Netzwerktreffen am 22. November 2021: Abschluss der Themenperiode „Familie, Wohnen und Kommunale Infrastruktur“, Beiratswahl und Wahl des Schwerpunktthemas 2022/23

Berlin, 22.11.2021 | Über 40 Teilnehmende aus den Mitgliedsorganisationen des Bundesforums Familie kamen am 22. November 2021 im Festsaal der Stadtmission am Hauptbahnhof zusammen. Inhalt des Netzwerktreffens war der Abschluss der Themenperiode 2020/21 sowie die Wahl des Schwerpunktthemas für 2022/23 und die Wahl eines neuen Beirats.

Wrap-Up der Themenperiode „Familie, Wohnen und Kommunale Infrastruktur“

Laura Block eröffnete den Rückblick und resümierte, dass sich in der vergangenen Themenperiode deutlich gezeigt habe, von wie großer und vielschichtiger Relevanz die Wohnungsfrage für familiäre Lebenswelten sei. Leider würde dies von politischer Seite zu oft nicht als Familienthema wahrgenommen werden. Im Laufe der Themenperiode konnte das Bundesforum Familie mit verschiedensten Veranstaltungsformaten zu einem fruchtbaren fachlichen Austausch zur Identifikation von Handlungsschwerpunkten sowie Lösungsansätzen beitragen. Die Ergebnisse des zweijährigen, gemeinsam gestalteten Prozesses würden Anfang des nächsten Jahres Form einer Publikation veröffentlicht und an alle Mitgliedsorganisationen verschickt werden.

„Was sind die drängendsten Zukunftsfragen für Familien in Bezug auf Wohnen & kommunale Infrastruktur?“ Diese zukunftsgewandte Frage wurde nun als Eisbrecher in einer kleinen Podiumsrunde an Ulrike Gebelein (Diakonie Deutschland), Silke Raab (DGB Bundesvorstand), Lisa Sommer (Zukunftsforum Familie) und Dörthe Gatermann (Deutscher Verein) gestellt.

Ulrike Gebelein nannte in ihrer Antwort drei dringende Aspekte: Erstens sei es von immenser Wichtigkeit, dafür zu sorgen, dass der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen nicht weiter eskaliere. Dieses Problem betreffe Familien insbesondere im Niedriglohnsektor, aber zunehmend auch im Mittelstand, hier vor allem Mehrkindfamilien und Alleinerziehende. Als zweites betonte Gebelein, dass man den ländlichen Raum dringend im Blick behalten müsse. Allzu oft beschränke sich die Wohnungsfrage und ihre Lösungsansätze auf die Ballungsräume. Eine dritte Entwicklung, die weiterhin bearbeitet werden müsse, sei die steigende Gefahr, als Familie wohnungslos zu werden. Lisa Sommer schloss sich ihrer Vorrednerin an und betonte, dass Wohnen als existentielles Grundbedürfnis immer schwerer zugänglich sei. Neben der finanziellen Lage von Familien sei es die sozialräumliche Trennung, mit der eine Vielfalt von Benachteiligungen einhergehe. Es brauche effektive Wege, Folgen der sozialen Segregation abzubauen, etwa durch Bildungs- und Betreuungsprogramme. Silke Raab betonte die Wichtigkeit des Themas aus gewerkschaftlicher Sicht. Arbeitszeitverkürzungen und Lohnerhöhungen seien für Arbeitnehmer*innen kein Gewinn, wenn das Mehr an Zeit in Pendelzeit und der höhere Lohn in Miete und Pendelkosten fließen würden. Es brauche dringend bessere gesetzliche Rahmenbedingungen, um bezahlbaren Wohnraum in Arbeitsplatznähe zu ermöglichen. Der letzte Impuls aus den Mitgliedsorganisationen war ein Statement von Dörthe Gatermann; sie betonte darin die Wichtigkeit von niedrigschwellig erreichbaren Beratungsangeboten auf kommunaler Ebene (z.B. Familienbüros). Diese würden als „freiwillige“ Leistungen der Kommunen oft zu kurz kommen. Der Deutsche Verein setze sich daher als Arbeitsvorhaben für 2022 thematisch die Förderung und Verstetigung von Angebotsstrukturen, wobei Gatermann insbesondere auf die Fachtagung des Deutschen Vereins im kommenden Jahr verwies.

Anschließend an die Inputs wurden in einer Diskussion im Plenum weiterführende Aspekte und Fragen thematisiert, darunter: Quartiersentwicklung, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, innovative und gemeinschaftliche Wohnkonzepte, Infrastruktur vor Ort, Wohnungsgemeinnützigkeit und Gewinnbeschränkung. Die Wohnungsfrage und der Ausbau kommunaler Infrastruktur für Familien werde, so die Einschätzung in der Runde, mittlerweile zunehmend als drängendes Thema erkannt, nun gehe es aber um die politische Gestaltung von Lösungen. Auch diesbezüglich werde der Koalitionsvertrag mit Spannung erwartet. Die bald erscheinende Publikation zur Themenperiode könne, so Laura Block, den Mitgliedsorganisationen als Informations- und Argumentationsgrundlage für die weitere eigene Arbeit an dem Thema dienen.

 

Wahl des Beirats

Nächster wichtiger Punkt auf der Tagesordnung war die Wahl von fünf Personen aus den Reihen der Mitgliedsorganisationen in den Beirat des Bundesforums Familie. Der insgesamt zehnköpfige Beirat besteht neben diesen fünf Personen aus fünf weiteren durch die AGF berufenen Personen. Der Beirat begleitet die Arbeit des Bundesforums inhaltlich und methodisch und unterstützt die Rückkopplung der Arbeit in die Fachöffentlichkeit.

Von den 15 Kandidat*innen wurden gewählt: Sandra Clauß (Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter), Anna Gerwinat (Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern), Astrid Hollmann (dbb beamtenbund und tarifunion), Silke Raab (DGB Bundesvorstand) sowie Martin Rosowski (Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland). Zusätzlich durch die AGF in den Beirat nominiert werden Prof. Dr. Donja Amirpur (Hochschule Niederrhein), Dr. Christina Boll (Deutsches Jugendinstitut), Prof. Dr. Paul Mecheril (Universität Bielefeld) sowie Dr. Thomas Metker (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Zudem ist ein Platz im Beirat für den Vorsitz des Familienausschusses des Deutschen Bundestages reserviert, der jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht.

Laura Block gratulierte dem frisch gewählten Beirat und dankte den zahlreichen Kandidat*innen für ihr Interesse und ihre Bereitschaft, sich im Beirat einzubringen. Auch bedankte sich Laura Block im Namen des gesamten Bundesforums Familie sehr herzlich bei den scheidenden Beiratsmitgliedern für ihr langjähriges Engagement.

Wahl des Schwerpunktthemas für 2022/23

„Nach dem Thema ist vor dem Thema!“ – war das Motto des letzten Tagesordnungs-Punktes. Im Vorfeld waren 60 Themenvorschläge eingereicht worden. Diese Vielzahl durch den Beirat im Vorfeld des Netzwerktreffens auf folgende vier Bereiche zugespitzt: 1. „Zukunft der Sorgearbeit“, 2. „Elternschaft 2030? Zukunft der Familie. Rechtliche und soziale Aspekte neuer Familienkonstellationen“, 3. „Konflikte, Gewalt und Schutz in Familien“ und 4. „Empowerment durch Unterstützungsstrukturen: Zugänge schaffen und Familien stärken“.

Die jeweiligen Vorschläge wurden in Kleingruppen von Themenpat*innen aus den Mitgliedsorganisationen vorgestellt und im Rundlauf diskutiert. Die anschließende Wahl fiel mit deutlicher Mehrheit auf das Thema: „Empowerment durch Unterstützungsstrukturen: Zugänge schaffen und Familien stärken.“ Hervorgehoben wurde, dass der Zugang zu materiellen und sozialen Ressourcen in Deutschland nach wie vor ungerecht verteilt ist. So haben unter anderem Familien mit niedrigen Einkommen keine gleichen Chancen auf Teilhabe an Bildung, Wohnraum oder Gesundheit. Mit diesem Schwerpunkt werden auch Themen aufgegriffen, die bereits in der Themenperiode „Familie und Inklusion“ (2013-2015) angesprochen wurden, als das Bundesforum unterschiedliche Formen der Exklusion von Familien identifizierte. In den nächsten zwei Jahren werden vor allem Unterstützungsmöglichkeiten in der Erziehungs- und Bildungsarbeit angesprochen, die gerade belastete Familien adressieren, jedoch oft unbekannt oder zu wenig zugänglich sind: Wie werden Eltern in die Lage versetzt, Unterstützungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen? Wie werden Akteur*innen in Bildungs- und Betreuungsinstitutionen in die Lage versetzt, die Potenziale und Unterstützungsbedarfe von Eltern zu sehen und sie bei der Erziehung ihrer Kinder auf Augenhöhe zu unterstützen? Welche Rolle könnte dabei auch eine zunehmende Digitalisierung der Unterstützungsstrukturen spielen? Diese sowie weitere Fragen in dem Themenbereich hätten, so der Tenor der Diskussionsrunden, in der Pandemie weiter an Relevanz gewonnen und seien sowohl sehr praxisorientiert, als auch dazu geeignet, die Arbeit der Mitgliedsorganisationen zu reflektieren. Die Themenwahl greift damit auch die Handlungsempfehlung des Neunten Familienberichts auf, Eltern bei der Erziehungs- und Bildungsarbeit zu unterstützen.

Im nächsten Schritt werden die zahlreichen Anregungen aus der Diskussion dazu genutzt, in Abstimmung mit dem neuen Beirat einen spannenden Fahrplan für die neue Themenperiode zu entwerfen.