließen alle Aktivitäten der letzten zwei Jahre noch einmal Revue passieren. Schon am Anfang wurde allen Beteiligten schnell klar, dass es im Projekt nicht um die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen vom gelungenen Leben gehen kann, sondern um das Wohl aller Kinder. Das Bundesforum Familie hält dieses reflexive und auch (selbst-)kritische Verhältnis zum Wertethema – das in seiner ganzen Tragweite beleuchtet werden muss – für unabdingbar. Nicht erst die gegenwärtige Wirtschaftskrise, die der breiten Öffentlichkeit Abgründe von Gier und Verantwortungslosigkeit in Kreisen der wirtschaftlichen Elite vorführte, machte deutlich, dass das Thema Werte immer erst einmal zur Selbstreflexion zwingt. Welche Werte haben diejenigen, die Kindern Werte vermitteln wollen?

Die Grundlage der Arbeit des Bundesforums war der Dialog. Dieser Wertedialog über die eigenen Werte und die Werte der Anderen wurde in zahlreichen Veranstaltungen, Seminaren und Arbeitsgruppen, mit Fachleuten, Mitarbeiter/innen aus der pädagogischen Praxis, Politiker/innen und Bürger/innen geführt, in Form von Publikationen ausgearbeitet, dokumentiert und für die praktische Arbeit nutzbar gemacht.

Neben den zahlreichen Publikationen wurden auf der Abschlussveranstaltung auch die Ergebnisse der Studie KinderSTIMMEN ElternSTIMMEN. Vorbilder und Werte in der Erziehung des Bundesforums Familie und des Kindersenders NICK vorgestellt, die neue Einblicke in das Werteempfinden von Kindern und Eltern erlauben.

Wesentliche Ergebnisse der Fachdebatten im Bundesforum Familie wurden in Form der Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung auf der Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt.  Sie soll eine weiterführende Diskussion in Verbänden, Politik und Öffentlichkeit anregen und Anstöße für praktische Initiativen in Einrichtungen der Elementarpädagogik sowie der Familienbildung und -beratung geben. Viele Mitgliedsorganisationen nutzten die Gelegenheit, um vor Ort zur Berliner Erklärung Stellung zu nehmen.

gewinnerEin besonderer Höhepunkt war die erstmalige Verleihung des Medienpreises 2008 des Bundesforums Familie für journalistischen Nachwuchs. Die zwei mit 1500 Euro dotierten Förderpreise gingen an Jan Piegsa (32) für den Beitrag „Jugendhilfe am Limit“, der von den Folgen der Einsparungen bei Berliner Jugendämtern berichtet und an Christoph Grabitz (25) und Simon Schneller (28) für ihre Reportage „Oh, schöner Schmerz“, eine Geschichte über Borderline-Kranke und ihr Leben im Internet.  Der mit 5.000 Euro dotierte erste Preis ging an Karin Prummer (25) und Dominik Stawski (24) für ihre Reportage „Mädchen sind willkommen (Jungs nicht)“, in der sie die Geschichte der zehnjährigen Nina erzählen, die ihr ganzes Leben dafür kämpft, ein Mädchen sein zu dürfen. Als Teil der Preisverleihung las der Schauspieler Patrick Bach aus den Reportagen vor.

Die MitarbeiterInnen der Geschäftsstelle und die Steuerungsgruppe des Bundesforums Familie möchten sich hier noch einmal ganz herzlich für die engagierte Mitarbeit aller Beteiligter bedanken.

Fachforum beim Kinder- und Jugendhilfetag 2008

„Zwischen Zeitgeist und Hilflosigkeit: Wertorientierte Erziehung in der Kinder- und Jugendhilfe“ in Kooperation mit der AGJ

Auf dem 13.  Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag in Essen luden das Bundesforum Familie und die logo djht.gifArbeitsgemeinschaft für Kinder und Jugendhilfe (AGJ) am 20. Juni 2008 gemeinsam zum Fachforum „Zwischen Zeitgeist und Hilflosigkeit: Wertorientierte Erziehung in der Kinder- und Jugendhilfe“ ein. Impulse für die Diskussion gaben Prof. Dr. Sabine Andresen, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Bielefeld und Ulrike Thiel, Leiterin des Kinder- und Jugendhilfeverbundes Berlin-Süd der EJF Lazarus gAG.

Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie, führte hocke_essen.jpgin das Thema ein. Im Spiegel der öffentlich-medialen Wahrnehmung seien die Lebenslagen Kindheit und Jugend in steigendem Maße mit negativen Attributen verknüpft: übermäßiger Medienkonsum, mangelhaftes Gesundheitsbewusstsein, fehlendes Bildungsinteresse, Verantwortungslosigkeit, fehlender Gemeinsinn, von Gewaltanwendung geprägte Interaktionsmuster, defizitäre Regelaffinität u. v. m. Geradezu reflexartig ertöne hier der Ruf an die Erziehungs- und Bildungsinstanzen, die Vermittlung traditioneller Werte und Tugenden verstärkt in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zu stellen.

Die nachwachsende Generation sieht sich mit deutlich komplexer werdenden Lebens-, Lern- und Arbeitsweltbedingungen konfrontiert. Starthilfe in ein selbstbestimmtes Leben zählt zu den grundlegenden gesellschaftlichen Pflichten. Erschöpft sich eine Neuformulierung dieser Bringschuld aber in einem schlichten „Lob der Disziplin“? Immunisiert möglichst früh einsetzende Wertevermittlung gegen die vielfältigen Verlockungen einer sich stetig pluralisierenden Wertelandschaft? Wo liegen die Ursachen für die aktuell geführte Debatte über wertorientierte Erziehung? Welche Konsequenzen hat das für die Praxis?

Ulrike Thiel sprach sich gegen einfache und schnelle Lösungen aus. Sie wies darauf hin, dass Werte durch Menschen vermittelt würden. Beziehungen bildeten die Grundlage, auf der Werte und Haltungen weitergegeben würden. Eine erfolgreiche Vorbildfunktion sei von wertschätzender Haltung geprägt. Frau Thiel unterstrich die Bedeutung der Reziprozität in der Erziehung: „Wenn wir wollen, dass die uns anvertrauten Menschen andere Menschen respektieren und achten, müssen wir ihnen ebenfalls mit Respekt und Achtung begegnen.“
andresen essen.jpg Auch Prof. Dr. Sabine Andresen wies den verkürzten Rückgriff auf ein nie da gewesenes „Goldenes Zeitalter“ zurück und erinnerte daran, dass der Wertediskurs auch ein Machtdiskurs sei. Es gehe um ein nicht einzulösendes, aber dennoch ersehntes „Versprechen nach Eindeutigkeit.“ Ferner nahm sie direkt zu Berhard Buebs Buch „Lob der Disziplin“ Stellung: „Bernhard Bueb sagt auch: Es müsse um die unhinterfragte Anerkennung von Autorität gehen, und damit habe ich ein Problem. Weil die unhinterfragte Anerkennung von Autorität kein einziges Erziehungsproblem tatsächlich löst. Er gibt keine Antwort auf konkrete Erziehungsfragen.“ Diese Position fand viel Zuspruch unter den zahlreichen Zuhörenden.

Auf dem Weltkindertagsfest 2007: Helden gesucht!

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Kinder lernen an Vorbildern –  von dem, was ihnen vorgelebt wird und dem, was ihnen widerfährt. Deshalb ging das Bundesforum Familie anlässlich des Weltkindertagsfest am 16. September 2007 auf die Strasse, um mit Kindern und Eltern über Vorbilder zu reden. Über 200 Kinder malten am bunt dekorierten Stand des Bundesforums Familie auf leeren Postkarten ihre Heldinnen und Helden.

malendes_maedchen.jpgSo einzigartig die Kinder selber sind, so bunt und vielseitig waren ihre Zeichnungen: Neben Mama, Papa, Großeltern und Geschwistern malten sie auch Personen des öffentlichen Lebens wie z.B. Martin Luther King, Polizistin, Lehrer, Engel oder Angela Merkel. Damit zeigt sich, wie genau Kinder ihre immer größer werdende Umwelt beobachten und sich an dem Vorgelebten orientieren.

malen_neu.jpgWährend die Kleinen zeichneten, wurden die Erwachsenen gebeten zu überlegen, was ihre Kinder von ihnen lernen. Nach der ersten Sprachlosigkeit, die meist mit solch einer Frage einhergeht, fingen die Eltern und Großeltern an, sich Gedanken über ihr Erziehungsverhalten zu machen. Das Zögern verwundert nicht, denn im Alltagsleben mit Kindern herrschen Routine und Gewohnheit. Das schafft natürlich die für Kinder nötige Stabilität, lässt aber wenig Platz für eine bewusste Reflexion des eigenen Handelns.portrait_junge.jpg

Für die Eltern stand Liebe als wichtigste Erziehungsgrundlage an erster Stelle. Danach kamen die klassischen Werte wie Respekt, Toleranz und Gerechtigkeit sowie Freundschaft, Aufrichtigkeit und Mut.
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Die Aktion zeigte, wie mit relativ wenig Aufwand sowohl das Nachdenken über die eigenen Erziehungsziele sowie ernsthafte Gespräche zwischen Kindern und Erwachsenen über das, was den Kindern wichtig ist, angestoßen werden können.

Impulsveranstaltung „Kinder brauchen Werte“

Ein breiter gesellschaftlicher Dialog wird ins Leben gerufen

Am 5. Juni 2007 fand die Impulsveranstaltung des Bundesforums Familie und des Bundesfamilienministeriums für die gemeinsame Initiative „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative Verantwortung Erziehung“ im Abgeordnetenhaus von Berlin statt. Auf dieser Veranstaltung, auf dem es neben dem Eröffnungsreferat von Ministerin von der Leyen Vorträge von André Habisch und Paul Nolte sowie eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion gab, wurden Impulse aus der Politik und Wissenschaft gesammelt, um als erste Basis für einen breiten Dialog zum Thema „Kinder brauchen Werte“ zu dienen. Dass über 200 Vertreterinnen und Vertreter der verschiedensten Einrichtungen, Verbände und Gruppen, die sich mit dem Thema Erziehung beschäftigen, die Einladung zu dieser Veranstaltung annahmen, zeigt, wie wichtig das Thema in der Fachöffentlichkeit und nicht nur dort genommen wird.

Eine elektrisierende öffentliche Debatte

von der leyen.jpgNach der Einführung und Begrüßung durch Herrn Norbert Hocke, bemerkte Bundesfamilienministerin von der Leyen ihrer Auftaktrede, wie sehr sie die elektrisierende öffentliche Debatte um die Kinderbetreuung fasziniere. Sie stellte fest, dass die Politik mittlerweile den äußeren Rahmen für Kinderbetreuung, wie Investitions- und Betriebskosten schaffe, den inneren Rahmen jedoch, nämlich das, was gelingende Erziehung ausmache, gelte es gemeinsam zu erarbeiten, wobei Politik die Diskussion über Werte führe, diese jedoch nicht schaffen könne.
Nach Auffassung der Bundesministerin gibt es drei grundlegende Voraussetzungen für gelingende Erziehung:
•    Kinder brauchen mindestens eine Person verlässlich und dauerhaft, die sie um ihrer selbst willen lieben
•    Kinder brauchen andere Kinder
•    Kinder brauchen verlässliche Werte und Bindungen
In einer sich verändernden Umwelt, in der Eltern immer mehr auf sich allein gestellt sind und Kinder oft ohne Geschwister, enge Nachbarschaft und Verwandte aufwachsen, müssten verstärkt wertebezogene Angebote in der Bildungs- und Familienberatung geschaffen und wertevermittelnde Erziehungsangebote gemacht werden.

Werte – Heilige Offenbarungen oder geronnene Lebensweisheiten?

Zur fachlichen Einführung hielten Prof. Dr. André Habisch und Prof. Dr. Paul Nolte Vorträge.Prof. Dr. Paul Nolte Bei den Vorträgen kamen die grundsätzlichen Konfliktlinien im Wertedialog zutage. Wo Habisch in seiner Präsentation von Werten als geronnener Lebenserfahrung sprach, stattete Nolte sie in seinem Vortrag mit dem Adjektiv „heilig“ aus, als etwas immer in der Sphäre des Religiösen Angesiedeltes und stellte sich damit, ohne es explizit auszusprechen, an die Seite derer, die Werte als etwas Gottgegebenes ansehen.Prof. Dr. André Habisch

Während Habisch speziell auf das Problem der Werte in einer globalisierten Welt einging und die damit verbundenen Verwerfungen für das Individuum als einen der Gründe für den empfundenen Wertverfall im Westen ausmachte, proklamierte Nolte, dass Werte nur in der modernen Gesellschaft Entfaltung finden könnten, da Werte einen entgrenzten Lebensraum voraussetzten und eine Brücke zwischen dem im Laufe der Modernisierung entstandenen Individuum und seiner Gesellschaft bildeten. Im wirtschaftlichen Bereich möchte Habisch Werte als Innovationspotential verstanden wissen, das im Rahmen der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen, wie sie unter dem Begriff „Corporate Citizenship“ definiert ist, nicht nur aus altruistischen Motiven gefördert wird, sondern langfristig die Unternehmensgewinne steigert.

Christliches Abendland oder säkulare Neue Welt – Welche Werte wollen wir?

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen teil:
•    Oberkirchenrat Dr. Jürgen Frank, Leiter der Abteilung „Bildung“ im Kirchenamt der EKD
•    Dr. Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland
•    Prof. Dr. Helga Krüger, Professorin für Soziologie an der Universität Bremen und stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission zur Erstellung des 7. Familienberichts
•    Dr. Hermann Kues, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
•    Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken
Moderiert wurde die Diskussion von der Journalistin Petra Diroll.

PodiumsdiskussionAuch in der Podiumsdiskussion traten die unterschiedlichen Auffassungen über den Ursprung und die Entwicklung von Werten und auch über die Bedeutung und den Ursprung von Wertedebatten zutage. Die Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche, Hans Joachim Meyer und Jürgen Frank, sowie der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime und derzeitiger Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, Ayyub Axel Köhler, hoben die Bedeutung des Religiösen und des außerhalb des Alltäglichen Stehenden in der Wertedebatte hervor.
Für Meyer müssten Werte eine feste Wurzel haben, die für ihn Gott sei. Werte könnten für ihn nicht beliebig sein und keine Sammlung dessen, was gerade praktisch erscheine. Frank wies auf den besonderen Charakter von Erfahrungen im Zusammenhang mit Werten hin, der seiner Meinung nach diese von alltäglichen Erfahrungen unterscheide; als Beispiel nannte er Lieben und Geliebtwerden. Köhler betonte, dass der Staat keine Werte setzen dürfe, sondern dass dies den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vorbehalten sei, die das Wertepotential der Gesellschaft bildeten, mit der sich alle auseinandersetzen müssten. Für die Muslime seien Werte keine geronnenen Erfahrungen. Für ihn sei der wichtigste Wert die Menschenwürde, die in ihrer ultimativen Ausformung im Koran von Gott offenbart worden sei.
Eine völlig gegensätzliche Meinung vertrat die stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission des 7. Familienberichtes, Helga Krüger, die auf die Zusammenhänge von Wertedebatten und gesellschaftlichen Umwälzungen und Verwerfungen hinwies, ausgedrückt in den sich rasant verändernden Lebensumständen von Familien. Ihrer Auffassung nach fänden derartige Wertedebatten immer dann statt, wenn Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbstverständlich seien. Sie betonte, dass wir uns in einer familialen Umbruchsituation erster Ordnung befänden. In der Industriegesellschaft habe es noch die tayloristische Ordnung gegeben, in der der Vater verdient und auch gesagt hat, wo es langgeht. Heute spreche man von Aushandlungsfamilien, d. h. Familien, in denen Kinder mit ihren Eltern aushandelten, was geschieht. Sie wies darauf hin, dass unsere europäischen Nachbarn diese Diskussion über den Umgang mit sich verändernden familiären Lebensbedingungen schon seit 20 Jahren führen würden und daher wesentlich weiter seien.
Parlamentarischer Staatssekretär Hermann Kues stellte fest, dass die Basis jeglicher Wertediskussion das Grundgesetz sei, das mit seinem verbindlichen Wertekanon zeige, dass die Politik durchaus bei der Ausgestaltung von Werten einen Platz habe und dies nicht allein religiösen und weltanschaulichen Gruppen überlassen werden könne. Er betonte, dass der Wertekanon des Grundgesetzes die Basis darstelle, auf der sich alle treffen könnten, eine Basis, die auch nur begrenzt verhandelbar sei. Er stellte fest, dass Wertediskussionen der Beliebigkeit und Gleichgültigkeit entgegenwirkten. Er sieht es als besondere Aufgabe der Politik, die Werte des Grundgesetzes immer wieder zu übersetzen und zu vermitteln, denn Menschen müssten immer wieder aufs Neue für diese Werte gewonnen werden. Er bemerkte außerdem, dass jedem Kind vermittelt werden müsse, dass es wertvoll ist, so wie es ist, mit all seinen Talenten, Schwächen und Besonderheiten.Podiumsdiskussion Auf die Problematik der Erziehung von muslimischen Mädchen angesprochen, betonte Köhler die Wichtigkeit des permanenten Dialogs in diesen schwierigen interkulturellen Fragen, die mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Elternhaus stehe oder falle. Die Diskussion gipfelte in der Frage, wie man die eigenen Werte bewahren und trotzdem auf Mitbürger/innen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen zugehen könne. Meyer und Frank gaben dabei zu bedenken, dass die jüdisch-christlichen Grundlagen der Werte in Deutschland nicht zu verleugnen seien und jeder derartige Versuch nicht nur unredlich, sondern auch von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. Helga Krüger hielt dagegen das Beispiel Kanadas, ein Land, das bewusst jegliche religiöse Symbolik in seinen öffentlichen Einrichtungen ablehne und sich strikte religiöse Unparteilichkeit als Staatsprinzip auferlege. Köhler bezeichnete Kindergärten und Schulen als Orte, wo Toleranz eingeübt werde; seiner Auffassung nach müssten Kinder frühzeitig lernen, mit anderen Kulturen und Wertvorstellungen umzugehen.
Von Meyer wurde der Begriff der „ethischen Allianzen“ in die Diskussion eingebracht, der es ermögliche, sich über religiöse und weltanschauliche Grenzen hinweg auf Grundwerte zu einigen, die allen Beteiligten wichtig sind. Meyer gab auch zu bedenken, dass Werte immer in ihrem spezifischen Kontext gesehen werden müssten, da man nicht vergessen sollte, dass mit isoliert gesehenen Werten außerhalb eines moralischen Kontextes, wie z. B. Disziplin und Ordnung, auch ein Konzentrationslager betrieben werden könne.

Kinder brauchen Werte: Die religiöse Sicht

Die konfessionell gebundenen freien Träger waren im Kita-Cluster und im Cluster Familienbildung vertreten, konzentrierten sich dort jedoch auf das Erlebbarmachen von Werten an sich und weniger auf individuelle Werte und die Ableitung ihrer Geltung durch die Religion. Da Vertreter und Vertreterinnen der Weltreligionen und nicht-religiösen Weltanschauungen aktiv an der Wertedebatte teilnehmen, sollten ihre Ansichten auch in der Frage der wertorientierenden Erziehung Gehör finden. Dies geschah im Jahr 2008 im Rahmen von zwei Veranstaltungen.

Symposium „Umgang mit Differenzen: Wertebildung konkret“, 5. Mai 2008, Berlin
Das Bundesforum Familie regte einen Gedankenaustausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik an und stellte im Symposium zwei pädagogische Ansätze des interkulturellen und interreligiösen Lernens vor. Über 80 pädagogische Fachkräfte und Vertreter/innen aus Politik und Verbänden ließen sich für ihre eigene Arbeit inspirieren und diskutierten mit den Referentinnen und Referenten.

Fachtagung „Religiöse Werteerziehung in Kindertagesstätten? Kinderwünsche – Elternerwartungen – Trägerinteressen“, 29. Oktober 2008, Berlin
Zur Konzipierung der zweiten religiös geprägten Veranstaltung wurde eine Planungsgruppe eingerichtet. Sie hatte die Aufgabe, eine Fachtagung zu entwickeln, auf der Einrichtungen mit unterschiedlichem religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund ihren Umgang mit Fragen der Religiosität und Transzendenz präsentieren können. Die zunehmende soziale Mischung in den Kitas, die für eine mobile, individualisierte Gesellschaft prägend ist, bedeutet für die Träger, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass die Mehrheit der Kita-Kinder und ihre Eltern der Religionsgemeinschaft des Trägers angehören oder dessen nicht-religiöse Weltanschauung teilen. Auf der Fachtagung wurde auch in theoretischen Beiträgen die Leitfrage diskutiert: Welche Folgen für die religiöse und weltanschauliche Bildung und Erziehung in der Kita haben solche gesellschaftlichen Entwicklungen für die Träger, die Eltern und Familien und, vor allem, die Kinder?

Mitglieder der Planungsgruppe

•    Vera Caro, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden
•    Dr. Jürgen Frank, Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
•   
Frank Jansen, Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder – Bundesverband
•   
Dr. Axel Ayyub Köhler, Zentralrat der Muslime in Deutschland
•   
Cornelia Spohn, Verband binationaler Familien und Partnerschaften – iaf
•   
Marie Wätke, Humanistischer Verband Deutschlands

Fachtagung „Religiöse Werteerziehung in Kindertagesstätten? Kinderwünsche – Elternerwartungen – Trägerinteressen“

Fachtagung am 29. Oktober 2008 im Abgeordnetenhaus Berlin

maedchen religion2Zur Konzipierung der zweiten religiös geprägten Veranstaltung wurde eine Planungsgruppe eingerichtet. Sie hatte die Aufgabe, eine Fachtagung zu entwickeln, auf der Einrichtungen mit unterschiedlichem religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund ihren Umgang mit Fragen der Religiosität und Transzendenz präsentieren können. Die zunehmende soziale Mischung in den Kitas, die für eine mobile, individualisierte Gesellschaft prägend ist, bedeutet für die Träger, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass die Mehrheit der Kita-Kinder und ihre Eltern der Religionsgemeinschaft des Trägers angehören oder dessen nicht-religiöse Weltanschauung teilen. Auf der Fachtagung wurde auch in theoretischen Beiträgen die Leitfrage diskutiert: Welche Folgen für die religiöse und weltanschauliche Bildung und Erziehung in der Kita haben solche gesellschaftlichen Entwicklungen für die Träger, die Eltern und Familien und, vor allem, die Kinder?
Foto: Gundula Stöcker, KITA-Zweckverband im Bistum Essen / Archiv KTK-Bundesverband

Die Entwicklung der moralischen, religiösen und kulturellen Identität des Kindes

bertram.jpgProf. Dr. Birgit Bertram von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin referierte über die kindliche Identitätsentwicklung und die dafür förderlichen Rahmenbedingungen. Nach Piaget charakterisierte sie den Prozess des Aufwachsens als einen von Fremdbestimmtheit zu Autonomie. Kleine Kinder übernähmen die Regeln der Erwachsene zunächst unhinterfragt. Mit der Entwicklung ihrer kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sowie der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel fingen sie an, die ihnen vorgegebenen Regeln zu hinterfragen. Um sich zu autonomen Individuen zu entwickeln, brauchten Kinder während dieses Prozesses vor allem verlässliche (und liebende) Erwachsene, aber auch die Möglichkeit der kognitiven Differenziertheit durch Erfahrungen in Kontexten außerhalb des engen Familienkreises sowie Gleichheit im Sinne eines ausgeglichenen Machtverhältnisses zwischen Erwachsenen und Kindern.

Der Kitabesuch trage zu allen diesen Voraussetzungen bei. Heutzutage jedoch sei z. B. aufgrund der Ergebnisse der PISA-Studien eine Entwicklung im Gange, die – laut Bertram – die Elementarpädagogik auf die Förderung der kognitiven Fähigkeiten reduziere. Diese Reduktion sei „fragwürdig bis falsch“, weil neben dem Kopf auch die Seele und der Körper für eine ganzheitliche Entwicklung des Menschen wichtig seien. Vor diesem Hintergrund plädierte Bertram überzeugend für mehr Freiräume für Kinder, in denen sie ohne Eingreifen ihre eigenen Regeln aushandeln, ohne Aufsicht sich selbst organisieren und ohne Vorgaben frei spielen könnten.

Die Erwartungen von Eltern an die religiöse Werteerziehung in der Kita

uslucan_religion.jpgProf. Dr. Haci-Halil Uslucan von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg berichtete in seiner Präsentation aus seiner Forschung über Werte und Erziehung in islamischen Familien in Deutschland. Einleitend stellte er den Wandel der gängigen Erziehungsziele in Deutschland vor. In den 1950er- bis 1970er-Jahren seien die dominanten erzieherischen Werte z. B. Gehorsam, Ehrlichkeit, Ordnung, Hilfsbereitschaft, Reinlichkeit, gute Manieren zu haben, Eltern nicht zu widersprechen, gewesen. Danach seien zunehmend Selbstständigkeit und mit ihr Selbstbewusstsein und Selbstverantwortlichkeit betont worden. Vor diesem Hintergrund sehe ein relativ häufiges Erziehungsziel in islamischen Familien – den Eltern nicht zu widersprechen – nicht mehr so fremd aus.

Obwohl Forschung über die langfristige Auswirkung unterschiedlicher Erziehungsstile (autoritativ, autoritär, nachgiebig, vernachlässigend) die Überlegenheit des autoritativen Stils im Sinne von höherer kognitiver Kompetenz, der höchsten Form der Selbstwirksamkeit und des niedrigsten Problemverhaltens belegten, sei dieser Erziehungsstil nicht wirksam, wenn andere erzieherische Ziele relevanter seien als beispielsweise Selbstständigkeit. Deswegen sei der Erziehungsstil nicht einfach übertragbar, ohne dass eine vorherige Veränderung der Erziehungsziele und Werte stattfinde. Als Teil der Erklärung für die unterschiedlichen Erziehungsstile erwähnte  Uslucan den Bildungsgrad. Bis 1998 habe die Schulpflicht in der Türkei nur fünf Jahre betragen. Vor diesem Hintergrund sei der Besuch der Hauptschule für viele türkischstämmige Familien ein Bildungsaufstieg.

Uslucan berichtete weiter aus anderen Studien, die einerseits eine höhere Bedeutung von religiöser Pflichterfüllung als Erziehungsziel bei türkischen Eltern als bei deutschen Eltern, andererseits deutliche Unterschiede in der Bedeutung von Religion im Alltag von türkischen Muslime in Deutschland zeigten. Für ein Drittel dieser Gruppe spiele Religion keine Rolle, für einen großen Teil der Befragten sei Religion ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens, aber ohne Hauptbezug zu sein. Für etwa knapp 10 % sei Religion äußerst stark, auch ein starkes Abgrenzungskriterium. Es sei seit langem bekannt, dass Angst das Lernen eher hindere als fördere. Mit religiöser Erziehung sei es genauso. Ein zorniges, strafendes Gottesbild könne die kindliche Entwicklung negativ beeinflussen. Aber ein schützender, bedingungslos liebender Gott könne in einem von Diskriminierung geprägten Migrationskontext eine Stütze und zugleich Ressource sein.

Die Verantwortung der Träger für religiöse Werteerziehung

spenn.jpgIn seinem Vortrag erläuterte Matthias Spenn vom Comenius-Institut, Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft in Münster, warum Religion für Kinder und in der Kita wichtig sei. Dabei ging er auf einige Aspekte der Religion ein, die er zu einer Landkarte zusammenstellte: Religion biete ein Deutungs- und Bewältigungsmuster für Transzendenzfragen, Religion sei ein Modus der Weltbegegnung, die Kita ein Ort der interkulturellen und interreligiösen Begegnung unter Gleichaltrigen und Religion spiele auch entweder ausdrücklich oder implizit in der pädagogischen Arbeit der Kindertageseinrichtung immer eine Rolle, z. B. im Jahreskreis – oder durch Mythen, Symbole, Rituale, wobei Weihnachten für die Christen eines der bedeutendsten Beispiele sei.

Spenn vertrat die These, dass „religiöse Werteerziehung eigentlich eine Dimension allgemeiner Bildung ist und nicht vordringlich irgendeine Vermittlung von bestimmten Werten“. Das bedeute, dass Religion nicht für die Vermittlung vorbestimmter Wertvorstellungen instrumentalisiert werden darf, sondern eine Kita müsse angesichts der gegebenen Heterogenität und Pluralität die Fähigkeit haben, mit der Vielfalt und der Individualität der Kinder umzugehen. Konkret hieße das, Kinder dazu zu befähigen, selbst ihre Werte zu finden und ihnen nicht Werte in irgendeiner Weise aufzudrängen.
Die Träger müssten mit konfligierenden Zielen umgehen. Einerseits seien sie zur weltanschaulichen Neutralität, andererseits zu einer pädagogischen Qualität verpflichtet. Vor diesem Hintergrund fragte Spenn: „Was ist eigentlich das Alleinstellungsmerkmal, das Eltern veranlassen könnte, genau da das Kind hinzubringen?“ Religion könne durchaus eine wichtige Rolle in der Prägung der Einrichtung spielen, aber wie weit könne das gehen? Um diese Herausforderung zu meistern, seien folgende Faktoren entscheidend:
• Qualifizierung der Mitarbeitenden in religiösen Fragen und zum interreligiösen Dialog
• Entwicklung einer pädagogischen Kultur in der Einrichtung unter Einbeziehung religiöser Dimensionen
• Ermöglichung unterschiedlicher Modi der Weltbegegnung und nicht nur eines Modus
• Vernetzung und Kooperation mit anderen Bildungsakteuren und Unterstützungssystemen, besonders den Religionsgemeinschaften

Das Welt Café

Im zweiten Teil der Fachtagung hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, sechs Stände zu besuchen, die Kitas aus unterschiedlicher Trägerschaft aufgebaut hatten. Dort diskutierten sie mit den Mitarbeiterinnen über ihre Konzepte für religiöse Werteerziehung und tauschten Erfahrungen aus. Im Anschluss resümierten die Mitarbeiterinnen die Hauptthemen der Gespräche.

Katholisches Kinderhaus „Carlo Steeb“, Tübingen
Selbstbeschreibungkatholisch.jpg: Die Arbeit orientiert sich in erster Linie an den christlichen Grundwerten und an dem Auftrag des Ordensgründers Carlo Steeb. Für ihn war es das vordergründige Ziel, sich für die Schwächsten der Gesellschaft einzusetzen, zu denen auch oder besonders die Kinder gehören.
Um diesem Anspruch in der täglichen Arbeit gerecht zu werden, werden keine Unterschiede zwischen Herkunft, Kultur, Religion, unterschiedlichen Lebens-, Familien- und Erziehungssituationen gemacht. Das Kinderhaus arbeitet mit dem Konzept des Situationsansatzes, das bedeutet, die Lebenssituation der Kinder und ihrer Familien zur Grundlage der pädagogischen Arbeit zu machen. Die Erzieherinnen führen eine Situationsanalyse durch, d. h. sie erkunden die Lebenswelt ihrer Kinder, legen Lernziele fest und stimmen ihre pädagogischen Angebote darauf ab.
Resümee: Die Mitarbeiterinnen waren vom großen Interesse der Teilnehmenden besonders beeindruckt. Am häufigsten gefragt wurde nach dem Umgang mit verschiedenen Religionen, ob die Schwestern mit im Haus leben und nach der Geschichte von Carlo Steeb. Ihnen sind die unterschiedlichen Bedürfnisse der Betreuung je nach Bundesland (z. B. Öffnungszeiten, Land/Stadt) deutlich geworden.

Jüdische Gemeinde zu Berlin, Kindertagesstätte
judisch.jpgSelbstbeschreibung: Der jüdische Kindergarten legt Wert auf eine jüdische Erziehung, zu der die Einhaltung der jüdischen Feiertage, koscheres Essen und Hebräisch-Unterricht (ab dem 4. Lebensjahr) gehören. Als Integrationskindergarten spielt aber auch die Förderung der deutschen Sprache eine große Rolle – zwei Sprachlehrer arbeiten und spielen in kleinen Gruppen mit den Kindern und setzen Sprachlerntagebücher ein. Als Kindergarten, der das Berliner Bildungsprogramm umsetzt, bietet der Jüdische Kindergarten Projektwochen, musikalische Früherziehung, Gymnastikunterricht, den Umgang mit Computer, Digitalkamera und weiteren Medien an. Natürlich kommen auch Basteln, Malen und das Arbeiten mit Ton (für das ein eigener Brennofen zur Verfügung steht) nicht zu kurz.
Resümee: Auch die Mitarbeiterinnen der jüdischen Kita waren vom großen Interesse der Teilnehmenden beeindruckt. Andererseits haben sie gemerkt, wie wenig Vorkenntnisse viele über das Judentum hatten. Häufig gestellte Fragen betrafen den Umgang mit Kindern aus anderen Religionen, die Religionszugehörigkeit des Personals, ob sie nach dem Berliner Bildungsplan arbeiten würden und welche besondere Sicherheitsvorkehrungen die Einrichtung hätte. Die Mitarbeiterinnen haben sich über die Gelegenheit, ihre Arbeit anderen pädagogischen Fachkräften vorzustellen, sehr gefreut.

Humanistische Kitas humanist.jpg
Selbstbeschreibung
: Kitas sind Bildungsorte für Kinder, in denen sie erfahren, respektvoll miteinander umzugehen und demokratische Regeln zu erproben. Die Erzieherinnen und Erzieher regen Kinder an, kritisch und unabhängig eigene Positionen zu bilden. Benachteiligungen anderer entgegenzutreten, kulturelle Unterschiede zu achten und Konflikte ohne Gewalt auszuhandeln gehören dabei ebenso zu den Lernzielen. Humanistische Kitas fördern ein interkulturelles Zusammenleben und integrieren Kinder mit Behinderungen. Humanistische Kindertagesstätten sind Bildungs- und Wohlfühlorte, in denen Kinder und Erwachsene gemeinsam leben und lernen. Die Grundidee von humanistischer Erziehung ist das Recht und die Anerkennung einer Gleichwürdigkeit von Kindern und Erwachsenen im Zusammenleben. Sie leben u. a. wechselseitige achtungsvolle Beziehungen, nehmen die Bedürfnisse der Kinder ernst und respektieren ihre individuelle Verschiedenheit.
Resümee: Besonders beeindruckt waren die Mitarbeiterinnen der Humanistischen Kitas über die Neugier der Teilnehmenden, die sich in einem sehr offenen Austausch gezeigt hat. Am häufigsten wurde gefragt, wie sie vor dem Hintergrund einer spezifisch ausgerichteten weltanschaulichen Konzeption mit der Vielfalt der Kulturen, die Kinder in das Haus bringen, umgingen. Ferner wollten viele Teilnehmenden wissen, wie die humanistischen Kitas mit religiösen Festen umgehen, diese ausgestalten und vermitteln. Die Mitarbeiterinnen haben hilfreiche Anregungen aus den Gesprächen gesammelt und wollen über ein Konzept mit dem Fokus „Kulturelle Werte, Kulturelle Bildung“ für den Kita-Alltag nachdenken sowie den Reichtum des Dialogs zwischen unterschiedlichen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen für die Wertebildung nutzen.

Evangelische Kita Noahs Arche evang.jpgSelbstbeschreibung: Die Arbeit der evangelischen Kindertagesstätten ist diakonische Arbeit und konkrete Hilfe für Kinder und Eltern, unabhängig vom religiösen Bekenntnis und von der Nationalität der Familien. Sie sehen die Kinder als vollwertige kleine Menschen und möchten sie an das Wissen und die Werte unserer Gesellschaft heranführen, ihre Fragen aufgreifen und beantworten, ihre Phantasie beflügeln und ihnen Mut zum Leben machen. Die Lebenswirklichkeit wird unter christlichen Vorzeichen gesehen, daher werden auch die Kinder mit diesem Wertegefüge vertraut gemacht, um ihnen eine gute Lebensgrundlage zu geben.
Resümee: Die Mitarbeiterinnen wurden häufig nach den religiösen Bedürfnissen von Kindern gefragt, z. B.: Sind Kinder religiöse Wesen? Brauchen Kinder Religion? Fragen Kinder von sich aus nach Gott oder wird es ihnen aufgedrückt? Sie haben festgestellt, dass es nicht so schwierig ist, wenn Menschen etwas Unterschiedliches glauben, sondern wenn Erwachsene Angst haben, sich überhaupt darauf einzulassen: „Berührungsängste überwinden ist das Schwierigste“. Zukunftsweisend finden sie es wichtig, das Tabu, über religiöse Fragen und religiöse Hintergründe oder Zusammenhänge im Alltag zu sprechen, zu überwinden und sich zu trauen, und das quer durch alle Glaubensrichtungen und nicht nur für Theologen/Theologinnen, sondern alle, die ehrlich über ihre Erfahrungen reden wollen.

Kinderladen „Salam-Frieden“ salam.jpgSelbstbeschreibung: Die interkulturelle Erziehung gewinnt in Zeiten der Globalisierung und multikulturellen Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. In Einrichtungen, die diesem Konzept folgen, werden Kinder mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund gemeinsam betreut. Gefördert werden das gegenseitige Kennenlernen der Kulturen, der Umgang mit (kulturellen) Differenzen, die Fähigkeit zum interkulturellen Dialog und die sprachliche Entwicklung der Kinder. Ziel ist es, die kulturelle Vielfalt als Chance und als Bereicherung im Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu sehen und die Kulturen als gleichberechtigt und gleichwertig anzusehen. So soll schon im Kindesalter ein vorurteilsfreies und selbstverständliches Miteinander gelebt werden.
Resümee: Es war den Mitarbeiterinnen schnell klar, dass ähnlich wie beim Judentum die Teilnehmenden relativ wenig Vorwissen über den Islam hatten. Es wurde häufig gefragt, wie der Islam sich im Alltag äußere und ob nicht-islamische Feste auch gefeiert werden. Auch hier wurde nach der Freiwilligkeit der Kinder oder einem Zwang zur Anpassung gefragt. Wie aber bei keiner anderen Kita wurde nach der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und danach, ob sie ein Kopftuch tragen, gefragt. Die wichtigste Erkenntnis für die Mitarbeiterinnen waren die vielen Parallelen zwischen ihrer Arbeit und der in anderen konfessionellen Einrichtungen. In Zukunft wünschen sie sich, dass häufiger an den Gemeinsamkeiten angeknüpft und weniger auf die Unterschiede geblickt wird.

Gescher e.V.gescher.jpg Selbstbeschreibung: Gescher e. V. unterhält eine Kindertagesstätte, in der 37 Kinder im Alter von Geburt an bis 14 Jahre bei Bedarf ganztägig betreut werden. Die Kita arbeitet gemeinwesenorientiert anhand der gemeinsamen ethischen Werte der abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Genutzt werden die Sprachen Deutsch, Russisch und Englisch in Immersion. Ein Ziel ist es, ein erfolgreiches Curriculum zu entwickeln, welches auf der ethischen Basis der drei in Europa relevanten Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam in Verbindung mit den säkularen Werten einer modernen Demokratie, im Bewusstsein der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, in einer Realität nach dem 11. September 2001 in der Lage ist, Hilfestellung für eine erfolgreiche integrative öffentliche Erziehung und Bildung zu geben.
Resümee: Die Leiterin fand die Diskussionen notwendig und überfällig, aber nicht alle sind so offen wie die Teilnehmenden. Sie merkte, dass Minderheiten (hier Islam und Judentum) mit Misstrauen betrachtet werden (z. B. durch Fragen nach Berechtigung, Qualifikation, Kontrolle etc.). Nötig ist ein Dialog der Religionen und Weltanschauungen auf gleicher Augenhöhe. In der pädagogischen Arbeit soll sich das im Versuch niederschlagen, nicht nur das Eigene zu ergänzen, sondern aus zwei Dingen etwas Neues zu machen. Diese Diskussion will die Leiterin auch nach der Fachtagung weiterführen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das durchaus kritische Interesse an anderen Konzepten und Erfahrungen enorm war. Fast alle Teilnehmenden wollten wissen, wie andere Kitas mit Kindern umgehen, die nicht der Religion oder Weltanschauung des Trägers angehören. Offensichtlich ist dies eine wichtige Frage, auf die es momentan keine einfachen Antworten gibt. Aus diesem Grund sind weitere Forschung und Austauschveranstaltungen zu dieser Frage dringend nötig.

Reflexionsrunde

relig_pod1.jpgZum Abschluss der Fachtagung resümierte die Planungsgruppe den Planungsprozess und zog ein Fazit der Fachtagung.
Dr. Ayyub Axel Köhler unterstrich die Vielfalt der Kitas als Einrichtungen, in denen alle Weltanschauungen und Religionen vorhanden seien. Deswegen dürfe keine Religionsgemeinschaft sich mit seiner Kita abschotten und nur einen in sich geschlossenen Kreis bilden, sondern „Kitas werden mehr zivilgesellschaftliche Einrichtungen“. Angesichts der gesellschaftlichen Vielfalt seien zwei Entwicklungen wünschenswert: erstens mehr Mitarbeiter/-innen mit interkultureller Kompetenz und zweitens mehr islamische Kitas, denn, sagte Köhler, „der Islam gehört zur Vielfalt hier in unserem Lande.“

Unterstützung für die Forderung nach mehr islamischen Kitas erfuhr Köhler von Vera Caro. Für sie trügen islamische Kitas zur Verfestigung des Islams in der deutschen Gesellschaft und zum Abbau von Vorurteilen bei. Als Leiterin einer jüdischen Kita hätte sie auf der Tagung Anerkennung „von anderen Religionen und Minderheiten“ erfahren.
Zum Anfang seines Fazits berichtete Dr. Jürgen Frank über die Punkte, über die sich die Mitglieder der Planungsgruppe einig seien. Der erste Punkt sei, das Kind immer in den Mittelpunkt zu stellen und dem Kind das Recht zu gewähren, in seinen religiösen Fragen „gefördert zu werden, Nachdenkhilfen zu bekommen und eine Kultur angeboten zu bekommen.“ Darauf sei die Feststellung in der Gruppe gefolgt, dass, obwohl sie gemeinsame Werte teilten, wie das Wohl des Kindes und dessen Entwicklung, ihre Wurzeln und damit die Art und Weise, wie sie Liebe und Zuwendung zu den Kindern ausdrückten, dennoch verschieden blieben. Das sei jedoch kein Hindernis zur Zusammenarbeit gewesen, sondern „unter uns allen ist der Respekt jeweils von der Verwurzelung des anderen gewachsen.“

Dr. Werner Gatzweiler (KTK Bundesverband) unterstrich die Bedeutung der Verwurzelung und in Anlehnung an Prof. Dr. Bertrams Vortrag hob er emotionale Sicherheit als Grundbedingung für den Umgang mit Vielfalt hervor. Dazu gehöre das Gefühl, selber etwas wert zu sein. Diese Kombination der emotionalen Sicherheit und das Gefühl, etwas wert zu sein, gebe die Kraft, sich mit anderen über Unterschiede auszutauschen und dabei nicht die eigene Position zu verlieren.

Für Marie Wätke hat die Fachtagung das Wissen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften übereinander sowie den Dialog miteinander gefördert. Sich gegenseitig „ihre Türen zu öffnen“, fördere den Umgang mit Vielfalt. Als Ausgangspunkt gelte die Offenheit, die sie während der Planung und Durchführung der Fachtagung erfahren habe.

Cornelia Spohn hat am meisten die hohe Kompetenz der Kita-Mitarbeiter/-innen beeindruckt, wie sie „die Quadratur des Kreises schaffen,“ einerseits das Profil des Trägers sichtbar werden zu lassen und „gleichzeitig die Lebenswelten der Kindern, die manchmal nicht unbedingt dem Profil des Trägers entsprechen, trotzdem einzubinden, sie willkommen zu heißen und auf sie einzugehen.“relig_pod2.jpg
Das Thema Elternarbeit wurde mehrmals vom Podium und Publikum angesprochen. Auch auf anderen Veranstaltungen im Rahmen des Projektes „Kinder brauchen Werte“ wurde über die Schwierigkeiten, manche Eltern zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu motivieren, gesprochen. Frank wies auf Prof. Dr. Uslucans Vortrag hin: Es ginge nicht nur um Werte und Religion, sondern um das Lebensgefühl und den Zusammenhalt der Familie und Kultur. Deswegen müsse zuerst Vertrauen zu den Eltern aufgebaut werden, bevor über Religion gesprochen werde.
Zur Frage, wie sich Kinder Werte aneignen, schlug Frank das Motto vor: Nur wer selber brennt, kann entzünden. Demnach müssten Werte attraktiv sein und die Kinder ergreifen. Die Kitas hätten auf ihren Ständen gezeigt, wie „die überzeugten, professionellen, engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kindertagesstätten in ihrer Person die Werte verkörpern und auch deutlich machen, worin sie wurzeln.“ Köhler ergänzte, die Person solle fest in dem eigenen Glauben, in der eigenen Glaubenswelt verwurzelt sein, um damit die Kinder ein eindeutiges Vorbild sehen zu lassen.
Gatzweiler fügte hinzu, in den katholischen und evangelischen Kitas seien die Erzieherinnen „in ihrem christlichen Glauben ganz unterschiedlich beheimatet.“ Diese Tatsache sei eine Lernchance für das Team in einer Einrichtung, nicht auf vorgefertigte Antworten zurückzugreifen, sondern „sich auf den Weg zu machen.“ Gemeinsam und auch mit den Kindern über den Glauben zu diskutieren, sei authentisch und mache die Erzieherinnen glaubwürdiger.

Zum Schluss diskutierte das Podium über die Neigung zu und die Rechtfertigung von Bewertungen. Spohn stellte auf, dass der Glaube etwas sei, was man nicht bewerten könne, die Handlungen jedoch, die aus dem Glauben begründet werden, dann wohl. Ferner wies sie auf die schnellen unbewussten Bewertungen, die wir ständig machten, hin und plädierte dafür, sie sich im Dialog immer wieder bewusst zu machen. Dr. Köhler fragte, wer eigentlich berechtigt sei, auf dem Glauben basierte Handlungen zu bewerten. Wenn solche Handlungen nicht gegen Gesetze verstießen, könne man sie nicht bewerten. Er sah ein aktuelles Problem darin, dass Menschen ohne jeglichen Zugang zur Spiritualität oder Religiosität religiöse Handlungen bewerteten, wenn eigentlich nur diejenigen, die die Handlung ausführen oder Gelehrte sind, diese beurteilen könnten. Aus der Perspektive eines Muslims fügte er hinzu: „Ich muss sagen, wir leiden schon darunter, unter denen, die sich anmaßen, so etwas bewerten zu können. Wir müssen sehen, dass wir möglichst weise Erzieher/innen publicum_religion.jpgkriegen in den Kitas, die damit souverän umgehen können und dann in Verbindung mit dem Elternhaus nicht Konflikte im Kind erzeugen.“
Frau Wätke erweiterte den Blick auf das Kind. Sie denke, dass Bewertung von Handlungen permanent stattfinde. Kinder bewerteten permanent und prüften die Tragfähigkeit der Werte, welche die Erwachsenen leben. Daraus erwüchse die Verantwortung der Erwachsenen für ihre Handlungen und die Botschaften, die sie damit vermittelten. Für sie sei das Entscheidende, „dass die Bewertungen, die ich mache, meine sind und für mich gelten und ich nicht den Anspruch erheben darf, dass die Bewertung, zu der ich komme, übertragbar wäre für andere.“

Eine Zusammenfassung der Vorträge erschien in „Welt des Kindes“, Heft 1, 2009, S. 42-43.

Symposium „Umgang mit Differenzen: Wertebildung konkret“

Symposium am 5. Mai 2008 in Berlin

Das Bundesforum Familie regte einen Gedankenaustausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik an und stellte in seinem Symposium „Umgang mit Differenz: Wertebildung konkret“ zwei pädagogische Ansätze des interkulturellen und interreligiösen Lernens vor. Über 80 pädagogische Fachkräfte und Vertreter aus Politik und Verbänden ließen sich für ihre eigene Arbeit inspirieren und diskutierten mit den Referentinnen und Referenten Petra Wagner, Prof. Dr. Albert Biesinger, Prof. Dr. Friedrich Schweitzer, Dr. Christa Dommel und Rabeya Müller. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Katherine Bird (BFF).

Ein Bericht über das Symposium von Katherine Bird und Wolfgang Hübner erschien unter dem Titel „Wie gehen Kitas mit kulturellen und religiösen Differenzen um? Ein Symposium des Bundesforums Familie“, in: TPS – Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Hrsg.: Bundesvereinigung ev. Tageseinrichtungen für Kinder e. V. (BETA) und Kallmeyer bei Friedrich in Velber, 9/2008, S. 48-51.

Alle Kinder sind gleich, jedes Kind ist besonders – das Projekt „Kinderwelten“

wagner.gifIn ihrem Eröffnungsvortrag stellte Petra Wagner, Leiterin des Projektes „Kinderwelten“, ihr Projekt zur vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung vor. Ausgangspunkt war die PISA-Studie, die die starke Abhängigkeit der Bildungsverläufe von der sozialen Herkunft thematisierte und die Frage, wie das Recht auf Bildung des Kindes bei der Verschiedenheit der Lebensverhältnisse und individuellen Unterschiede eingelöst werden kann. Als Antwort hierauf entstand das Projekt „Kinderwelten“, dessen Motto „Alle Kinder sind gleich, jedes Kind ist besonders“ das Spannungsfeld zwischen dem Gleichheitsanspruch und den tatsächlichen Unterschieden der Lebensverhältnisse aufnimmt, in dem die Erzieherinnen handeln müssen. Kinder nehmen die äußeren Merkmale anderer Kinder wahr und wie diese Unterschiede von ihrer Umgebung bewertet werden. Wie kann eine Einrichtung so gestaltet werden, damit Einseitigkeiten und Diskriminierungen minimiert werden? Anhand vieler praktischer Beispiele erläuterte Petra Wagner die vier Ziele ihres Bildungs- und Praxiskonzeptes:

  1. Die Ich- und Bezugsgruppen-Identität des Kindes stärken. Hier wird der Unterschied zu anderen Konzepten deutlich, die die Begegnung mit der Differenz, mit dem Anderen, an erster Stelle setzen.
  2. Allen Kinder Erfahrungen mit Vielfalt ermöglichen.
  3. Das kritische Denken über Vorurteile und Diskriminierungen sowie die Moralentwicklung anzuregen.
  4. Aktiv werden gegen Einseitigkeiten und Vorurteile. So können Kinder ihre Handlungsfähigkeit fördern und Selbstwirksamkeitserfahrungen machen.

„Die Erfahrung mit Vielfalt ist eine große sprachliche und kognitive Herausforderung“, so Petra Wagner. „Es ist eine hohe Stimulanz fürs Lernen, Kinder sind neugierig. Und mit etwas Mut, Unterstützung und Materialien, die das anregen, werden diese Auseinandersetzungen um soziale Vielfalt sehr bildungsrelevant.“ Dadurch werden Gerechtigkeitssinn, Perspektivübernahme, Auseinandersetzung mit Rechten, Konfliktfähigkeit, Verantwortungsübernahme und Zivilcourage gefördert. „Es gibt keinen wertfreien Raum. Selbst wenn ich nichts sage, nicht interveniere, gebe ich eine klare Botschaft. Es geht darum, explizit zu machen, was die Werte sind, die wir vertreten“, betonte Petra Wagner.

„Mein Gott – Dein Gott“ – die Pilotstudie und ihre Ergebnisseschweitzer_biesinger.gif

„Kinder haben ein Recht auf Religion und religiöse Bildung“ war die zentrale Forderung der beiden Professoren Albert Biesinger und  Friedrich Schweitzer bei der Vorstellung ihrer gemeinsamen Pilotstudie „Mein Gott – Dein Gott“, aus der sich ihre Perspektive zur Werteerziehung und Wertebildung ableitete. Beide Professoren treten für ein Bildungskonzept ein, in der die religiöse und interreligiöse Bildung integraler Bestandteil in den Kindertagesstätten ist. Denn in vielen Kitas sind Kinder mit verschiedenen religiösen Hintergründen und im täglichen Miteinander entstehen Fragen zu religiösen Bräuchen und Glaubensgrundsätzen, die viele Eltern und Erzieher/innen überfordern.

zuschauer1.gifZiel der Pilotstudie war es, erste Auskünfte über den Umfang und die Gestaltung der religiösen Bildung in den Kitas zu gewinnen, um damit die Problemfelder und Lösungsstrategien zu identifizieren. Ergebnis: Religiöse Bildung findet in den Kindertagesstätten nur in Form christlicher Bildung statt und hier wiederum hauptsächlich in konfessionell gebundenen Kitas. Laut Aussage der Erzieher/innen bedeutet das konkret, dass 97% der konfessionell gebundenen Einrichtungen „sehr viel“ oder „viel“ christliche Bildung vermitteln. In 84% der nicht konfessionell gebundenen Einrichtungen hingegen werden die Kinder „kaum“ oder „wenig“ christlich begleitet. Nur in einem Punkt sieht die Situation bei den verschiedenen Kitaträgern gleich aus: lediglich zu 10% findet eine Unterstützung der Kinder im Sinne des Islams statt, obwohl fast ein Drittel der Kinder in den untersuchten Kitas muslimisch sind.

Biesinger und Schweitzer betonten, dass viele Kinder religiöse Fragen stellen, aber nicht alle Erzieher/innen darin ausgebildet sind, mit solchen Fragen umzugehen. Deswegen forderten sie als Grundprinzip eine Verständigungskompetenz, die aus dem Umgang mit Differenzen entsteht und für die Dialogfähigkeit unverzichtbar ist. „Eine Übermächtigung, auch religiöse Übermächtigung ist aber streng verboten“, stellte Albert Schweitzer klar. „Wenn sie wollen, müssen Kinder Religion und religiöse Fragen ausweichen dürfen und können.“ Eine allgemeine religiöse Bildung soll allen Kindern offen stehen und könnte dazu beitragen, Hass und Unverständnis abzubauen.

Zwei Inputs zur Förderung des mulireligiösen Zusammenseins

mueller.gifRabeya Müller (IPD Köln) ging in ihrem Input der Frage nach, wie die Werte der muslimische Kinder zustande kamen. Vermittelte die erste Generation von Migranten ihren Kindern noch islamische Werte aus ihrem Heimatland, beruhte der Wertekanon der zweiten Generation zwar auf diesen Traditionen, ohne jedoch eine solide theoretische Grundlage zu besitzen. Bei ihnen kam es zu einer Spaltung, denn die alten Werte im häuslichen Umfeld passten nicht mit denen des neuen Umfeldes zusammen. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf der dritten und vierten Generation, die jedoch in einem Spannungsfeld leben. Denn sie haben weder ausreichend gelernt, tradierte Werte auf Deutsch wiederzugeben, noch Tradition und Religion zu unterscheiden. Die Lösung sieht Frau Müller darin, eine Selbstreflektion über die Glaubensgebote bei den muslimischen Kinder und Jugendlichen anzuregen, anstatt traditionelle Interpretationen kritiklos hinzunehmen.

Im zweiten Kurzinput berichtete Dr. Christa Dommel aus einem Forschungsprojekt in dommel.gifEngland. Dort vollzieht sich in der Religionspädagogik ein Wandel von „Information“ hin zu „Interaktion“, der als Dialog im Klassenzimmer umschrieben werden kann. Angesichts der großen religiösen Vielfalt, vor allem in manchen Städten, diskutieren Kinder und Jugendliche Fragen wie Wahrheit, Wert und Sinn unter pädagogischer Anleitung. Ergänzt wird der Dialog durch Besuche in Kirchen, Moscheen oder Tempeln. Dadurch erfahren die Kinder viel mehr über andere Religionen als sie es jemals aus Büchern oder Frontalunterricht könnten. Frau Dommel empfahl, auch in Deutschland Verfahren für respektvolle Diskussionen zu entwickeln.

Soll der Bildungsauftrag der Kita erweitert werden?

Die abschließende Diskussionsrunde gab Raum für die unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Lösungsstrategien insbesondere zum Thema Religion. Denn ein Ziel des Projektes „Kinder brauchen Werte“ ist es, einen verstärkten Austausch zwischen Religionen und Kulturen anzuregen und zu fördern.

podium2.gifFür die Professoren Biesinger und Schweitzer liegt das Problem darin, dass die Erzieher/innen zu wenig über andere Religionen, aber auch über die eigene Religion wissen. Sie kritisierten, dass die Weiterbildung in Bereichen wie Naturwissenschaften oder Spracherziehung einfach hingenommen werde, weil diese vorgeschrieben sei, Religionserziehung in staatlichen Kitas jedoch keinen Platz habe. Prof. Schweitzer sprach sich aber gegen einen Religionsunterricht aus, wie er in der Schule durchgeführt wird. Er sieht die Aufgabe für die weitere Arbeit darin, die Orientierungs- und Bildungspläne für den vorschulischen Bereich, die mehrheitlich Bereiche unter der Überschrift Sinn, Werte und Religion vorsehen, für die Praxis tauglich zu machen.

Frau Wagner hingegen betrachtete Religion als einen Teil der Wertedebatte und nicht als podium wagner.gifAusgangspunkt jeglicher Wertevermittlung. Sie verwahrte sich dagegen, dass Religion das Thema Werte vollständig besetzt. Die Forderung der beiden Professoren, dass die Kitas die Aufgabe haben, die Gottesbeziehungen der Kinder zu erschließen, lehnte sie ab. Ihrer Meinung nach könnten Kitas z.B. das Thema Autoritäten mit den Kindern behandeln, wozu Eltern, Erzieher/innen und Politiker/innen gehören aber auch die Religionen. Gerade muslimische Kinder wachsen oft in autoritätshörigen Strukturen auf und könnten von der Behandlung des Themas profitieren, bemerkte hierzu Rabeya Müller. Kinder und Jugendliche reagieren sehr überrascht, wenn sie ihnen sagt, dass der Islam kritisches Denken nicht nur erlaubt, sondern sogar fördert. Deshalb kann ihrer Meinung nach ein fundierter Islamunterricht in dieser Hinsicht hilfreich sein.

„Es ist schon notwendig, dass Erzieher/innen sich in diesem Bereich fortbilden, aber wichtiger ist es, dass zum einem die Vielfalt in der Gesellschaft anerkannt wird und zum anderen Erzieher/innen und Kinder sich gemeinsam einen Zugang zu den verschiedenen Lebensformen und Religionen erarbeiten“, fasste Petra Wagner ihre Ansichten zusammen. „Es müssen Rahmenbedingungen in den Kitas geschaffen werden, die der Reflexion über die eigene Arbeit den nötigen Raum und die nötige Zeit verschaffen.“

Kinder brauchen Werte: Das Wissenschaftscluster

Relativ früh im Projekt wurde festgestellt, dass die bisherige Wertedebatte einseitig und stark vereinfacht geführt wurde. Zu schnell werden Werte auf Tugenden reduziert, Erziehung auf Erziehungsdefizite beschränkt und Jugendliche mit Migrationshintergrund als Problem und nicht als Chance begriffen. Solche Behauptungen dürfen nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben.

Aus diesem Grund wurde das Wissenschaftscluster eingerichtet. In ihm hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen die Chance, eine differenzierte Perspektive in die öffentliche Wertedebatte einzubringen und Fragen zu diskutieren wie: Was sind eigentlich „Werte“? Warum wird gerade jetzt darüber gesprochen? Gibt es tatsächlich einen Werteverfall? Haben Menschen mit Migrationshintergrund wirklich andere Werte als Menschen ohne? Welche Rahmenbedingungen sind für den Aufbau einer Wertekompetenz nötig?

Arbeitsprogramm

Es war der Wunsch der Wissenschaftler/-innen, einen Text zu produzieren, der sowohl grundlegende Fragen zum Wertediskurs und zu Werten „an sich“ behandelt als auch in einem praktischen Teil konkrete Vorschläge macht für förderliche Bedingungen, um Werte zu leben und zu erleben. Der Text sollte zur Begriffsklärung in der öffentlichen Debatte beitragen, Anstöße zur kritischen Reflektion geben und, nicht zuletzt, der Praxis eine Hilfestellung für den Umgang mit Differenzen und Aufbau von Wertekompetenz anbieten. Tatsächlich entstanden zwei Dokumente: Die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung und das Buch „Vom Wert der Werte“.

Position beziehen – gesellschaftlichen Dialog gestalten. Berliner Erklärung zur wertorientierenden Erziehung

Das Wissenschaftscluster verfasste die Vorlage für die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung. Diese Vorlage wurde durch Diskussionen in der Steuerungsgruppe, im Kita-Cluster und im Cluster Familienbildung ergänzt und um eine Selbstverpflichtung erweitert.

Ausgelöst durch den sozialen Wandel der letzten 40 Jahre hat sich die Gesellschaft erheblich verändert. Emanzipationsbewegungen, Migration und soziale Ungleichheit sind einige Stichworte, die Aspekte dieses Wandels beschreiben. Deshalb braucht eine Gesellschaft Maßstäbe für soziales Handeln, die zugleich Grundlage für ihren Zusammenhalt und ihre Weiterentwicklung sind. Als unhintergehbarer Ausgangspunkt für einen Konsens über bestehende Grundwerte gilt die UN-Menschenrechtserklärung. In ihr fließen die Werte aus vielen Kulturen der Welt zusammen. Dazu gehören die Anerkennung der Menschenwürde, das demokratische Prinzip, Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit.

Das Bundesforum Familie erklärt, dass Werte nicht nur als abstrakte und theoretische Vorstellungen zu behandeln sind, sondern auch die Aspekte der Lebensführung und der Emotionalität enthalten. Deshalb kommt der Lebensgestaltung von Familien und insbesondere der Kinder selbst eine besondere Bedeutung zu. Kinder wachsen in öffentlicher Verantwortung auf; sämtliche Generationen tragen Mitverantwortung. Deswegen ist es für den Aufbau von Wertekompetenz nötig, Familien bei der Gestaltung der nötigen Rahmenbedingungen zu unterstützen sowie öffentliche Erfahrungs- und Bildungsräume entsprechend zu gestalten.

Konkret fordert das Bundesforum Familie dazu auf, Position zu beziehen und den gesellschaftlichen Dialog zu gestalten:
• Wo die Würde von Menschen missachtet oder infrage gestellt wird, brauchen wir den Mut zum Nein-Sagen.
• Familien müssen darin unterstützt werden, ihre eigenen Werte zu reflektieren und für ihre Kinder einsichtig zu machen.
• Die kulturelle Diversität und religiöse Vielfalt in Tageseinrichtungen für Kinder und Einrichtungen der Familienbildung und Beratung müssen vor Ort gefördert und gestärkt werden.
• Familien als auch pädagogische Fachkräfte brauchen „Raum“, in dem sie sich ihre eigenen Werte bewusst machen und sich darüber austauschen können.
• Mangelnde Ressourcen in Familien können nicht durch wertorientierende Erziehung ersetzt werden. Deshalb sind ausreichende finanzielle und räumliche Ressourcen für ein gutes Familienleben unabdingbar.

„Kinder brauchen Werte“ ist somit eine Aufforderung an die Erwachsenen, Kindern Werte vorzuleben. Kinder und Familien müssen in ihrem gesunden Selbstvertrauen gestärkt werden, denn Werte spielen in ihrem Alltag sehr wohl eine Rolle.

Das Ergebnis: Die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung.

Vom Wert der Werte

Das Buch ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Wertedebatte, der nicht nur die Definition und Bedeutung der Werte aus verschiedenen Disziplinen erleuchtet, sondern auch praxisorientierte Hinweise zum Aufbau von Wertekompetenz enthält. Verlag ist der Medienpartner des Projektes, Family Media.

Das Buch stellt das Ergebnis einer breiten interdisziplinären Diskussion dar. Deutlich wurde dabei stets, dass über Werte nicht gesprochen werden kann, wenn nicht gleichzeitig auch gesellschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse in den Blick genommen werden. Diese doppelte Perspektive einer „Problematisierung der Problematisierung“ ist eine Leitidee der Ausführungen.

Zunächst wird danach gefragt, warum gegenwärtig so viel über Werte gesprochen wird. Im zweiten Schritt wird aus interdisziplinären Perspektiven die Frage beantwortet: „Was sind Werte?“ Der dritte Abschnitt befasst sich beispielhaft mit empirischen Befunden zum Wertediskurs, in dem häufig die Differenz von Werten als Problem gesehen wird. Dort wird gezeigt, dass einfache kulturelle oder ethnische Abgrenzungen nicht möglich sind. Im vierten Abschnitt wird die kindliche Entwicklung und Erziehung fokussiert und ein Modell für eine „Kita-Kultur der Offenheit“ vorgestellt. Abschließend werden in Thesen die wichtigsten Befunde zu Werteentwicklung und den notwendigen Rahmenbedingungen vorgestellt.

Mit dem Buch wird das Ziel verfolgt, Impulse in der Debatte um Werteentwicklung bei Kindern zu setzen. Dabei wird der Blick auf Hintergründe von Wertedefinitionen und -traditionen gelenkt. Angesprochen werden insbesondere Eltern und pädagogische Fachkräfte als auch Studierende und Lehrende sozialer Berufe. Beabsichtigt ist, sowohl die gesellschaftliche als auch die Fachdebatte begrifflich zu fundieren und aus verschiedenen Fachdisziplinen anzureichern.

Mitglieder des Wissenschaftsclusters

•    Prof. Dr. Sabine Andresen, Universität Bielefeld
•    Wolf D.A. Aries, Universität Münster
•    Prof. Dr. Micha Brumlik, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
•    Prof. Dr. Doris Bühler-Niederberger, Bergische Universität Wuppertal
•    Prof. Dr. Ute Gerhard, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
•    Prof. Dr. Paul Mecheril, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
•    Prof. Dr. Nina Kölsch-Bunzen, Hochschule Esslingen
•    PD Dr. Haci-Halil Uslucan, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
•    Prof. Dr. Dieter Spanhel, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
•    Dr. Barbara Thiessen, Deutsches Jugendinstitut

Kinder brauchen Werte: Das Cluster Familienbildung

Im Cluster Familienbildung arbeiteten Mitglieder aus den Bereichen der institutionellen und der nicht-institutionellen Familienbildung zusammen. Dort, wo Werte vorgelebt werden, haben Kinder die Möglichkeit, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Aus diesen Auseinandersetzungen entsteht eine Wertekompetenz. In der Familienbildung gibt es eine Vielzahl von Einrichtungen, Projekten, Initiativen und Verbänden, die innovative Ansätze für die bewusste Gestaltung solcher Auseinandersetzungen entwickelt haben. Andere würden gerne solche Angebote machen und sind auf der Suche nach Informationen und Inspiration. Aus diesen Gründen beschlossen die Mitglieder des Clusters Familienbildung, als Beitrag zum Projekt eine Erhebung vorzunehmen, um solche Angebote zu identifizieren, mehr über sie zu erfahren und sie für eine größere Fachpraxis zugänglich zu machen.
Entstanden sind im Cluster eine Fragebogenaktion, ein Workshop im September 2008 und die Dokumentation beider Aktivitäten in der Handreichung „Werte erlebbar machen im Miteinander der Generationen“.

Mitglieder des Clusters Familienbildung

•    Ines Albrecht-Engel, Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit
•    Angelika Grözinger, Deutscher Hausfrauen-Bund
•    Sylvia Dieckhoff, Deutscher Hausfrauen-Bund Schleswig-Holstein
•    Hubertus Heeg, Arbeitsgemeinschaft für Katholische Familienbildung
•    Michaela Herchenhan, Deutsche Gesellschaft für Systematische Therapie und Familientherapie
•    Petra Herre, Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung
•    Ute König, Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Familienbildungsstätten
•    Silke Köser, Diakonisches Werk der EKD
•    Dr. Erika Neubauer, Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen
•    Maria Rocholl, Paritätisches Bildungswerk – Bundesverband
•    Heribert Rollik, Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat

Kinder brauchen Werte: Das Kita-Cluster

kitacoverIm Kita-Cluster arbeiteten Mitglieder aus den Bereichen frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung zusammen. Die Mitglieder des Kita-Clusters entschieden auf ihrer ersten Sitzung, eine Veranstaltungsreihe zum Thema werteorientierte Erziehung in der Kita zu organisieren. Nach einer Auftaktveranstaltung im November 2007 in Hannover folgten vier Regionalkonferenzen, die das Thema unter Berücksichtigung des jeweiligen Bildungsplans vertieften.

Die Ergebnisse sind im Internet, in Fachartikeln und in der Handreichung „Werte erlebbar machen! Ein Einblick in die Tageseinrichtungen für Kinder“ zugänglich.

Veranstaltungen

Auftaktveranstaltung: „Werte reflektieren und erlebbar machen! Wertevermittlung in frühen Jahren“ im November 2007 in Hannover
Regionalkonferenz Nord: „Mein Wert – dein Wert. Zum Umgang mit Differenz in der Kita“ im März 2008 in Hannover
Regionalkonfenz Ost I: „Pädagogische Fachkräfte im Spannungsfeld der Wertekonflikte I“ im Mai 2008 in Dresden
Regionalkonferenz Ost II: „Pädagogische Fachkräfte im Spannungsfeld der Wertekonflikte II“ am 4. Juni 2008 in Halle
Regionalkonferenz Süd: „So entsteht ein Werteklima: In Kindertageseinrichtungen wertebewusst kommunizieren“ am 17. Juli 2008 in Stuttgart

Mitglieder des Kita-Clusters

•    Monika Benedix, Bundesvereinigung Ev. Tageseinrichtungen für Kinder
•    Safter Çinar, Föderation türkischer Elternvereine in Deutschland
•    Dr. Jutta Hinke-Ruhnau, Bundesverband für Kindertagespflege
•    Ulrike Gebelein, Diakonisches Werk der EKD
•    Magda Göller, AWO Bundesverband
•    Frank Jansen, Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder
•    Hannes Lachenmair, Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen
•    Ingetraud Palm-Walter, spiel gut
•    Cornelia Spohn, Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf)
•    Wilfried Steinert, Bundeselternrat
•    Marie Wätke, Humanistischer Verband

„Kinder brauchen Werte“ – Schirmherrschaft der Kinderkommission

Kinder sind in unserer Gesellschaft schutzwürdige Mitglieder. Die Kinderkommission vertritt die Interessen der Kinder und Jugendlichen und setzt damit ein deutliches Zeichen.  Dass Kinder sich auch direkt an ein parteiübergreifendes Gremium wenden können, ist beispielhaft für die praktische Umsetzung von demokratischen Werten wie Partizipation kiko.gifund Teilhabe. Die Mitglieder der Kinderkommission sind: (v.l.) Diana Golze (Die Linke), Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), Michaela Noll (CDU/CSU), Marlene Rupprecht (SPD) und Miriam Gruß (FDP) (© DBT).

Interview mit Diana Golze, MdB

Warum hat die Kinderkommission die Schirmherrschaft übernommen?
Die Kinderkommission hat den Anspruch, Kinder als ganzen Menschen zu betrachten. Kinder sind für uns keine kleinen Erwachsenen, sondern ganze Persönlichkeiten, die gefördert und unterstützt werden müssen. Sie gehören zu den schwächsten Mitgliedern dieser Gesellschaft und brauchen die Unterstützung von Erwachsenen. Und deshalb unterstützen wir alle Initiativen und Projekte, die darauf hinauslaufen, Kinder zu fördern und zu befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Und dabei natürlich auch die Eltern und das Lebensumfeld der Kinder mit einbeziehen. Und genau das ist der Ansatz des Projektes „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ des Bundesforums Familie. Wie können wir zum Einen diejenigen befähigen, die mit Kindern umgehen, sie erziehen und bilden und wie können wir diese Bildungsangebote so gestalten, dass die Eltern und Kinder – die ganze Familie – etwas davon haben. Deshalb ist es für die Kinderkommission eine große Freude, in diese Bündnisinitiative mit einbezogen zu werden und wir haben sehr gerne die Schirmherrschaft übernommen.

Warum sind Ihrer Meinung nach Werte wichtig?
Kinder brauchen Werte, um sich zu orientieren. Es wird oft gesagt, dass wir in einer Gesellschaft, in einer Zeit leben, in der ein Werteverfall vorherrscht. Ich aber glaube, genau das macht es den Kindern so schwer, in ihrer Umwelt zu recht zu kommen. Sie brauchen Werte wie Toleranz und  Solidarität, um sich überhaupt in dieser Gesellschaft zurecht zu finden. Man muss Kindern zeigen, wo Möglichkeiten bestehen. Und besonders hinsichtlich Toleranz und Demokratie bestehen Möglichkeiten, sich in dieser Gesellschaft zu orientieren und Perspektiven für die eigene Zukunft zu entwickeln. Kindern Werte zu vermitteln gehört für mich zur Erziehung, zu einem menschlichen Miteinander, dazu.

Wo sehen Sie Defizite und Unsicherheiten im Umgang mit dem Thema unter denen am Erziehungsprozess beteiligten Personen?
Dieses Thema hat ganz viele Facetten. Wenn z.B. Eltern seit Jahren zu hause sind, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und Kinder miterleben, dass ihre Eltern keinen geregelten Tagesablauf haben, zu Ämtern gehen und frustiert nach hause kommen, ihre sozialen Kontakte einschränken – dann merken Kinder, die Eltern sind verunsichert, haben kein starkes Selbstwertgefühl und können dies eben auch schwer an Kinder weitergeben. Das ist ein Problem und führt zu einer großen Verunsicherung bei der Vermittlung von Werten. Andere Probleme kommen sicherlich hinzu. Menschen, die im Arbeitsprozess stehen und dort starkem Druck ausgesetzt sind, vermitteln auch an die Kinder ein Gefühl des Ausgeliefertseins, des sich nicht frei entfalten könnens. Hier spielen ganz viele Facetten eine Rolle und deshalb bedarf es immer wieder einer beratenden Dritten Funktion, einer dritten Person, die das für die Kinder ein bisschen ordnet. Sagt, was normal ist, dass es bestimmte Dinge gibt, die man nicht ändern kann und man daher lernen muss, mit diesem Druck und dieser Unsicherheit umzugehen. Aber auch bestimmte Probleme überwinden lernen kann, um sich aus bestimmten Kreisläufen zu befreien. Kindern von Erwerbslosen fällt es sehr schwer, sich aus dieser Spirale zu befreien und deshalb bedarf es beratender Instanzen, die Kinder zur Seite stehen, sie vielleicht auch an die Hand nehmen und eine Funktion ersetzen, die die Eltern nicht mehr leisten können.

Welcher Ihnen als Kind vorgelebte Wert ist Ihnen heute noch wertvoll?
Ich bin in einem Dreiweiber-Haushalt aufgewachsen – drei Generationen Frauen. Meine Oma, meine Mutti und ich. Und habe dabei sehr früh gelernt, innerhalb der Familie zusammenzuhalten, aber auch mich nach außen hin durchzusetzen. Davon profitiere ich noch heute. Ich musste früh selbstständig werden, weil meine Mutti und Oma gearbeitet haben. Aber ich habe auch gemerkt, dass es nichts schlimmes ist, meinen Schultag und meine Freizeit selber zu gestalten. Im Rückblick habe ich keine schlechten Erinnerungen an meine Kindheit, nur deshalb, weil ich viel alleine war. Ich habe mir vielmehr diese Zeit selber strukturiert und organisiert. Und dies ist ein Wert, den man an Kinder weitergeben kann: Nehmt Eure Möglichkeiten in die Hand, gestaltet euer Leben von Anfang an!

Medienpreis 2008 für journalistischen Nachwuchs

medienpreisZur Förderung des journalistischen Nachwuchses hat das Bundesforum Familie am 25. November 2008 den Medienpreis 2008 verliehen. Ausgezeichnet wurden herausragende Reportage-Beiträge für Print und Internet, die die Vielfalt und Komplexität des zweijährigen Schwerpunkthemas „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ für ein breites Publikum verständlich aufbereiteten. Ziel des Medienpreises ist es, die Reportage als Flaggschiff des Jounalismus zu unterstützen, die journalistische Qualität zu fördern und den journalistischen Nachwuchs anzuregen, sich mit den Techniken der Reportage intensiv vertraut zu machen.  Die insgesamt 5 Preisträger/innen wurden im feierlichen Rahmen in Berlin vor rund 100 Vertreter/innen aus Familien- und Wohlfahrtsverbänden, Stiftungen, Gewerkschaften sowie Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ausgezeichnet. Insgesamt waren für den Medienpreis 2008 des Bundesforums Familie 30 Text- und Fotoarbeiten eingereicht worden.

Bester Wettbewerbsbeitrag

prummer.gifKarin Prummer (25) und Dominik Stawski (24) erhielten den mit 5.000 Euro dotierten ersten Preis für ihre Reportage „Mädchen sind willkommen (Jungs nicht)“, in der sie die Geschichte der zehnjährigen Nina erzählen, die ihr ganzes Leben dafür kämpft, ein Mädchen sein zu dürfen. Weil sie mit einem Jungenkörper geboren wurde, war es ein fast aussichtsloser Kampf – bis zum vergangenen Jahr. „Die Autoren haben eine ungewöhnliche und lebendige Protagonistin für ihre Geschichte über Transsexualität ausgesucht. Es ist eine Leistung der Autoren, sich nicht auf eine Seite zu werfen, die Eltern zu verteufeln oder das Mädchen zu heroisieren“, so die von Annette Hillebrand, Direktorin der Akademie für Publizistik in Hamburg, vorgetragene Jurybegründung. „Die eigenen Zweifel der Leser werden akzeptiert, ohne sie in eine bestimmte Position hineinzuziehen. Die Autoren arbeiten die Einzigartigkeit der Lösung heraus, lassen viele argumentative Stränge gelten und geben keine allgemeingültige Handlungsanweisung. Eine gute Reportage – intim, dicht und nah dran.“ Die Autoren Karin Prummer und Dominik Stawski studieren im neunten Semester Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Ihre Reportage ist ihre journalistische Diplom-Praxisarbeit und im August 2008 im Magazin der Süddeutschen Zeitung erschienen.

Erster Förderpreis

grabitz.gifDer erste Förderpreis in Höhe von 1.500 Euro ging an Christoph Grabitz (25) und Simon Schneller (28) für ihre Reportage „Oh, schöner Schmerz“. Eine Geschichte über Borderline-Kranke schneller.gifund ihr Leben im Internet – über Teenager, die sich im Internet gegenseitig die Diagnose stellen: Borderline. Eine neue Massenkrankheit? Oder bloß ein neues Wort für die ewigen Nöte der Pubertät? Stefan Willeke von der ZEIT hob in der Jurybegründung hervor, dass die Autoren auf sehr eindrucksvolle Weise eine besorgniserregende Nische im Internet ausleuchten und die Nöte Jugendlicher spürbar machen, von denen die meisten Erwachsenen nichts ahnen. „Pubertät auf diese Weise begreifbar zu machen, ist die besondere Leistung der Autoren. Sie machen auf Subkulturen im digitalen Raum aufmerksam, die in unserem sozialen Alltag niemals akzeptiert würden. Die Autoren erzählen bemerkenswert anschaulich, wie aus dem Gemeinschaftsgefühl im Internet ein trügerischer Familienersatz wird.“ Die Reportage der beiden Autoren ist im Rahmen der studienbegleitenden Journalistenausbildung am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchs (ifp) entstanden und in chrismon – Das evangelische Magazin – im Juni 2008 veröffentlicht.

Zweiter Förderpreis

piegsa.gifFür den Beitrag „Jugendhilfe am Limit“ wurde Jan Piegsa (32) mit dem zweiten Förderpreis in Höhe von 1.500 Euro geehrt. Piegsas Reportage handelt von den Einsparungen bei den Berliner Jugendämtern. So müssen Teenager, die Probleme mit ihren Eltern haben, schon mal mit Klagen drohen, um einen Platz in einer betreuten Wohngruppe zu bekommen. Der Autor zeigt exemplarisch auf, was es bedeutet, wenn an jungen Menschen gespart wird. Zudem gewährt er Einblicke in einen Verein, der Jugendliche unterstützt, ihre Rechte einzufordern. Michael Ohnewald von der Stuttgarter Zeitung betonte in der Jurybegründung, dass der Text zur Zeit der Einreichung noch unveröffentlicht war. Es gab keine redaktionelle Maschinerie, die das Stück bearbeitet hat. „Ein Rohling also. Und was für einer. Einer, der das Zeug zum Diamant hat. Der Autor erzählt einen vermeintlich trockenen Stoff so, dass Funken schlagen. Sein Text macht eine Haltung deutlich, ohne den Leser zu belehren. Ein gutes Stück Journalismus, aktuell, gesellschaftskritisch, werteorientiert.“ Der Autor ist Volontär der Evangelischen Journalistenschule und sein Beitrag ist als Abschlussarbeit der Lehrredaktion Print im Juli 2008 entstanden.

Jury

•    Florian Hanig, GEO
•    Annette Hillebrand, Direktorin der Akademie für Publizistik in Hamburg
•    Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie und Vorstandsmitglied der GEW
•    Gernot Körner, Geschäftsführer family media
•    Michael Ohnewald, Stuttgarter Zeitung, Leiter Reportage-Ressort (Theodor-Wolff-Preis)
•    Stefan Willeke, DIE ZEIT (Henri-Nannen-Preis, Egon-Erwin-Kisch-Preis)