Impulsveranstaltung „Kinder brauchen Werte“

Ein breiter gesellschaftlicher Dialog wird ins Leben gerufen

Am 5. Juni 2007 fand die Impulsveranstaltung des Bundesforums Familie und des Bundesfamilienministeriums für die gemeinsame Initiative „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative Verantwortung Erziehung“ im Abgeordnetenhaus von Berlin statt. Auf dieser Veranstaltung, auf dem es neben dem Eröffnungsreferat von Ministerin von der Leyen Vorträge von André Habisch und Paul Nolte sowie eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion gab, wurden Impulse aus der Politik und Wissenschaft gesammelt, um als erste Basis für einen breiten Dialog zum Thema „Kinder brauchen Werte“ zu dienen. Dass über 200 Vertreterinnen und Vertreter der verschiedensten Einrichtungen, Verbände und Gruppen, die sich mit dem Thema Erziehung beschäftigen, die Einladung zu dieser Veranstaltung annahmen, zeigt, wie wichtig das Thema in der Fachöffentlichkeit und nicht nur dort genommen wird.

Eine elektrisierende öffentliche Debatte

von der leyen.jpgNach der Einführung und Begrüßung durch Herrn Norbert Hocke, bemerkte Bundesfamilienministerin von der Leyen ihrer Auftaktrede, wie sehr sie die elektrisierende öffentliche Debatte um die Kinderbetreuung fasziniere. Sie stellte fest, dass die Politik mittlerweile den äußeren Rahmen für Kinderbetreuung, wie Investitions- und Betriebskosten schaffe, den inneren Rahmen jedoch, nämlich das, was gelingende Erziehung ausmache, gelte es gemeinsam zu erarbeiten, wobei Politik die Diskussion über Werte führe, diese jedoch nicht schaffen könne.
Nach Auffassung der Bundesministerin gibt es drei grundlegende Voraussetzungen für gelingende Erziehung:
•    Kinder brauchen mindestens eine Person verlässlich und dauerhaft, die sie um ihrer selbst willen lieben
•    Kinder brauchen andere Kinder
•    Kinder brauchen verlässliche Werte und Bindungen
In einer sich verändernden Umwelt, in der Eltern immer mehr auf sich allein gestellt sind und Kinder oft ohne Geschwister, enge Nachbarschaft und Verwandte aufwachsen, müssten verstärkt wertebezogene Angebote in der Bildungs- und Familienberatung geschaffen und wertevermittelnde Erziehungsangebote gemacht werden.

Werte – Heilige Offenbarungen oder geronnene Lebensweisheiten?

Zur fachlichen Einführung hielten Prof. Dr. André Habisch und Prof. Dr. Paul Nolte Vorträge.Prof. Dr. Paul Nolte Bei den Vorträgen kamen die grundsätzlichen Konfliktlinien im Wertedialog zutage. Wo Habisch in seiner Präsentation von Werten als geronnener Lebenserfahrung sprach, stattete Nolte sie in seinem Vortrag mit dem Adjektiv „heilig“ aus, als etwas immer in der Sphäre des Religiösen Angesiedeltes und stellte sich damit, ohne es explizit auszusprechen, an die Seite derer, die Werte als etwas Gottgegebenes ansehen.Prof. Dr. André Habisch

Während Habisch speziell auf das Problem der Werte in einer globalisierten Welt einging und die damit verbundenen Verwerfungen für das Individuum als einen der Gründe für den empfundenen Wertverfall im Westen ausmachte, proklamierte Nolte, dass Werte nur in der modernen Gesellschaft Entfaltung finden könnten, da Werte einen entgrenzten Lebensraum voraussetzten und eine Brücke zwischen dem im Laufe der Modernisierung entstandenen Individuum und seiner Gesellschaft bildeten. Im wirtschaftlichen Bereich möchte Habisch Werte als Innovationspotential verstanden wissen, das im Rahmen der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen, wie sie unter dem Begriff „Corporate Citizenship“ definiert ist, nicht nur aus altruistischen Motiven gefördert wird, sondern langfristig die Unternehmensgewinne steigert.

Christliches Abendland oder säkulare Neue Welt – Welche Werte wollen wir?

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen teil:
•    Oberkirchenrat Dr. Jürgen Frank, Leiter der Abteilung „Bildung“ im Kirchenamt der EKD
•    Dr. Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland
•    Prof. Dr. Helga Krüger, Professorin für Soziologie an der Universität Bremen und stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission zur Erstellung des 7. Familienberichts
•    Dr. Hermann Kues, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
•    Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken
Moderiert wurde die Diskussion von der Journalistin Petra Diroll.

PodiumsdiskussionAuch in der Podiumsdiskussion traten die unterschiedlichen Auffassungen über den Ursprung und die Entwicklung von Werten und auch über die Bedeutung und den Ursprung von Wertedebatten zutage. Die Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche, Hans Joachim Meyer und Jürgen Frank, sowie der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime und derzeitiger Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, Ayyub Axel Köhler, hoben die Bedeutung des Religiösen und des außerhalb des Alltäglichen Stehenden in der Wertedebatte hervor.
Für Meyer müssten Werte eine feste Wurzel haben, die für ihn Gott sei. Werte könnten für ihn nicht beliebig sein und keine Sammlung dessen, was gerade praktisch erscheine. Frank wies auf den besonderen Charakter von Erfahrungen im Zusammenhang mit Werten hin, der seiner Meinung nach diese von alltäglichen Erfahrungen unterscheide; als Beispiel nannte er Lieben und Geliebtwerden. Köhler betonte, dass der Staat keine Werte setzen dürfe, sondern dass dies den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vorbehalten sei, die das Wertepotential der Gesellschaft bildeten, mit der sich alle auseinandersetzen müssten. Für die Muslime seien Werte keine geronnenen Erfahrungen. Für ihn sei der wichtigste Wert die Menschenwürde, die in ihrer ultimativen Ausformung im Koran von Gott offenbart worden sei.
Eine völlig gegensätzliche Meinung vertrat die stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission des 7. Familienberichtes, Helga Krüger, die auf die Zusammenhänge von Wertedebatten und gesellschaftlichen Umwälzungen und Verwerfungen hinwies, ausgedrückt in den sich rasant verändernden Lebensumständen von Familien. Ihrer Auffassung nach fänden derartige Wertedebatten immer dann statt, wenn Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbstverständlich seien. Sie betonte, dass wir uns in einer familialen Umbruchsituation erster Ordnung befänden. In der Industriegesellschaft habe es noch die tayloristische Ordnung gegeben, in der der Vater verdient und auch gesagt hat, wo es langgeht. Heute spreche man von Aushandlungsfamilien, d. h. Familien, in denen Kinder mit ihren Eltern aushandelten, was geschieht. Sie wies darauf hin, dass unsere europäischen Nachbarn diese Diskussion über den Umgang mit sich verändernden familiären Lebensbedingungen schon seit 20 Jahren führen würden und daher wesentlich weiter seien.
Parlamentarischer Staatssekretär Hermann Kues stellte fest, dass die Basis jeglicher Wertediskussion das Grundgesetz sei, das mit seinem verbindlichen Wertekanon zeige, dass die Politik durchaus bei der Ausgestaltung von Werten einen Platz habe und dies nicht allein religiösen und weltanschaulichen Gruppen überlassen werden könne. Er betonte, dass der Wertekanon des Grundgesetzes die Basis darstelle, auf der sich alle treffen könnten, eine Basis, die auch nur begrenzt verhandelbar sei. Er stellte fest, dass Wertediskussionen der Beliebigkeit und Gleichgültigkeit entgegenwirkten. Er sieht es als besondere Aufgabe der Politik, die Werte des Grundgesetzes immer wieder zu übersetzen und zu vermitteln, denn Menschen müssten immer wieder aufs Neue für diese Werte gewonnen werden. Er bemerkte außerdem, dass jedem Kind vermittelt werden müsse, dass es wertvoll ist, so wie es ist, mit all seinen Talenten, Schwächen und Besonderheiten.Podiumsdiskussion Auf die Problematik der Erziehung von muslimischen Mädchen angesprochen, betonte Köhler die Wichtigkeit des permanenten Dialogs in diesen schwierigen interkulturellen Fragen, die mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Elternhaus stehe oder falle. Die Diskussion gipfelte in der Frage, wie man die eigenen Werte bewahren und trotzdem auf Mitbürger/innen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen zugehen könne. Meyer und Frank gaben dabei zu bedenken, dass die jüdisch-christlichen Grundlagen der Werte in Deutschland nicht zu verleugnen seien und jeder derartige Versuch nicht nur unredlich, sondern auch von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. Helga Krüger hielt dagegen das Beispiel Kanadas, ein Land, das bewusst jegliche religiöse Symbolik in seinen öffentlichen Einrichtungen ablehne und sich strikte religiöse Unparteilichkeit als Staatsprinzip auferlege. Köhler bezeichnete Kindergärten und Schulen als Orte, wo Toleranz eingeübt werde; seiner Auffassung nach müssten Kinder frühzeitig lernen, mit anderen Kulturen und Wertvorstellungen umzugehen.
Von Meyer wurde der Begriff der „ethischen Allianzen“ in die Diskussion eingebracht, der es ermögliche, sich über religiöse und weltanschauliche Grenzen hinweg auf Grundwerte zu einigen, die allen Beteiligten wichtig sind. Meyer gab auch zu bedenken, dass Werte immer in ihrem spezifischen Kontext gesehen werden müssten, da man nicht vergessen sollte, dass mit isoliert gesehenen Werten außerhalb eines moralischen Kontextes, wie z. B. Disziplin und Ordnung, auch ein Konzentrationslager betrieben werden könne.

Kinder brauchen Werte: Die religiöse Sicht

Die konfessionell gebundenen freien Träger waren im Kita-Cluster und im Cluster Familienbildung vertreten, konzentrierten sich dort jedoch auf das Erlebbarmachen von Werten an sich und weniger auf individuelle Werte und die Ableitung ihrer Geltung durch die Religion. Da Vertreter und Vertreterinnen der Weltreligionen und nicht-religiösen Weltanschauungen aktiv an der Wertedebatte teilnehmen, sollten ihre Ansichten auch in der Frage der wertorientierenden Erziehung Gehör finden. Dies geschah im Jahr 2008 im Rahmen von zwei Veranstaltungen.

Symposium „Umgang mit Differenzen: Wertebildung konkret“, 5. Mai 2008, Berlin
Das Bundesforum Familie regte einen Gedankenaustausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik an und stellte im Symposium zwei pädagogische Ansätze des interkulturellen und interreligiösen Lernens vor. Über 80 pädagogische Fachkräfte und Vertreter/innen aus Politik und Verbänden ließen sich für ihre eigene Arbeit inspirieren und diskutierten mit den Referentinnen und Referenten.

Fachtagung „Religiöse Werteerziehung in Kindertagesstätten? Kinderwünsche – Elternerwartungen – Trägerinteressen“, 29. Oktober 2008, Berlin
Zur Konzipierung der zweiten religiös geprägten Veranstaltung wurde eine Planungsgruppe eingerichtet. Sie hatte die Aufgabe, eine Fachtagung zu entwickeln, auf der Einrichtungen mit unterschiedlichem religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund ihren Umgang mit Fragen der Religiosität und Transzendenz präsentieren können. Die zunehmende soziale Mischung in den Kitas, die für eine mobile, individualisierte Gesellschaft prägend ist, bedeutet für die Träger, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass die Mehrheit der Kita-Kinder und ihre Eltern der Religionsgemeinschaft des Trägers angehören oder dessen nicht-religiöse Weltanschauung teilen. Auf der Fachtagung wurde auch in theoretischen Beiträgen die Leitfrage diskutiert: Welche Folgen für die religiöse und weltanschauliche Bildung und Erziehung in der Kita haben solche gesellschaftlichen Entwicklungen für die Träger, die Eltern und Familien und, vor allem, die Kinder?

Mitglieder der Planungsgruppe

•    Vera Caro, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden
•    Dr. Jürgen Frank, Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
•   
Frank Jansen, Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder – Bundesverband
•   
Dr. Axel Ayyub Köhler, Zentralrat der Muslime in Deutschland
•   
Cornelia Spohn, Verband binationaler Familien und Partnerschaften – iaf
•   
Marie Wätke, Humanistischer Verband Deutschlands

Fachtagung „Religiöse Werteerziehung in Kindertagesstätten? Kinderwünsche – Elternerwartungen – Trägerinteressen“

Fachtagung am 29. Oktober 2008 im Abgeordnetenhaus Berlin

maedchen religion2Zur Konzipierung der zweiten religiös geprägten Veranstaltung wurde eine Planungsgruppe eingerichtet. Sie hatte die Aufgabe, eine Fachtagung zu entwickeln, auf der Einrichtungen mit unterschiedlichem religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund ihren Umgang mit Fragen der Religiosität und Transzendenz präsentieren können. Die zunehmende soziale Mischung in den Kitas, die für eine mobile, individualisierte Gesellschaft prägend ist, bedeutet für die Träger, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass die Mehrheit der Kita-Kinder und ihre Eltern der Religionsgemeinschaft des Trägers angehören oder dessen nicht-religiöse Weltanschauung teilen. Auf der Fachtagung wurde auch in theoretischen Beiträgen die Leitfrage diskutiert: Welche Folgen für die religiöse und weltanschauliche Bildung und Erziehung in der Kita haben solche gesellschaftlichen Entwicklungen für die Träger, die Eltern und Familien und, vor allem, die Kinder?
Foto: Gundula Stöcker, KITA-Zweckverband im Bistum Essen / Archiv KTK-Bundesverband

Die Entwicklung der moralischen, religiösen und kulturellen Identität des Kindes

bertram.jpgProf. Dr. Birgit Bertram von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin referierte über die kindliche Identitätsentwicklung und die dafür förderlichen Rahmenbedingungen. Nach Piaget charakterisierte sie den Prozess des Aufwachsens als einen von Fremdbestimmtheit zu Autonomie. Kleine Kinder übernähmen die Regeln der Erwachsene zunächst unhinterfragt. Mit der Entwicklung ihrer kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sowie der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel fingen sie an, die ihnen vorgegebenen Regeln zu hinterfragen. Um sich zu autonomen Individuen zu entwickeln, brauchten Kinder während dieses Prozesses vor allem verlässliche (und liebende) Erwachsene, aber auch die Möglichkeit der kognitiven Differenziertheit durch Erfahrungen in Kontexten außerhalb des engen Familienkreises sowie Gleichheit im Sinne eines ausgeglichenen Machtverhältnisses zwischen Erwachsenen und Kindern.

Der Kitabesuch trage zu allen diesen Voraussetzungen bei. Heutzutage jedoch sei z. B. aufgrund der Ergebnisse der PISA-Studien eine Entwicklung im Gange, die – laut Bertram – die Elementarpädagogik auf die Förderung der kognitiven Fähigkeiten reduziere. Diese Reduktion sei „fragwürdig bis falsch“, weil neben dem Kopf auch die Seele und der Körper für eine ganzheitliche Entwicklung des Menschen wichtig seien. Vor diesem Hintergrund plädierte Bertram überzeugend für mehr Freiräume für Kinder, in denen sie ohne Eingreifen ihre eigenen Regeln aushandeln, ohne Aufsicht sich selbst organisieren und ohne Vorgaben frei spielen könnten.

Die Erwartungen von Eltern an die religiöse Werteerziehung in der Kita

uslucan_religion.jpgProf. Dr. Haci-Halil Uslucan von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg berichtete in seiner Präsentation aus seiner Forschung über Werte und Erziehung in islamischen Familien in Deutschland. Einleitend stellte er den Wandel der gängigen Erziehungsziele in Deutschland vor. In den 1950er- bis 1970er-Jahren seien die dominanten erzieherischen Werte z. B. Gehorsam, Ehrlichkeit, Ordnung, Hilfsbereitschaft, Reinlichkeit, gute Manieren zu haben, Eltern nicht zu widersprechen, gewesen. Danach seien zunehmend Selbstständigkeit und mit ihr Selbstbewusstsein und Selbstverantwortlichkeit betont worden. Vor diesem Hintergrund sehe ein relativ häufiges Erziehungsziel in islamischen Familien – den Eltern nicht zu widersprechen – nicht mehr so fremd aus.

Obwohl Forschung über die langfristige Auswirkung unterschiedlicher Erziehungsstile (autoritativ, autoritär, nachgiebig, vernachlässigend) die Überlegenheit des autoritativen Stils im Sinne von höherer kognitiver Kompetenz, der höchsten Form der Selbstwirksamkeit und des niedrigsten Problemverhaltens belegten, sei dieser Erziehungsstil nicht wirksam, wenn andere erzieherische Ziele relevanter seien als beispielsweise Selbstständigkeit. Deswegen sei der Erziehungsstil nicht einfach übertragbar, ohne dass eine vorherige Veränderung der Erziehungsziele und Werte stattfinde. Als Teil der Erklärung für die unterschiedlichen Erziehungsstile erwähnte  Uslucan den Bildungsgrad. Bis 1998 habe die Schulpflicht in der Türkei nur fünf Jahre betragen. Vor diesem Hintergrund sei der Besuch der Hauptschule für viele türkischstämmige Familien ein Bildungsaufstieg.

Uslucan berichtete weiter aus anderen Studien, die einerseits eine höhere Bedeutung von religiöser Pflichterfüllung als Erziehungsziel bei türkischen Eltern als bei deutschen Eltern, andererseits deutliche Unterschiede in der Bedeutung von Religion im Alltag von türkischen Muslime in Deutschland zeigten. Für ein Drittel dieser Gruppe spiele Religion keine Rolle, für einen großen Teil der Befragten sei Religion ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens, aber ohne Hauptbezug zu sein. Für etwa knapp 10 % sei Religion äußerst stark, auch ein starkes Abgrenzungskriterium. Es sei seit langem bekannt, dass Angst das Lernen eher hindere als fördere. Mit religiöser Erziehung sei es genauso. Ein zorniges, strafendes Gottesbild könne die kindliche Entwicklung negativ beeinflussen. Aber ein schützender, bedingungslos liebender Gott könne in einem von Diskriminierung geprägten Migrationskontext eine Stütze und zugleich Ressource sein.

Die Verantwortung der Träger für religiöse Werteerziehung

spenn.jpgIn seinem Vortrag erläuterte Matthias Spenn vom Comenius-Institut, Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft in Münster, warum Religion für Kinder und in der Kita wichtig sei. Dabei ging er auf einige Aspekte der Religion ein, die er zu einer Landkarte zusammenstellte: Religion biete ein Deutungs- und Bewältigungsmuster für Transzendenzfragen, Religion sei ein Modus der Weltbegegnung, die Kita ein Ort der interkulturellen und interreligiösen Begegnung unter Gleichaltrigen und Religion spiele auch entweder ausdrücklich oder implizit in der pädagogischen Arbeit der Kindertageseinrichtung immer eine Rolle, z. B. im Jahreskreis – oder durch Mythen, Symbole, Rituale, wobei Weihnachten für die Christen eines der bedeutendsten Beispiele sei.

Spenn vertrat die These, dass „religiöse Werteerziehung eigentlich eine Dimension allgemeiner Bildung ist und nicht vordringlich irgendeine Vermittlung von bestimmten Werten“. Das bedeute, dass Religion nicht für die Vermittlung vorbestimmter Wertvorstellungen instrumentalisiert werden darf, sondern eine Kita müsse angesichts der gegebenen Heterogenität und Pluralität die Fähigkeit haben, mit der Vielfalt und der Individualität der Kinder umzugehen. Konkret hieße das, Kinder dazu zu befähigen, selbst ihre Werte zu finden und ihnen nicht Werte in irgendeiner Weise aufzudrängen.
Die Träger müssten mit konfligierenden Zielen umgehen. Einerseits seien sie zur weltanschaulichen Neutralität, andererseits zu einer pädagogischen Qualität verpflichtet. Vor diesem Hintergrund fragte Spenn: „Was ist eigentlich das Alleinstellungsmerkmal, das Eltern veranlassen könnte, genau da das Kind hinzubringen?“ Religion könne durchaus eine wichtige Rolle in der Prägung der Einrichtung spielen, aber wie weit könne das gehen? Um diese Herausforderung zu meistern, seien folgende Faktoren entscheidend:
• Qualifizierung der Mitarbeitenden in religiösen Fragen und zum interreligiösen Dialog
• Entwicklung einer pädagogischen Kultur in der Einrichtung unter Einbeziehung religiöser Dimensionen
• Ermöglichung unterschiedlicher Modi der Weltbegegnung und nicht nur eines Modus
• Vernetzung und Kooperation mit anderen Bildungsakteuren und Unterstützungssystemen, besonders den Religionsgemeinschaften

Das Welt Café

Im zweiten Teil der Fachtagung hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, sechs Stände zu besuchen, die Kitas aus unterschiedlicher Trägerschaft aufgebaut hatten. Dort diskutierten sie mit den Mitarbeiterinnen über ihre Konzepte für religiöse Werteerziehung und tauschten Erfahrungen aus. Im Anschluss resümierten die Mitarbeiterinnen die Hauptthemen der Gespräche.

Katholisches Kinderhaus „Carlo Steeb“, Tübingen
Selbstbeschreibungkatholisch.jpg: Die Arbeit orientiert sich in erster Linie an den christlichen Grundwerten und an dem Auftrag des Ordensgründers Carlo Steeb. Für ihn war es das vordergründige Ziel, sich für die Schwächsten der Gesellschaft einzusetzen, zu denen auch oder besonders die Kinder gehören.
Um diesem Anspruch in der täglichen Arbeit gerecht zu werden, werden keine Unterschiede zwischen Herkunft, Kultur, Religion, unterschiedlichen Lebens-, Familien- und Erziehungssituationen gemacht. Das Kinderhaus arbeitet mit dem Konzept des Situationsansatzes, das bedeutet, die Lebenssituation der Kinder und ihrer Familien zur Grundlage der pädagogischen Arbeit zu machen. Die Erzieherinnen führen eine Situationsanalyse durch, d. h. sie erkunden die Lebenswelt ihrer Kinder, legen Lernziele fest und stimmen ihre pädagogischen Angebote darauf ab.
Resümee: Die Mitarbeiterinnen waren vom großen Interesse der Teilnehmenden besonders beeindruckt. Am häufigsten gefragt wurde nach dem Umgang mit verschiedenen Religionen, ob die Schwestern mit im Haus leben und nach der Geschichte von Carlo Steeb. Ihnen sind die unterschiedlichen Bedürfnisse der Betreuung je nach Bundesland (z. B. Öffnungszeiten, Land/Stadt) deutlich geworden.

Jüdische Gemeinde zu Berlin, Kindertagesstätte
judisch.jpgSelbstbeschreibung: Der jüdische Kindergarten legt Wert auf eine jüdische Erziehung, zu der die Einhaltung der jüdischen Feiertage, koscheres Essen und Hebräisch-Unterricht (ab dem 4. Lebensjahr) gehören. Als Integrationskindergarten spielt aber auch die Förderung der deutschen Sprache eine große Rolle – zwei Sprachlehrer arbeiten und spielen in kleinen Gruppen mit den Kindern und setzen Sprachlerntagebücher ein. Als Kindergarten, der das Berliner Bildungsprogramm umsetzt, bietet der Jüdische Kindergarten Projektwochen, musikalische Früherziehung, Gymnastikunterricht, den Umgang mit Computer, Digitalkamera und weiteren Medien an. Natürlich kommen auch Basteln, Malen und das Arbeiten mit Ton (für das ein eigener Brennofen zur Verfügung steht) nicht zu kurz.
Resümee: Auch die Mitarbeiterinnen der jüdischen Kita waren vom großen Interesse der Teilnehmenden beeindruckt. Andererseits haben sie gemerkt, wie wenig Vorkenntnisse viele über das Judentum hatten. Häufig gestellte Fragen betrafen den Umgang mit Kindern aus anderen Religionen, die Religionszugehörigkeit des Personals, ob sie nach dem Berliner Bildungsplan arbeiten würden und welche besondere Sicherheitsvorkehrungen die Einrichtung hätte. Die Mitarbeiterinnen haben sich über die Gelegenheit, ihre Arbeit anderen pädagogischen Fachkräften vorzustellen, sehr gefreut.

Humanistische Kitas humanist.jpg
Selbstbeschreibung
: Kitas sind Bildungsorte für Kinder, in denen sie erfahren, respektvoll miteinander umzugehen und demokratische Regeln zu erproben. Die Erzieherinnen und Erzieher regen Kinder an, kritisch und unabhängig eigene Positionen zu bilden. Benachteiligungen anderer entgegenzutreten, kulturelle Unterschiede zu achten und Konflikte ohne Gewalt auszuhandeln gehören dabei ebenso zu den Lernzielen. Humanistische Kitas fördern ein interkulturelles Zusammenleben und integrieren Kinder mit Behinderungen. Humanistische Kindertagesstätten sind Bildungs- und Wohlfühlorte, in denen Kinder und Erwachsene gemeinsam leben und lernen. Die Grundidee von humanistischer Erziehung ist das Recht und die Anerkennung einer Gleichwürdigkeit von Kindern und Erwachsenen im Zusammenleben. Sie leben u. a. wechselseitige achtungsvolle Beziehungen, nehmen die Bedürfnisse der Kinder ernst und respektieren ihre individuelle Verschiedenheit.
Resümee: Besonders beeindruckt waren die Mitarbeiterinnen der Humanistischen Kitas über die Neugier der Teilnehmenden, die sich in einem sehr offenen Austausch gezeigt hat. Am häufigsten wurde gefragt, wie sie vor dem Hintergrund einer spezifisch ausgerichteten weltanschaulichen Konzeption mit der Vielfalt der Kulturen, die Kinder in das Haus bringen, umgingen. Ferner wollten viele Teilnehmenden wissen, wie die humanistischen Kitas mit religiösen Festen umgehen, diese ausgestalten und vermitteln. Die Mitarbeiterinnen haben hilfreiche Anregungen aus den Gesprächen gesammelt und wollen über ein Konzept mit dem Fokus „Kulturelle Werte, Kulturelle Bildung“ für den Kita-Alltag nachdenken sowie den Reichtum des Dialogs zwischen unterschiedlichen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen für die Wertebildung nutzen.

Evangelische Kita Noahs Arche evang.jpgSelbstbeschreibung: Die Arbeit der evangelischen Kindertagesstätten ist diakonische Arbeit und konkrete Hilfe für Kinder und Eltern, unabhängig vom religiösen Bekenntnis und von der Nationalität der Familien. Sie sehen die Kinder als vollwertige kleine Menschen und möchten sie an das Wissen und die Werte unserer Gesellschaft heranführen, ihre Fragen aufgreifen und beantworten, ihre Phantasie beflügeln und ihnen Mut zum Leben machen. Die Lebenswirklichkeit wird unter christlichen Vorzeichen gesehen, daher werden auch die Kinder mit diesem Wertegefüge vertraut gemacht, um ihnen eine gute Lebensgrundlage zu geben.
Resümee: Die Mitarbeiterinnen wurden häufig nach den religiösen Bedürfnissen von Kindern gefragt, z. B.: Sind Kinder religiöse Wesen? Brauchen Kinder Religion? Fragen Kinder von sich aus nach Gott oder wird es ihnen aufgedrückt? Sie haben festgestellt, dass es nicht so schwierig ist, wenn Menschen etwas Unterschiedliches glauben, sondern wenn Erwachsene Angst haben, sich überhaupt darauf einzulassen: „Berührungsängste überwinden ist das Schwierigste“. Zukunftsweisend finden sie es wichtig, das Tabu, über religiöse Fragen und religiöse Hintergründe oder Zusammenhänge im Alltag zu sprechen, zu überwinden und sich zu trauen, und das quer durch alle Glaubensrichtungen und nicht nur für Theologen/Theologinnen, sondern alle, die ehrlich über ihre Erfahrungen reden wollen.

Kinderladen „Salam-Frieden“ salam.jpgSelbstbeschreibung: Die interkulturelle Erziehung gewinnt in Zeiten der Globalisierung und multikulturellen Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. In Einrichtungen, die diesem Konzept folgen, werden Kinder mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund gemeinsam betreut. Gefördert werden das gegenseitige Kennenlernen der Kulturen, der Umgang mit (kulturellen) Differenzen, die Fähigkeit zum interkulturellen Dialog und die sprachliche Entwicklung der Kinder. Ziel ist es, die kulturelle Vielfalt als Chance und als Bereicherung im Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft zu sehen und die Kulturen als gleichberechtigt und gleichwertig anzusehen. So soll schon im Kindesalter ein vorurteilsfreies und selbstverständliches Miteinander gelebt werden.
Resümee: Es war den Mitarbeiterinnen schnell klar, dass ähnlich wie beim Judentum die Teilnehmenden relativ wenig Vorwissen über den Islam hatten. Es wurde häufig gefragt, wie der Islam sich im Alltag äußere und ob nicht-islamische Feste auch gefeiert werden. Auch hier wurde nach der Freiwilligkeit der Kinder oder einem Zwang zur Anpassung gefragt. Wie aber bei keiner anderen Kita wurde nach der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und danach, ob sie ein Kopftuch tragen, gefragt. Die wichtigste Erkenntnis für die Mitarbeiterinnen waren die vielen Parallelen zwischen ihrer Arbeit und der in anderen konfessionellen Einrichtungen. In Zukunft wünschen sie sich, dass häufiger an den Gemeinsamkeiten angeknüpft und weniger auf die Unterschiede geblickt wird.

Gescher e.V.gescher.jpg Selbstbeschreibung: Gescher e. V. unterhält eine Kindertagesstätte, in der 37 Kinder im Alter von Geburt an bis 14 Jahre bei Bedarf ganztägig betreut werden. Die Kita arbeitet gemeinwesenorientiert anhand der gemeinsamen ethischen Werte der abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Genutzt werden die Sprachen Deutsch, Russisch und Englisch in Immersion. Ein Ziel ist es, ein erfolgreiches Curriculum zu entwickeln, welches auf der ethischen Basis der drei in Europa relevanten Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam in Verbindung mit den säkularen Werten einer modernen Demokratie, im Bewusstsein der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, in einer Realität nach dem 11. September 2001 in der Lage ist, Hilfestellung für eine erfolgreiche integrative öffentliche Erziehung und Bildung zu geben.
Resümee: Die Leiterin fand die Diskussionen notwendig und überfällig, aber nicht alle sind so offen wie die Teilnehmenden. Sie merkte, dass Minderheiten (hier Islam und Judentum) mit Misstrauen betrachtet werden (z. B. durch Fragen nach Berechtigung, Qualifikation, Kontrolle etc.). Nötig ist ein Dialog der Religionen und Weltanschauungen auf gleicher Augenhöhe. In der pädagogischen Arbeit soll sich das im Versuch niederschlagen, nicht nur das Eigene zu ergänzen, sondern aus zwei Dingen etwas Neues zu machen. Diese Diskussion will die Leiterin auch nach der Fachtagung weiterführen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das durchaus kritische Interesse an anderen Konzepten und Erfahrungen enorm war. Fast alle Teilnehmenden wollten wissen, wie andere Kitas mit Kindern umgehen, die nicht der Religion oder Weltanschauung des Trägers angehören. Offensichtlich ist dies eine wichtige Frage, auf die es momentan keine einfachen Antworten gibt. Aus diesem Grund sind weitere Forschung und Austauschveranstaltungen zu dieser Frage dringend nötig.

Reflexionsrunde

relig_pod1.jpgZum Abschluss der Fachtagung resümierte die Planungsgruppe den Planungsprozess und zog ein Fazit der Fachtagung.
Dr. Ayyub Axel Köhler unterstrich die Vielfalt der Kitas als Einrichtungen, in denen alle Weltanschauungen und Religionen vorhanden seien. Deswegen dürfe keine Religionsgemeinschaft sich mit seiner Kita abschotten und nur einen in sich geschlossenen Kreis bilden, sondern „Kitas werden mehr zivilgesellschaftliche Einrichtungen“. Angesichts der gesellschaftlichen Vielfalt seien zwei Entwicklungen wünschenswert: erstens mehr Mitarbeiter/-innen mit interkultureller Kompetenz und zweitens mehr islamische Kitas, denn, sagte Köhler, „der Islam gehört zur Vielfalt hier in unserem Lande.“

Unterstützung für die Forderung nach mehr islamischen Kitas erfuhr Köhler von Vera Caro. Für sie trügen islamische Kitas zur Verfestigung des Islams in der deutschen Gesellschaft und zum Abbau von Vorurteilen bei. Als Leiterin einer jüdischen Kita hätte sie auf der Tagung Anerkennung „von anderen Religionen und Minderheiten“ erfahren.
Zum Anfang seines Fazits berichtete Dr. Jürgen Frank über die Punkte, über die sich die Mitglieder der Planungsgruppe einig seien. Der erste Punkt sei, das Kind immer in den Mittelpunkt zu stellen und dem Kind das Recht zu gewähren, in seinen religiösen Fragen „gefördert zu werden, Nachdenkhilfen zu bekommen und eine Kultur angeboten zu bekommen.“ Darauf sei die Feststellung in der Gruppe gefolgt, dass, obwohl sie gemeinsame Werte teilten, wie das Wohl des Kindes und dessen Entwicklung, ihre Wurzeln und damit die Art und Weise, wie sie Liebe und Zuwendung zu den Kindern ausdrückten, dennoch verschieden blieben. Das sei jedoch kein Hindernis zur Zusammenarbeit gewesen, sondern „unter uns allen ist der Respekt jeweils von der Verwurzelung des anderen gewachsen.“

Dr. Werner Gatzweiler (KTK Bundesverband) unterstrich die Bedeutung der Verwurzelung und in Anlehnung an Prof. Dr. Bertrams Vortrag hob er emotionale Sicherheit als Grundbedingung für den Umgang mit Vielfalt hervor. Dazu gehöre das Gefühl, selber etwas wert zu sein. Diese Kombination der emotionalen Sicherheit und das Gefühl, etwas wert zu sein, gebe die Kraft, sich mit anderen über Unterschiede auszutauschen und dabei nicht die eigene Position zu verlieren.

Für Marie Wätke hat die Fachtagung das Wissen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften übereinander sowie den Dialog miteinander gefördert. Sich gegenseitig „ihre Türen zu öffnen“, fördere den Umgang mit Vielfalt. Als Ausgangspunkt gelte die Offenheit, die sie während der Planung und Durchführung der Fachtagung erfahren habe.

Cornelia Spohn hat am meisten die hohe Kompetenz der Kita-Mitarbeiter/-innen beeindruckt, wie sie „die Quadratur des Kreises schaffen,“ einerseits das Profil des Trägers sichtbar werden zu lassen und „gleichzeitig die Lebenswelten der Kindern, die manchmal nicht unbedingt dem Profil des Trägers entsprechen, trotzdem einzubinden, sie willkommen zu heißen und auf sie einzugehen.“relig_pod2.jpg
Das Thema Elternarbeit wurde mehrmals vom Podium und Publikum angesprochen. Auch auf anderen Veranstaltungen im Rahmen des Projektes „Kinder brauchen Werte“ wurde über die Schwierigkeiten, manche Eltern zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu motivieren, gesprochen. Frank wies auf Prof. Dr. Uslucans Vortrag hin: Es ginge nicht nur um Werte und Religion, sondern um das Lebensgefühl und den Zusammenhalt der Familie und Kultur. Deswegen müsse zuerst Vertrauen zu den Eltern aufgebaut werden, bevor über Religion gesprochen werde.
Zur Frage, wie sich Kinder Werte aneignen, schlug Frank das Motto vor: Nur wer selber brennt, kann entzünden. Demnach müssten Werte attraktiv sein und die Kinder ergreifen. Die Kitas hätten auf ihren Ständen gezeigt, wie „die überzeugten, professionellen, engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kindertagesstätten in ihrer Person die Werte verkörpern und auch deutlich machen, worin sie wurzeln.“ Köhler ergänzte, die Person solle fest in dem eigenen Glauben, in der eigenen Glaubenswelt verwurzelt sein, um damit die Kinder ein eindeutiges Vorbild sehen zu lassen.
Gatzweiler fügte hinzu, in den katholischen und evangelischen Kitas seien die Erzieherinnen „in ihrem christlichen Glauben ganz unterschiedlich beheimatet.“ Diese Tatsache sei eine Lernchance für das Team in einer Einrichtung, nicht auf vorgefertigte Antworten zurückzugreifen, sondern „sich auf den Weg zu machen.“ Gemeinsam und auch mit den Kindern über den Glauben zu diskutieren, sei authentisch und mache die Erzieherinnen glaubwürdiger.

Zum Schluss diskutierte das Podium über die Neigung zu und die Rechtfertigung von Bewertungen. Spohn stellte auf, dass der Glaube etwas sei, was man nicht bewerten könne, die Handlungen jedoch, die aus dem Glauben begründet werden, dann wohl. Ferner wies sie auf die schnellen unbewussten Bewertungen, die wir ständig machten, hin und plädierte dafür, sie sich im Dialog immer wieder bewusst zu machen. Dr. Köhler fragte, wer eigentlich berechtigt sei, auf dem Glauben basierte Handlungen zu bewerten. Wenn solche Handlungen nicht gegen Gesetze verstießen, könne man sie nicht bewerten. Er sah ein aktuelles Problem darin, dass Menschen ohne jeglichen Zugang zur Spiritualität oder Religiosität religiöse Handlungen bewerteten, wenn eigentlich nur diejenigen, die die Handlung ausführen oder Gelehrte sind, diese beurteilen könnten. Aus der Perspektive eines Muslims fügte er hinzu: „Ich muss sagen, wir leiden schon darunter, unter denen, die sich anmaßen, so etwas bewerten zu können. Wir müssen sehen, dass wir möglichst weise Erzieher/innen publicum_religion.jpgkriegen in den Kitas, die damit souverän umgehen können und dann in Verbindung mit dem Elternhaus nicht Konflikte im Kind erzeugen.“
Frau Wätke erweiterte den Blick auf das Kind. Sie denke, dass Bewertung von Handlungen permanent stattfinde. Kinder bewerteten permanent und prüften die Tragfähigkeit der Werte, welche die Erwachsenen leben. Daraus erwüchse die Verantwortung der Erwachsenen für ihre Handlungen und die Botschaften, die sie damit vermittelten. Für sie sei das Entscheidende, „dass die Bewertungen, die ich mache, meine sind und für mich gelten und ich nicht den Anspruch erheben darf, dass die Bewertung, zu der ich komme, übertragbar wäre für andere.“

Eine Zusammenfassung der Vorträge erschien in „Welt des Kindes“, Heft 1, 2009, S. 42-43.

Symposium „Umgang mit Differenzen: Wertebildung konkret“

Symposium am 5. Mai 2008 in Berlin

Das Bundesforum Familie regte einen Gedankenaustausch zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik an und stellte in seinem Symposium „Umgang mit Differenz: Wertebildung konkret“ zwei pädagogische Ansätze des interkulturellen und interreligiösen Lernens vor. Über 80 pädagogische Fachkräfte und Vertreter aus Politik und Verbänden ließen sich für ihre eigene Arbeit inspirieren und diskutierten mit den Referentinnen und Referenten Petra Wagner, Prof. Dr. Albert Biesinger, Prof. Dr. Friedrich Schweitzer, Dr. Christa Dommel und Rabeya Müller. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Katherine Bird (BFF).

Ein Bericht über das Symposium von Katherine Bird und Wolfgang Hübner erschien unter dem Titel „Wie gehen Kitas mit kulturellen und religiösen Differenzen um? Ein Symposium des Bundesforums Familie“, in: TPS – Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Hrsg.: Bundesvereinigung ev. Tageseinrichtungen für Kinder e. V. (BETA) und Kallmeyer bei Friedrich in Velber, 9/2008, S. 48-51.

Alle Kinder sind gleich, jedes Kind ist besonders – das Projekt „Kinderwelten“

wagner.gifIn ihrem Eröffnungsvortrag stellte Petra Wagner, Leiterin des Projektes „Kinderwelten“, ihr Projekt zur vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung vor. Ausgangspunkt war die PISA-Studie, die die starke Abhängigkeit der Bildungsverläufe von der sozialen Herkunft thematisierte und die Frage, wie das Recht auf Bildung des Kindes bei der Verschiedenheit der Lebensverhältnisse und individuellen Unterschiede eingelöst werden kann. Als Antwort hierauf entstand das Projekt „Kinderwelten“, dessen Motto „Alle Kinder sind gleich, jedes Kind ist besonders“ das Spannungsfeld zwischen dem Gleichheitsanspruch und den tatsächlichen Unterschieden der Lebensverhältnisse aufnimmt, in dem die Erzieherinnen handeln müssen. Kinder nehmen die äußeren Merkmale anderer Kinder wahr und wie diese Unterschiede von ihrer Umgebung bewertet werden. Wie kann eine Einrichtung so gestaltet werden, damit Einseitigkeiten und Diskriminierungen minimiert werden? Anhand vieler praktischer Beispiele erläuterte Petra Wagner die vier Ziele ihres Bildungs- und Praxiskonzeptes:

  1. Die Ich- und Bezugsgruppen-Identität des Kindes stärken. Hier wird der Unterschied zu anderen Konzepten deutlich, die die Begegnung mit der Differenz, mit dem Anderen, an erster Stelle setzen.
  2. Allen Kinder Erfahrungen mit Vielfalt ermöglichen.
  3. Das kritische Denken über Vorurteile und Diskriminierungen sowie die Moralentwicklung anzuregen.
  4. Aktiv werden gegen Einseitigkeiten und Vorurteile. So können Kinder ihre Handlungsfähigkeit fördern und Selbstwirksamkeitserfahrungen machen.

„Die Erfahrung mit Vielfalt ist eine große sprachliche und kognitive Herausforderung“, so Petra Wagner. „Es ist eine hohe Stimulanz fürs Lernen, Kinder sind neugierig. Und mit etwas Mut, Unterstützung und Materialien, die das anregen, werden diese Auseinandersetzungen um soziale Vielfalt sehr bildungsrelevant.“ Dadurch werden Gerechtigkeitssinn, Perspektivübernahme, Auseinandersetzung mit Rechten, Konfliktfähigkeit, Verantwortungsübernahme und Zivilcourage gefördert. „Es gibt keinen wertfreien Raum. Selbst wenn ich nichts sage, nicht interveniere, gebe ich eine klare Botschaft. Es geht darum, explizit zu machen, was die Werte sind, die wir vertreten“, betonte Petra Wagner.

„Mein Gott – Dein Gott“ – die Pilotstudie und ihre Ergebnisseschweitzer_biesinger.gif

„Kinder haben ein Recht auf Religion und religiöse Bildung“ war die zentrale Forderung der beiden Professoren Albert Biesinger und  Friedrich Schweitzer bei der Vorstellung ihrer gemeinsamen Pilotstudie „Mein Gott – Dein Gott“, aus der sich ihre Perspektive zur Werteerziehung und Wertebildung ableitete. Beide Professoren treten für ein Bildungskonzept ein, in der die religiöse und interreligiöse Bildung integraler Bestandteil in den Kindertagesstätten ist. Denn in vielen Kitas sind Kinder mit verschiedenen religiösen Hintergründen und im täglichen Miteinander entstehen Fragen zu religiösen Bräuchen und Glaubensgrundsätzen, die viele Eltern und Erzieher/innen überfordern.

zuschauer1.gifZiel der Pilotstudie war es, erste Auskünfte über den Umfang und die Gestaltung der religiösen Bildung in den Kitas zu gewinnen, um damit die Problemfelder und Lösungsstrategien zu identifizieren. Ergebnis: Religiöse Bildung findet in den Kindertagesstätten nur in Form christlicher Bildung statt und hier wiederum hauptsächlich in konfessionell gebundenen Kitas. Laut Aussage der Erzieher/innen bedeutet das konkret, dass 97% der konfessionell gebundenen Einrichtungen „sehr viel“ oder „viel“ christliche Bildung vermitteln. In 84% der nicht konfessionell gebundenen Einrichtungen hingegen werden die Kinder „kaum“ oder „wenig“ christlich begleitet. Nur in einem Punkt sieht die Situation bei den verschiedenen Kitaträgern gleich aus: lediglich zu 10% findet eine Unterstützung der Kinder im Sinne des Islams statt, obwohl fast ein Drittel der Kinder in den untersuchten Kitas muslimisch sind.

Biesinger und Schweitzer betonten, dass viele Kinder religiöse Fragen stellen, aber nicht alle Erzieher/innen darin ausgebildet sind, mit solchen Fragen umzugehen. Deswegen forderten sie als Grundprinzip eine Verständigungskompetenz, die aus dem Umgang mit Differenzen entsteht und für die Dialogfähigkeit unverzichtbar ist. „Eine Übermächtigung, auch religiöse Übermächtigung ist aber streng verboten“, stellte Albert Schweitzer klar. „Wenn sie wollen, müssen Kinder Religion und religiöse Fragen ausweichen dürfen und können.“ Eine allgemeine religiöse Bildung soll allen Kindern offen stehen und könnte dazu beitragen, Hass und Unverständnis abzubauen.

Zwei Inputs zur Förderung des mulireligiösen Zusammenseins

mueller.gifRabeya Müller (IPD Köln) ging in ihrem Input der Frage nach, wie die Werte der muslimische Kinder zustande kamen. Vermittelte die erste Generation von Migranten ihren Kindern noch islamische Werte aus ihrem Heimatland, beruhte der Wertekanon der zweiten Generation zwar auf diesen Traditionen, ohne jedoch eine solide theoretische Grundlage zu besitzen. Bei ihnen kam es zu einer Spaltung, denn die alten Werte im häuslichen Umfeld passten nicht mit denen des neuen Umfeldes zusammen. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf der dritten und vierten Generation, die jedoch in einem Spannungsfeld leben. Denn sie haben weder ausreichend gelernt, tradierte Werte auf Deutsch wiederzugeben, noch Tradition und Religion zu unterscheiden. Die Lösung sieht Frau Müller darin, eine Selbstreflektion über die Glaubensgebote bei den muslimischen Kinder und Jugendlichen anzuregen, anstatt traditionelle Interpretationen kritiklos hinzunehmen.

Im zweiten Kurzinput berichtete Dr. Christa Dommel aus einem Forschungsprojekt in dommel.gifEngland. Dort vollzieht sich in der Religionspädagogik ein Wandel von „Information“ hin zu „Interaktion“, der als Dialog im Klassenzimmer umschrieben werden kann. Angesichts der großen religiösen Vielfalt, vor allem in manchen Städten, diskutieren Kinder und Jugendliche Fragen wie Wahrheit, Wert und Sinn unter pädagogischer Anleitung. Ergänzt wird der Dialog durch Besuche in Kirchen, Moscheen oder Tempeln. Dadurch erfahren die Kinder viel mehr über andere Religionen als sie es jemals aus Büchern oder Frontalunterricht könnten. Frau Dommel empfahl, auch in Deutschland Verfahren für respektvolle Diskussionen zu entwickeln.

Soll der Bildungsauftrag der Kita erweitert werden?

Die abschließende Diskussionsrunde gab Raum für die unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Lösungsstrategien insbesondere zum Thema Religion. Denn ein Ziel des Projektes „Kinder brauchen Werte“ ist es, einen verstärkten Austausch zwischen Religionen und Kulturen anzuregen und zu fördern.

podium2.gifFür die Professoren Biesinger und Schweitzer liegt das Problem darin, dass die Erzieher/innen zu wenig über andere Religionen, aber auch über die eigene Religion wissen. Sie kritisierten, dass die Weiterbildung in Bereichen wie Naturwissenschaften oder Spracherziehung einfach hingenommen werde, weil diese vorgeschrieben sei, Religionserziehung in staatlichen Kitas jedoch keinen Platz habe. Prof. Schweitzer sprach sich aber gegen einen Religionsunterricht aus, wie er in der Schule durchgeführt wird. Er sieht die Aufgabe für die weitere Arbeit darin, die Orientierungs- und Bildungspläne für den vorschulischen Bereich, die mehrheitlich Bereiche unter der Überschrift Sinn, Werte und Religion vorsehen, für die Praxis tauglich zu machen.

Frau Wagner hingegen betrachtete Religion als einen Teil der Wertedebatte und nicht als podium wagner.gifAusgangspunkt jeglicher Wertevermittlung. Sie verwahrte sich dagegen, dass Religion das Thema Werte vollständig besetzt. Die Forderung der beiden Professoren, dass die Kitas die Aufgabe haben, die Gottesbeziehungen der Kinder zu erschließen, lehnte sie ab. Ihrer Meinung nach könnten Kitas z.B. das Thema Autoritäten mit den Kindern behandeln, wozu Eltern, Erzieher/innen und Politiker/innen gehören aber auch die Religionen. Gerade muslimische Kinder wachsen oft in autoritätshörigen Strukturen auf und könnten von der Behandlung des Themas profitieren, bemerkte hierzu Rabeya Müller. Kinder und Jugendliche reagieren sehr überrascht, wenn sie ihnen sagt, dass der Islam kritisches Denken nicht nur erlaubt, sondern sogar fördert. Deshalb kann ihrer Meinung nach ein fundierter Islamunterricht in dieser Hinsicht hilfreich sein.

„Es ist schon notwendig, dass Erzieher/innen sich in diesem Bereich fortbilden, aber wichtiger ist es, dass zum einem die Vielfalt in der Gesellschaft anerkannt wird und zum anderen Erzieher/innen und Kinder sich gemeinsam einen Zugang zu den verschiedenen Lebensformen und Religionen erarbeiten“, fasste Petra Wagner ihre Ansichten zusammen. „Es müssen Rahmenbedingungen in den Kitas geschaffen werden, die der Reflexion über die eigene Arbeit den nötigen Raum und die nötige Zeit verschaffen.“

Kinder brauchen Werte: Das Wissenschaftscluster

Relativ früh im Projekt wurde festgestellt, dass die bisherige Wertedebatte einseitig und stark vereinfacht geführt wurde. Zu schnell werden Werte auf Tugenden reduziert, Erziehung auf Erziehungsdefizite beschränkt und Jugendliche mit Migrationshintergrund als Problem und nicht als Chance begriffen. Solche Behauptungen dürfen nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben.

Aus diesem Grund wurde das Wissenschaftscluster eingerichtet. In ihm hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen die Chance, eine differenzierte Perspektive in die öffentliche Wertedebatte einzubringen und Fragen zu diskutieren wie: Was sind eigentlich „Werte“? Warum wird gerade jetzt darüber gesprochen? Gibt es tatsächlich einen Werteverfall? Haben Menschen mit Migrationshintergrund wirklich andere Werte als Menschen ohne? Welche Rahmenbedingungen sind für den Aufbau einer Wertekompetenz nötig?

Arbeitsprogramm

Es war der Wunsch der Wissenschaftler/-innen, einen Text zu produzieren, der sowohl grundlegende Fragen zum Wertediskurs und zu Werten „an sich“ behandelt als auch in einem praktischen Teil konkrete Vorschläge macht für förderliche Bedingungen, um Werte zu leben und zu erleben. Der Text sollte zur Begriffsklärung in der öffentlichen Debatte beitragen, Anstöße zur kritischen Reflektion geben und, nicht zuletzt, der Praxis eine Hilfestellung für den Umgang mit Differenzen und Aufbau von Wertekompetenz anbieten. Tatsächlich entstanden zwei Dokumente: Die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung und das Buch „Vom Wert der Werte“.

Position beziehen – gesellschaftlichen Dialog gestalten. Berliner Erklärung zur wertorientierenden Erziehung

Das Wissenschaftscluster verfasste die Vorlage für die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung. Diese Vorlage wurde durch Diskussionen in der Steuerungsgruppe, im Kita-Cluster und im Cluster Familienbildung ergänzt und um eine Selbstverpflichtung erweitert.

Ausgelöst durch den sozialen Wandel der letzten 40 Jahre hat sich die Gesellschaft erheblich verändert. Emanzipationsbewegungen, Migration und soziale Ungleichheit sind einige Stichworte, die Aspekte dieses Wandels beschreiben. Deshalb braucht eine Gesellschaft Maßstäbe für soziales Handeln, die zugleich Grundlage für ihren Zusammenhalt und ihre Weiterentwicklung sind. Als unhintergehbarer Ausgangspunkt für einen Konsens über bestehende Grundwerte gilt die UN-Menschenrechtserklärung. In ihr fließen die Werte aus vielen Kulturen der Welt zusammen. Dazu gehören die Anerkennung der Menschenwürde, das demokratische Prinzip, Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit.

Das Bundesforum Familie erklärt, dass Werte nicht nur als abstrakte und theoretische Vorstellungen zu behandeln sind, sondern auch die Aspekte der Lebensführung und der Emotionalität enthalten. Deshalb kommt der Lebensgestaltung von Familien und insbesondere der Kinder selbst eine besondere Bedeutung zu. Kinder wachsen in öffentlicher Verantwortung auf; sämtliche Generationen tragen Mitverantwortung. Deswegen ist es für den Aufbau von Wertekompetenz nötig, Familien bei der Gestaltung der nötigen Rahmenbedingungen zu unterstützen sowie öffentliche Erfahrungs- und Bildungsräume entsprechend zu gestalten.

Konkret fordert das Bundesforum Familie dazu auf, Position zu beziehen und den gesellschaftlichen Dialog zu gestalten:
• Wo die Würde von Menschen missachtet oder infrage gestellt wird, brauchen wir den Mut zum Nein-Sagen.
• Familien müssen darin unterstützt werden, ihre eigenen Werte zu reflektieren und für ihre Kinder einsichtig zu machen.
• Die kulturelle Diversität und religiöse Vielfalt in Tageseinrichtungen für Kinder und Einrichtungen der Familienbildung und Beratung müssen vor Ort gefördert und gestärkt werden.
• Familien als auch pädagogische Fachkräfte brauchen „Raum“, in dem sie sich ihre eigenen Werte bewusst machen und sich darüber austauschen können.
• Mangelnde Ressourcen in Familien können nicht durch wertorientierende Erziehung ersetzt werden. Deshalb sind ausreichende finanzielle und räumliche Ressourcen für ein gutes Familienleben unabdingbar.

„Kinder brauchen Werte“ ist somit eine Aufforderung an die Erwachsenen, Kindern Werte vorzuleben. Kinder und Familien müssen in ihrem gesunden Selbstvertrauen gestärkt werden, denn Werte spielen in ihrem Alltag sehr wohl eine Rolle.

Das Ergebnis: Die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung.

Vom Wert der Werte

Das Buch ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Wertedebatte, der nicht nur die Definition und Bedeutung der Werte aus verschiedenen Disziplinen erleuchtet, sondern auch praxisorientierte Hinweise zum Aufbau von Wertekompetenz enthält. Verlag ist der Medienpartner des Projektes, Family Media.

Das Buch stellt das Ergebnis einer breiten interdisziplinären Diskussion dar. Deutlich wurde dabei stets, dass über Werte nicht gesprochen werden kann, wenn nicht gleichzeitig auch gesellschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse in den Blick genommen werden. Diese doppelte Perspektive einer „Problematisierung der Problematisierung“ ist eine Leitidee der Ausführungen.

Zunächst wird danach gefragt, warum gegenwärtig so viel über Werte gesprochen wird. Im zweiten Schritt wird aus interdisziplinären Perspektiven die Frage beantwortet: „Was sind Werte?“ Der dritte Abschnitt befasst sich beispielhaft mit empirischen Befunden zum Wertediskurs, in dem häufig die Differenz von Werten als Problem gesehen wird. Dort wird gezeigt, dass einfache kulturelle oder ethnische Abgrenzungen nicht möglich sind. Im vierten Abschnitt wird die kindliche Entwicklung und Erziehung fokussiert und ein Modell für eine „Kita-Kultur der Offenheit“ vorgestellt. Abschließend werden in Thesen die wichtigsten Befunde zu Werteentwicklung und den notwendigen Rahmenbedingungen vorgestellt.

Mit dem Buch wird das Ziel verfolgt, Impulse in der Debatte um Werteentwicklung bei Kindern zu setzen. Dabei wird der Blick auf Hintergründe von Wertedefinitionen und -traditionen gelenkt. Angesprochen werden insbesondere Eltern und pädagogische Fachkräfte als auch Studierende und Lehrende sozialer Berufe. Beabsichtigt ist, sowohl die gesellschaftliche als auch die Fachdebatte begrifflich zu fundieren und aus verschiedenen Fachdisziplinen anzureichern.

Mitglieder des Wissenschaftsclusters

•    Prof. Dr. Sabine Andresen, Universität Bielefeld
•    Wolf D.A. Aries, Universität Münster
•    Prof. Dr. Micha Brumlik, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
•    Prof. Dr. Doris Bühler-Niederberger, Bergische Universität Wuppertal
•    Prof. Dr. Ute Gerhard, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
•    Prof. Dr. Paul Mecheril, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
•    Prof. Dr. Nina Kölsch-Bunzen, Hochschule Esslingen
•    PD Dr. Haci-Halil Uslucan, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
•    Prof. Dr. Dieter Spanhel, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
•    Dr. Barbara Thiessen, Deutsches Jugendinstitut

Kinder brauchen Werte: Das Cluster Familienbildung

Im Cluster Familienbildung arbeiteten Mitglieder aus den Bereichen der institutionellen und der nicht-institutionellen Familienbildung zusammen. Dort, wo Werte vorgelebt werden, haben Kinder die Möglichkeit, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Aus diesen Auseinandersetzungen entsteht eine Wertekompetenz. In der Familienbildung gibt es eine Vielzahl von Einrichtungen, Projekten, Initiativen und Verbänden, die innovative Ansätze für die bewusste Gestaltung solcher Auseinandersetzungen entwickelt haben. Andere würden gerne solche Angebote machen und sind auf der Suche nach Informationen und Inspiration. Aus diesen Gründen beschlossen die Mitglieder des Clusters Familienbildung, als Beitrag zum Projekt eine Erhebung vorzunehmen, um solche Angebote zu identifizieren, mehr über sie zu erfahren und sie für eine größere Fachpraxis zugänglich zu machen.
Entstanden sind im Cluster eine Fragebogenaktion, ein Workshop im September 2008 und die Dokumentation beider Aktivitäten in der Handreichung „Werte erlebbar machen im Miteinander der Generationen“.

Mitglieder des Clusters Familienbildung

•    Ines Albrecht-Engel, Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit
•    Angelika Grözinger, Deutscher Hausfrauen-Bund
•    Sylvia Dieckhoff, Deutscher Hausfrauen-Bund Schleswig-Holstein
•    Hubertus Heeg, Arbeitsgemeinschaft für Katholische Familienbildung
•    Michaela Herchenhan, Deutsche Gesellschaft für Systematische Therapie und Familientherapie
•    Petra Herre, Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung
•    Ute König, Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Familienbildungsstätten
•    Silke Köser, Diakonisches Werk der EKD
•    Dr. Erika Neubauer, Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen
•    Maria Rocholl, Paritätisches Bildungswerk – Bundesverband
•    Heribert Rollik, Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat

Kinder brauchen Werte: Das Kita-Cluster

kitacoverIm Kita-Cluster arbeiteten Mitglieder aus den Bereichen frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung zusammen. Die Mitglieder des Kita-Clusters entschieden auf ihrer ersten Sitzung, eine Veranstaltungsreihe zum Thema werteorientierte Erziehung in der Kita zu organisieren. Nach einer Auftaktveranstaltung im November 2007 in Hannover folgten vier Regionalkonferenzen, die das Thema unter Berücksichtigung des jeweiligen Bildungsplans vertieften.

Die Ergebnisse sind im Internet, in Fachartikeln und in der Handreichung „Werte erlebbar machen! Ein Einblick in die Tageseinrichtungen für Kinder“ zugänglich.

Veranstaltungen

Auftaktveranstaltung: „Werte reflektieren und erlebbar machen! Wertevermittlung in frühen Jahren“ im November 2007 in Hannover
Regionalkonferenz Nord: „Mein Wert – dein Wert. Zum Umgang mit Differenz in der Kita“ im März 2008 in Hannover
Regionalkonfenz Ost I: „Pädagogische Fachkräfte im Spannungsfeld der Wertekonflikte I“ im Mai 2008 in Dresden
Regionalkonferenz Ost II: „Pädagogische Fachkräfte im Spannungsfeld der Wertekonflikte II“ am 4. Juni 2008 in Halle
Regionalkonferenz Süd: „So entsteht ein Werteklima: In Kindertageseinrichtungen wertebewusst kommunizieren“ am 17. Juli 2008 in Stuttgart

Mitglieder des Kita-Clusters

•    Monika Benedix, Bundesvereinigung Ev. Tageseinrichtungen für Kinder
•    Safter Çinar, Föderation türkischer Elternvereine in Deutschland
•    Dr. Jutta Hinke-Ruhnau, Bundesverband für Kindertagespflege
•    Ulrike Gebelein, Diakonisches Werk der EKD
•    Magda Göller, AWO Bundesverband
•    Frank Jansen, Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder
•    Hannes Lachenmair, Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen
•    Ingetraud Palm-Walter, spiel gut
•    Cornelia Spohn, Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf)
•    Wilfried Steinert, Bundeselternrat
•    Marie Wätke, Humanistischer Verband

„Kinder brauchen Werte“ – Schirmherrschaft der Kinderkommission

Kinder sind in unserer Gesellschaft schutzwürdige Mitglieder. Die Kinderkommission vertritt die Interessen der Kinder und Jugendlichen und setzt damit ein deutliches Zeichen.  Dass Kinder sich auch direkt an ein parteiübergreifendes Gremium wenden können, ist beispielhaft für die praktische Umsetzung von demokratischen Werten wie Partizipation kiko.gifund Teilhabe. Die Mitglieder der Kinderkommission sind: (v.l.) Diana Golze (Die Linke), Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), Michaela Noll (CDU/CSU), Marlene Rupprecht (SPD) und Miriam Gruß (FDP) (© DBT).

Interview mit Diana Golze, MdB

Warum hat die Kinderkommission die Schirmherrschaft übernommen?
Die Kinderkommission hat den Anspruch, Kinder als ganzen Menschen zu betrachten. Kinder sind für uns keine kleinen Erwachsenen, sondern ganze Persönlichkeiten, die gefördert und unterstützt werden müssen. Sie gehören zu den schwächsten Mitgliedern dieser Gesellschaft und brauchen die Unterstützung von Erwachsenen. Und deshalb unterstützen wir alle Initiativen und Projekte, die darauf hinauslaufen, Kinder zu fördern und zu befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Und dabei natürlich auch die Eltern und das Lebensumfeld der Kinder mit einbeziehen. Und genau das ist der Ansatz des Projektes „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ des Bundesforums Familie. Wie können wir zum Einen diejenigen befähigen, die mit Kindern umgehen, sie erziehen und bilden und wie können wir diese Bildungsangebote so gestalten, dass die Eltern und Kinder – die ganze Familie – etwas davon haben. Deshalb ist es für die Kinderkommission eine große Freude, in diese Bündnisinitiative mit einbezogen zu werden und wir haben sehr gerne die Schirmherrschaft übernommen.

Warum sind Ihrer Meinung nach Werte wichtig?
Kinder brauchen Werte, um sich zu orientieren. Es wird oft gesagt, dass wir in einer Gesellschaft, in einer Zeit leben, in der ein Werteverfall vorherrscht. Ich aber glaube, genau das macht es den Kindern so schwer, in ihrer Umwelt zu recht zu kommen. Sie brauchen Werte wie Toleranz und  Solidarität, um sich überhaupt in dieser Gesellschaft zurecht zu finden. Man muss Kindern zeigen, wo Möglichkeiten bestehen. Und besonders hinsichtlich Toleranz und Demokratie bestehen Möglichkeiten, sich in dieser Gesellschaft zu orientieren und Perspektiven für die eigene Zukunft zu entwickeln. Kindern Werte zu vermitteln gehört für mich zur Erziehung, zu einem menschlichen Miteinander, dazu.

Wo sehen Sie Defizite und Unsicherheiten im Umgang mit dem Thema unter denen am Erziehungsprozess beteiligten Personen?
Dieses Thema hat ganz viele Facetten. Wenn z.B. Eltern seit Jahren zu hause sind, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und Kinder miterleben, dass ihre Eltern keinen geregelten Tagesablauf haben, zu Ämtern gehen und frustiert nach hause kommen, ihre sozialen Kontakte einschränken – dann merken Kinder, die Eltern sind verunsichert, haben kein starkes Selbstwertgefühl und können dies eben auch schwer an Kinder weitergeben. Das ist ein Problem und führt zu einer großen Verunsicherung bei der Vermittlung von Werten. Andere Probleme kommen sicherlich hinzu. Menschen, die im Arbeitsprozess stehen und dort starkem Druck ausgesetzt sind, vermitteln auch an die Kinder ein Gefühl des Ausgeliefertseins, des sich nicht frei entfalten könnens. Hier spielen ganz viele Facetten eine Rolle und deshalb bedarf es immer wieder einer beratenden Dritten Funktion, einer dritten Person, die das für die Kinder ein bisschen ordnet. Sagt, was normal ist, dass es bestimmte Dinge gibt, die man nicht ändern kann und man daher lernen muss, mit diesem Druck und dieser Unsicherheit umzugehen. Aber auch bestimmte Probleme überwinden lernen kann, um sich aus bestimmten Kreisläufen zu befreien. Kindern von Erwerbslosen fällt es sehr schwer, sich aus dieser Spirale zu befreien und deshalb bedarf es beratender Instanzen, die Kinder zur Seite stehen, sie vielleicht auch an die Hand nehmen und eine Funktion ersetzen, die die Eltern nicht mehr leisten können.

Welcher Ihnen als Kind vorgelebte Wert ist Ihnen heute noch wertvoll?
Ich bin in einem Dreiweiber-Haushalt aufgewachsen – drei Generationen Frauen. Meine Oma, meine Mutti und ich. Und habe dabei sehr früh gelernt, innerhalb der Familie zusammenzuhalten, aber auch mich nach außen hin durchzusetzen. Davon profitiere ich noch heute. Ich musste früh selbstständig werden, weil meine Mutti und Oma gearbeitet haben. Aber ich habe auch gemerkt, dass es nichts schlimmes ist, meinen Schultag und meine Freizeit selber zu gestalten. Im Rückblick habe ich keine schlechten Erinnerungen an meine Kindheit, nur deshalb, weil ich viel alleine war. Ich habe mir vielmehr diese Zeit selber strukturiert und organisiert. Und dies ist ein Wert, den man an Kinder weitergeben kann: Nehmt Eure Möglichkeiten in die Hand, gestaltet euer Leben von Anfang an!

Medienpreis 2008 für journalistischen Nachwuchs

medienpreisZur Förderung des journalistischen Nachwuchses hat das Bundesforum Familie am 25. November 2008 den Medienpreis 2008 verliehen. Ausgezeichnet wurden herausragende Reportage-Beiträge für Print und Internet, die die Vielfalt und Komplexität des zweijährigen Schwerpunkthemas „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ für ein breites Publikum verständlich aufbereiteten. Ziel des Medienpreises ist es, die Reportage als Flaggschiff des Jounalismus zu unterstützen, die journalistische Qualität zu fördern und den journalistischen Nachwuchs anzuregen, sich mit den Techniken der Reportage intensiv vertraut zu machen.  Die insgesamt 5 Preisträger/innen wurden im feierlichen Rahmen in Berlin vor rund 100 Vertreter/innen aus Familien- und Wohlfahrtsverbänden, Stiftungen, Gewerkschaften sowie Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ausgezeichnet. Insgesamt waren für den Medienpreis 2008 des Bundesforums Familie 30 Text- und Fotoarbeiten eingereicht worden.

Bester Wettbewerbsbeitrag

prummer.gifKarin Prummer (25) und Dominik Stawski (24) erhielten den mit 5.000 Euro dotierten ersten Preis für ihre Reportage „Mädchen sind willkommen (Jungs nicht)“, in der sie die Geschichte der zehnjährigen Nina erzählen, die ihr ganzes Leben dafür kämpft, ein Mädchen sein zu dürfen. Weil sie mit einem Jungenkörper geboren wurde, war es ein fast aussichtsloser Kampf – bis zum vergangenen Jahr. „Die Autoren haben eine ungewöhnliche und lebendige Protagonistin für ihre Geschichte über Transsexualität ausgesucht. Es ist eine Leistung der Autoren, sich nicht auf eine Seite zu werfen, die Eltern zu verteufeln oder das Mädchen zu heroisieren“, so die von Annette Hillebrand, Direktorin der Akademie für Publizistik in Hamburg, vorgetragene Jurybegründung. „Die eigenen Zweifel der Leser werden akzeptiert, ohne sie in eine bestimmte Position hineinzuziehen. Die Autoren arbeiten die Einzigartigkeit der Lösung heraus, lassen viele argumentative Stränge gelten und geben keine allgemeingültige Handlungsanweisung. Eine gute Reportage – intim, dicht und nah dran.“ Die Autoren Karin Prummer und Dominik Stawski studieren im neunten Semester Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Ihre Reportage ist ihre journalistische Diplom-Praxisarbeit und im August 2008 im Magazin der Süddeutschen Zeitung erschienen.

Erster Förderpreis

grabitz.gifDer erste Förderpreis in Höhe von 1.500 Euro ging an Christoph Grabitz (25) und Simon Schneller (28) für ihre Reportage „Oh, schöner Schmerz“. Eine Geschichte über Borderline-Kranke schneller.gifund ihr Leben im Internet – über Teenager, die sich im Internet gegenseitig die Diagnose stellen: Borderline. Eine neue Massenkrankheit? Oder bloß ein neues Wort für die ewigen Nöte der Pubertät? Stefan Willeke von der ZEIT hob in der Jurybegründung hervor, dass die Autoren auf sehr eindrucksvolle Weise eine besorgniserregende Nische im Internet ausleuchten und die Nöte Jugendlicher spürbar machen, von denen die meisten Erwachsenen nichts ahnen. „Pubertät auf diese Weise begreifbar zu machen, ist die besondere Leistung der Autoren. Sie machen auf Subkulturen im digitalen Raum aufmerksam, die in unserem sozialen Alltag niemals akzeptiert würden. Die Autoren erzählen bemerkenswert anschaulich, wie aus dem Gemeinschaftsgefühl im Internet ein trügerischer Familienersatz wird.“ Die Reportage der beiden Autoren ist im Rahmen der studienbegleitenden Journalistenausbildung am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchs (ifp) entstanden und in chrismon – Das evangelische Magazin – im Juni 2008 veröffentlicht.

Zweiter Förderpreis

piegsa.gifFür den Beitrag „Jugendhilfe am Limit“ wurde Jan Piegsa (32) mit dem zweiten Förderpreis in Höhe von 1.500 Euro geehrt. Piegsas Reportage handelt von den Einsparungen bei den Berliner Jugendämtern. So müssen Teenager, die Probleme mit ihren Eltern haben, schon mal mit Klagen drohen, um einen Platz in einer betreuten Wohngruppe zu bekommen. Der Autor zeigt exemplarisch auf, was es bedeutet, wenn an jungen Menschen gespart wird. Zudem gewährt er Einblicke in einen Verein, der Jugendliche unterstützt, ihre Rechte einzufordern. Michael Ohnewald von der Stuttgarter Zeitung betonte in der Jurybegründung, dass der Text zur Zeit der Einreichung noch unveröffentlicht war. Es gab keine redaktionelle Maschinerie, die das Stück bearbeitet hat. „Ein Rohling also. Und was für einer. Einer, der das Zeug zum Diamant hat. Der Autor erzählt einen vermeintlich trockenen Stoff so, dass Funken schlagen. Sein Text macht eine Haltung deutlich, ohne den Leser zu belehren. Ein gutes Stück Journalismus, aktuell, gesellschaftskritisch, werteorientiert.“ Der Autor ist Volontär der Evangelischen Journalistenschule und sein Beitrag ist als Abschlussarbeit der Lehrredaktion Print im Juli 2008 entstanden.

Jury

•    Florian Hanig, GEO
•    Annette Hillebrand, Direktorin der Akademie für Publizistik in Hamburg
•    Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie und Vorstandsmitglied der GEW
•    Gernot Körner, Geschäftsführer family media
•    Michael Ohnewald, Stuttgarter Zeitung, Leiter Reportage-Ressort (Theodor-Wolff-Preis)
•    Stefan Willeke, DIE ZEIT (Henri-Nannen-Preis, Egon-Erwin-Kisch-Preis)

Hintergrund des Projektes „Kinder brauchen Werte“

Das Bündnis für Erziehung

Am 20. April 2006 wurde in Berlin zusammen mit der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und den Vertreterinnen und Vertreter der zwei großen christlichen Kirchen ein „Bündnis für Erziehung“ ins Leben gerufen, dessen Ziel es war, einen Fokus auf werteorientierte Erziehung zu legen. Angesprochen werden sollten Eltern und andere an der Erziehung beteiligte Familienangehörige, aber auch Träger von Kindertagesstätten und deren Personal sowie Familienbildungs- und Familienberatungseinrichtungen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bündnisses für Erziehung schlugen sechs Handlungsfelder vor:

  • Stärkung der Erziehungskompetenz in Familien
  • Praktische Unterstützung für Kindertagesstätten
  • Vernetzung von Institutionen und Familien
  • Einbeziehung der Medien in der Wertevermittlung
  • Qualitätssteigerung der Fort- und Ausbildung für die Kindertagesstätte
  • Wissenschaftliche Begleitung des Prozesses

Die erweiterte Erklärung

Neben den zwei großen christlichen Kirchen gibt es jedoch weitere Religionsgemeinschaften in Deutschland sowie eine nicht unbedeutende Zahl von Einrichtung in nicht-kirchlicher Trägerschaft. Vertreterinnen und Vertreter dieser Organisationen trafen sich mit Bundesfamilienministerin von der Leyen am 31. Mai 2006.

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Treffen mit Bundesfamilienministerin von der Leyen am 31. Mai 2006 (l. nach r.): Norbert Hocke (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)), Reiner Brückers (AWO Bundesverband), Ilsa Diller-Murschall (AWO), Dr. Ulrich Schneider (Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband), Barbara Stoltefoht (Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband), Ursula von der Leyen (BMFSFJ), Abraham Lehrer (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland), Dr. Ayyub Axel Köhler (Zentralrat der Muslime in Deutschland).
Foto: Paritätischer Wohlfahrtsverband

Im Ergebnis wurde einvernehmlich festgestellt, dass eine freiheitliche und plurale Gesellschaft der Anerkennung elementarer Werte bedarf, wie sie insbesondere im Grundgesetz und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben sind und wie sie sich aus der gemeinsamen jüdisch-christlichen Tradition in Deutschland ableiten lassen.

Die beteiligten Organisationen sehen die Anerkennung und Vermittlung von Werten seit jeher als wichtigen Bestandteil ihrer Arbeit an. Gerade in einer von religiöser und weltanschaulicher Pluralität gekennzeichneten Gesellschaft gilt es in einem offenen Dialog zwischen gleichwertigen Partnern eine gemeinsame Wertebasis herauszuarbeiten und ihre Vermittlung gemeinsam zu fördern.

Die Rolle des Bundesforums Familie

Zwischen dem Familienministerium und den Beteiligten bestand Einvernehmen, dass es zu den wesentlichen Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft gehöre, unterschiedliche Weltanschauungen und Religionen grundsätzlich als gleich respektabel anzuerkennen.

Die Beteiligten wollten ihrer Verantwortung einzeln und gemeinsam für eine werteorientierte Erziehung gerecht werden. Das Bundesforum Familie, in dem über 100 Verbände und Institutionen vertreten sind, wurde vom BMFSFJ gebeten, sich als pluralistische Plattform für eine gemeinsame Initiative Verantwortung Erziehung bereit zu erklären. Aufgrund seiner Zusammensetzung bot das Bundesforum Familie eine hervorragende Voraussetzung für eine breite Akzeptanz und einen qualifizierten Dialog.

Arbeitsgruppe A: „Inklusion bei Familien mit behinderten Angehörigen“

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich seit Dezember 2013 mit der Situation und den Teilhabehürden von Familien mit behinderten Anghörigen in der frühen Familienphase. In der Bearbeitung wird das Augenmerk sowohl auf Kinder als auch auf Eltern mit Behinderung gerichtet.

Mitglieder der Arbeitsgruppe A

Kerstin Blochberger (Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern | Beirat Bundesforum Familie)
Dr. Jürgen Blumenberg (Verein zur Förderung von Beziehungskompetenz)
Fabienne Bretz (Deutscher Olympischer Sportbund)
Rainer Dillenberg (Bundesvereinigung Lebenshilfe)
Andreas Engel (Bundeskonferenz für Erziehungsberatung)
Ursula Hofmann (Deutscher Frauenrat | Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen)
Andreas Konrath (evangelische arbeitsgemeinschaft familie | EKM)
Dr. Ute Mendes (Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin)
Manfred Mickley (Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin)
Eike Möller (Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften)
Prof. Dr. Gerd Naumann (Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft)
Maren Reineke (Arbeitskreis Neue Erziehung)
Prof. Dr. Pirjo Schack (Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft)
Astrid Sult (Bundesverband für Kindertagespflege)
Dr. Verena Wittke (AWO Bundesverband)

Die Protokolle der bisherigen Treffen sind für Mitglieder des Bundesforums Familie im internen Bereich einsehbar.

Arbeitsgruppe II: „Familie und Erwerbsarbeit in der Mediengesellschaft“

Leitungsteam:
·    Antje Schumacher | ver.di Bundesverwaltung, Ressort 1, Politik und Planung, Zukunft der Arbeit
·    Brigitte Winkler | Arbeiterwohlfahrt Bundesverband

Mitglieder:
·    Dr. Andreas Borchers | Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung (IES)
·    Iris Emmelmann | Deutscher Familienverband (DFV)
·    Dr. Adelheid Gliedner-Simon | Bundesfachausschuss für Familien- und Jugendpolitik der CDU
·    Angelika Grözinger | Deutscher Hausfrauen-Bund
·    Claudia Hentschel | Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
·    Maria Anna Hermann | Verband der Familienfrauen und -männer
·    Dr. Ulf Holzendorf | Haushalt in Bildung und Forschung
·    Dr. Gabriele Kriese | Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern
·    Angelika Maier | Deutscher Caritasverband
·    Dr. Jochen Martin | Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie
·    Inge Michels |Verband Alleinerziehender Mütter und Väter
·    Renate Röllecke | Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur
·    Gisela Schamann | OnIineForum Telearbeit, Deutsche Postgewerkschaft
·    Dr. Ursula Sottong | Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung
·    Prof. Dr. Maria Thiele-Wittig | Universität Münster, Institut für Haushaltswissenschaft und Didaktik der Haushaltslehre
·    Helgard Ulshoefer | Deutscher Frauenrat
·    Eva Maria Welskop-Deffaa | Zentralkomitee der deutschen Katholiken
·    Gretel Wildt | Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland
·    Klaus-Dieter Zühlke | Tagesmütter Bundesverband für Kinderbetreuung in Tagespflege

Arbeitsgruppe I: „Veränderte Medienwelt – veränderte Familienwelt“

Leitungsteam:
·    Wolfgang Burkhardt | Forschungsgruppe Kommunikation und Soziales (fks)
·    Sabine Eder | Verein für Medien- und Kulturpädagogik „Blickwechsel“

Mitglieder:
·    Jutta Appelt | MdL, Verband Bildung und Erziehung
·    Harald Gersfeld | Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln
·    Harald Haasler | Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen
·    Petra Herre | Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung, Arbeitsfeld Familienbezogene Bildung
·    Hannes Lachenmair | Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen
·    Dr. Bernhard Laux | Deutsche Bischofskonferenz, Zentralstelle Pastoral
·    Ingetraud Palm-Walter | spiel gut, Arbeitsausschuss Kinderspiel und Spielzeug
·    Christoph Pompe | Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung
·    Dr. Gabriele Scheffler | Verband Alleinerziehender Mütter und Väter
·    Gini Schüttler | Mütterzentren Bundesverband
·    Heinrich Sudmann | Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Zeit und Gesundheit – Wissenschaftlicher Beirat

Der wissenschaftliche Beirat bildete eine wichtige Stütze für die Arbeit des Projektes. Durch ihre beachtliche Fachlichkeit konnten die Mitglieder offene Fragen und Handlungsbedarfe aus der Perspektive verschiedener Disziplinen schnell identifizieren. Ihre Arbeit blieb aber nicht nur im theoretischen Bereich hilfreich, sondern die Analysen wurden durch praktische Handlungsempfehlung ergänzt. Diese betrafen Themen wie eine frühe und ganzheitliche Förderung von Kindern und ihren Familien, statt sie als krank abzustempeln und ihnen Medikamente zu verschreiben; sowohl Schule als auch Sozialraum durch eine ganze Palette von Maßnahmen gesundheitsförderlicher und damit gerechter zu gestalten; die vielfältigen Auswirkungen von Zeitmangeln, Zeitdisparitäten und Zeitkonflikte auf Gesundheit und Gesundheitsförderung wirksamer zu beachten sowie Armut und prekäre Lebenslagen zu überwinden.

Damit zeigte sich, dass Gesundheit und Gesundheitsförderung viel mehr Lebensbereiche als nur Ernährung und Bewegung durchdringen. Diese Erkenntnis impliziert ein neues Miteinander statt Nebeneinander der Leistungserbringungs- und Hilfesysteme, das weitreichende Konsequenzen für die Organisation von Gesundheitsförderung mit sich bringt. Der wissenschaftliche Beirat skizzierte die Eckpunktes eines solchen neuen Gesundheitsförderkonzeptes.

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates waren:
Dr. Giselind Berg, Berlin School of Public Health an der Charité
• Prof. Dr. Peter Kaiser, Universität Vechta
• Prof. Dr. Heiner Keupp, LMU München (em.)
• Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Justus-Liebig-Universität, Giessen
• Prof. Dr. Barbara Thiessen, Hochschule Landshut
• Prof. Dr. Gerhard Trabert,  Hochschule RheinMain in Wiesbaden
Dr. Helga Zeiher, Gesellschaft für Zeitpolitik

Zeit und Gesundheit – AG Bildung

Die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe Bildung verstehen Bildung im ganzheitlichen Sinn von Selbstkompetenz, Sozialkompetenz und Sachkompetenz als lebenslang andauernder Prozess, den es entsprechend zu fördern gilt. Es geht dabei nicht nur um die Verinnerlichung von Sach- und Fachinformationen, vielmehr umfasst Bildung das gesamte Lebensumfeld. Bildungsprozesse erfolgen zwar individuell, sind jedoch besonders erfolgreich, wenn sie in Resonanz mit dem unmittelbaren (Familie) sowie weiteren Umfeld (z. B. Kindergarten, Schule, außerschulische Bildungseinrichtungen, peer group, Community) stehen.

Zur Bearbeitung des Themas fassen die AG-Mitglieder aus ihrer jeweiligen spezifischen Sicht zentrale Punkte einer fach- und ressortübergreifenden Bildungs- und Gesundheitsförderung zusammen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Beteiligung (oder Partizipation) aller Mitglieder der Gesellschaft an ihrer Gestaltung. Ernst gemeinte Beteiligung ist nicht nur ein Lernprozess, sondern kann auch eine Erfahrung der Selbstwirksamkeit sein. Solche Erfahrungen sind für den Aufbau der Befähigung zu einer selbstbestimmten Lebensführung von grundlegender Bedeutung.

Im Arbeitsergebnis werden praxisnahe Elemente der Gesundheitsförderung in verschiedenen Bildungsorten und Lernwelten vorgestellt, um zukunftsweisende Verknüpfungen von Bildung und Gesundheitsförderung aufzuzeichnen. Darüber hinaus richtet die AG ihren Blick auch auf die Gesundheit der Familie als ganze. Hier spielen die Rahmenbedingungen für die gesellschaftliche Teilhabe aller Familien eine wichtige Rolle.

Die abschließenden Empfehlungen im letzten Abschnitt unterstreichen die Bedeutung von Teilhabe, niedrigschwelligen und ganzheitlichen Ansätzen und die Notwendigkeit, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese Prozesse ermöglichen.

Mit dem Arbeitsergebnis unterstützen die AG-Mitglieder die Politik, die pädagogische Praxis und nicht zuletzt die Familien. Unterstützungsstrukturen werden aufgezeigt bzw. deren Schaffung angeregt, um Familien zu befähigen, ihre Gesundheit zu fördern und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Mitglieder der AG Bildung waren:

•    Dr. Jürgen Blumenberg, Verein für Beziehungskompetenz
•    Andreas Engel, Bundeskonferenz für Erziehungsberatung
•    Larissa Giehl, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
•    Magda Göller, Verein für Beziehungskompetenz
•    Hans-Joachim Kluge, Deutscher Lehrerverband
•    Eike Möller, Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften
•    Hedi Wegener, Bundesverband Kindertagespflege
•    Dr. Verena Wittke,  AWO Bundesverband
•    Leonija Wuss, Sichtwechsel e.V. für gewaltfreie Medien

Zeit und Gesundheit – AG Sozialer Nahraum

Ausgehend von dem Grundsatzpapier des Bundesforums Familie „Gesundheit für alle“ und dem 13. Kinder- und Jugendbericht, die ein gesundes Aufwachsen und Leben in einem ganzheitlichen Sinne der WHO-Gesundheitsdefinition und der Ottawa-Charta auffassen und für eine umfassende Gesundheitsförderung in gemeinsamer Verantwortung aller eintreten, hat sich die Arbeitsgruppe „Sozialer Nahraum“ mit der Frage beschäftigt, welche spezifischen Aufgaben vor Ort zu leisten und welche Bedingungen nötig sind, um den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung ein gesundes Leben zu ermöglichen.

In der Präambel und den aufgezeigten Grundlagen für ein gesundes Aufwachsen und Leben werden diese Aufgaben und Bedingungen näher beschrieben. Sie sind sprachlich bewusst so formuliert, dass sie einen Wirklichkeitszustand ausdrücken, wohl wissend, dass dieser bei weitem nicht erreicht ist. Umso mehr werden sie als Forderungen und Zielsetzungen, die zu erreichen sind, verstanden.

Während ihrer Arbeit hat die Gruppe sechs Teilbereiche (Generationen, Gesundheit, Beteiligung und Teilhabe, Kommune, Bildung, Schutzfunktion), die ihr von besonderer Bedeutung erschienen, näher beleuchtet und dazu passende Projekte, Grundsatzpapiere und praktische Beispiele verschiedenster Herkunft zusammengestellt. So wird aufgezeigt, dass schon an vielen Stellen viel passiert und es an der Zeit ist, das vorhandene Wissen durch die politisch Verantwortlichen in einem gesamtgesellschaftlichen Konzept zu verankern und die Weichen für einen Prozess zu stellen, der Gesundheit in ihrer umfassenden Bedeutung fördert.

Mitglieder der AG Sozialer Nahraum waren:
•    Ines Albrecht-Engel, Gesellschaft für Geburtsvorbereitung
•    Rüdiger Bockhorst, Bertelsmann Stiftung
•    Gerhild Landeck, BAG Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien
•    Dr. Georg Ludwig, Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie
•    Marita Salewski, Deutsche Liga für das Kind
•    Dr. Carsten Wurst, Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin

Zeit und Gesundheit – AG Arbeitswelt

Vor dem Hintergrund aktueller Debatten über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf identifizierte die AG Arbeitswelt den Blick auf individuelle Familien als eine hilfreiche Ergänzung zu globalen Ansätzen. Aus diesem Grund legte sie ihren Fokus auf die Welt der Familienarbeit oder – anders ausgedrückt – Familie als Arbeitswelt. Indem gefragt wurde, wie Familienmitglieder ihren Verpflichtungsbalancen gerecht werden und wie sie gemeinsame Familienzeit wahrnehmen, wurde das Verständnis des komplexen Zusammenspiels von Erwerbs- und Familienarbeit vertieft. Zugleich konnten so die Bereiche aufgezeigt werden, in denen Handlungsbedarf besteht.

Die AG Arbeitswelt entschied sich dafür, Interviews mit Menschen mit Familienverantwortung zu führen. Ausgehend von der rapide steigenden Zahl psychischer Erkrankungen (z. B. Depression, Burn-out) unter Arbeitnehmenden lag der Schwerpunkt der Interviews darauf herauszufinden, welche Be- und Entlastungen bei der Familienarbeit entstehen. Die Zeit erweist sich als wichtiger Faktor: nicht nur als begrenzte Ressource, sondern auch als Taktgeber, der zwischen Institutionen variiert, und als Zeitgefühl, das sich zwischen Familienmitgliedern unterscheidet. Die vorgestellten Fallbeispiele liefern tiefere Einblicke in den Alltag von Familien und ihren Umgang mit dieser kostbaren Ressource. Individuelle Unterstützungsbedarfe werden sichtbar, aber auch Bewältigungsstrategien, die vielleicht außerhalb der Welt der Familienarbeit relevant sind.

Mitglieder der AG Arbeitswelt waren:

•    Franziska Becker, Systemische Gesellschaft
•    Kristin Ideler,  ver.di
•    Margot Jäger, Deutscher Caritasverband
•    Matthias Lindner, ver.di
•    Johanna Possinger, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge