Dokumentation zum Impulsworkshop am 10.09.2025: „Who cares? Gender, Care und Klimaschutz in der Familie“

Die Verteilung von Sorgearbeit in der Familie ist eng mit Geschlechterrollen und -bildern verknüpft. Wie sieht es aber mit der Sorge um das Klima aus? Inwiefern hängen Genderrollen und Klimaschutz miteinander zusammen und wie kann dem Klimawandel aus Geschlechterperspektive gerecht begegnet werden? Zu diesem Thema kamen im letzten Online-Impulsworkshop des Bundesforums Familie in der Themenperiode „Familien und Klima“ rund 25 Teilnehmende aus den Mitgliedsorganisationen zusammen.

Gotelind Alber, Mitbegründerin des Netzwerks GenderCC – Women for Climate Justice und Expertin für nachhaltige Energie- und Klimapolitik mit besonderem Schwerpunkt auf Genderfragen, gab einen umfassenden Einblick in das Wissen und die Datenlage zu Gender und Klima. Sie zeigte auf, wie politische Maßnahmen und Strukturen verändert werden müssten, um Gender- und Klimapolitik zusammen zu denken.

Impulsvortrag: Who Cares? Gender, Care und Klimaschutz in der Familie

Gotelind Alber stellte einleitend fest, dass das Thema „Gender und Klima“ in der gesellschaftlichen Debatte bisher nur marginal wahrgenommen werde. Umfangreiches Wissen über Zusammenhänge von Gender und Klima sei jedoch vorhanden. So zeigten zahlreiche Umfragen des Bundesumweltamtes deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in den Einstellungen zur Umwelt  und  im Umweltverhalten, zum Beispiel im Energieverbrauch, Mobilitäts- und Konsumverhalten und bei der Ernährung. Geschlechtsspezifische Vulnerabilitäten gegenüber Klimawandelfolgen seien auch belegt: So gebe es zum Beispiel im globalen Süden mehr weibliche als männliche Todesopfer bei extremen Wetterereignissen, während im globalen Norden bei Extremwetterereignissen Männer stärker betroffen seien, beispielsweise durch Einsätze im Katastrophenschutz.

Neben dem individuellen CO2-Fußabdruck seien auch die individuellen Handlungsmöglichkeiten geschlechtsspezifisch verschieden und die Geschlechter auch unterschiedlich von den Folgen der Klimapolitik betroffen. Daten belegten weiterhin eine deutliche Unterrepräsentanz von Frauen im Sektor Energie, Verkehr und Bauwesen und Landwirtschaft, vor allem auf der praktischen Umsetzungsebene.
Aus der vorhandenen Datenlage ließe sich schließen, so Gotelind Alber, dass Gender für alle Aspekte des Klimawandels relevant sei: für den Beitrag als Verursacher*innen des Klimawandels, für Auswirkungen des Klimawandels sowie für die individuellen Handlungsmöglichkeiten. Gender sollte daher als Kriterium bei der Entscheidung über klimapolitische Maßnahmen eine Rolle spielen.

Care-Arbeit und Klima

Der Klimawandel führe tendenziell zu mehr Care-Arbeit, zum Beispiel durch mehr Pflegebedarf älterer Angehöriger bei Hitzewellen oder Aufräumarbeiten nach Extremwetterereignissen. Aufgrund des Gender Care Gaps seien von dieser Mehrbelastung deutlich mehr Frauen als Männer betroffen. Zudem könnten auch klimapolitische Maßnahmen für Sorgearbeitende eine zusätzliche Belastung darstellen, zum Beispiel durch Mehraufwand durch den Einkauf ökologischer Lebensmittel.

Umgekehrt sei jedoch der Einfluss von Care-Arbeit leistenden auf den CO2-Fußabdruck relevant. Wie Daten im vierten Gleichstellungsbericht zeigten, wendeten Frauen deutlich mehr Zeit für Hausarbeit (Kochen, Haushalt, Putzen, Betreuung, Ernährung) auf. Auch die für die Betreuung von Haushaltsangehörigen notwendige Mobilität werde mehrheitlich von Frauen umgesetzt. Dies sollte in der Klimapolitik mitbetrachtet werden.

Handlungsfelder der Klimapolitik aus Genderperspektive

Gotelind Alber erläuterte, dass verschiedene Studien einen Gender Eco Gap belegten, der durch Geschlechterrollenbilder und gesellschaftliche Normen geprägt sei: Frauen seien hinsichtlich Umwelt und Klimawandel deutlich besorgter, Männer neigten hingegen tendenziell eher zu Klimaskepsis. Frauen zeigten zudem eine höhere Bereitschaft für eigene Lösungsbeiträge und Verhaltensänderungen.
Dies wirke sich auch auf zentrale Klima-Handlungsfelder aus: Bei Männern zeige sich weniger Interesse und Bereitschaft zu nachhaltigem Konsumverhalten. So hätten Männer beispielsweise einen doppelt so hohen Fleischkonsum wie Frauen, was Gotelind Alber zufolge u. a. mit traditionellen Männlichkeitsidealen in Verbindung zu bringen sei.

Auch bei der Betrachtung der Daten zur Mobilität und Verkehrsverhalten seien geschlechtsspezifische Unterschiede zu erkennen. Erkennbar sei, dass vorhandenen Normen wie die Verbindung von Maskulinität und Motorisierung bei Männern zu einem klimaschädlichen Mobilitätsverhalten führe. Weiterhin sei bekannt, dass Frauen durch die Übernahme von Care-Arbeit komplexere Wegeketten nutzten, Arbeitsorte eher wohnortnah wählten und kürzere Pendelstrecken als Männer hätten, dafür aber umweltfreundlichere Mobilitätsangebote nutzten.

Über die Zeit sei zwar eine Angleichung unter den Geschlechtern bei jüngeren Menschen zu erkennen, jedoch mit der Tendenz zu einer Retraditionalisierung in der Familienphase. Durch vermehrte Verantwortungsübernahme von Frauen im Privaten werde oftmals eine „Feminisierung der Umweltverantwortung“ abgeleitet, die die Sorge um die Umwelt als weiblich konnotiertes Aufgabenfeld deute. Gotelind Alber wies darauf hin, dass hier die Grenzen individueller Handlungsmöglichkeiten deutlich würden und stattdessen strukturelle Ungleichheiten in den Blick genommen werden müssten.

Gotelind Alber betonte, dass hier ein Umdenken stattfinden müsse. Denn der Ausbau von ÖPNV-Infrastrukturen und -services orientiere sich bisher eher an Mobilitätsbedarfen männlicher Erwerbsarbeit und weniger von Care-Arbeit. Ungleich verteilt seien auch die Folgen von Luft- und Lärmbelastungen, denen Frauen durch die Nutzung von Fahrrad- und Fußverkehr vermehrt ausgesetzt seien.

Beim Bereich Wohnen und Energie verwies Gotelind Alber auf ein wachsendes Ungleichgewicht in der geschlechtsspezifischen Verteilung. Frauen seien im Energieverbrauch insgesamt sparsamer, demgegenüber stehe aber ein höherer Wärmebedarf. Durch die längere Aufenthaltsdauer in Wohnungen durch mehr Care-Arbeit steigere sich damit auch die Gefahr der Energiearmut bei Frauen, von der vor allem Alleinerziehende und Rentnerinnen betroffen seien. Diese Gruppen seien auch als Mieterinnen in schlecht gedämmtem Wohnbestand durch Kostensteigerungen durch energetische Sanierungen besonders belastet. Mit einem Blick auf die internationale Ebene lasse sich feststellen, dass vor allem Frauen im globalen Süden unter den negativen Folgen von Rohstoffabbau und Energieproduktion litten, so Gotelind Alber.

Genderdimensionen der Klimapolitik

Gotelind Alber betonte, eine Genderperspektive sei in der Klimapolitik  relevant, um den Blick dafür zu stärken, ob und wie die symbolische Ordnung, Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern und Geschlechternormen durch (klima-)politische Maßnahmen aufrechterhalten oder hinterfragt würden. Dazu werde das Instrument des Gender Impact Assessment genutzt, das auch als ein Familien Impact Assessment ausgeweitet werden könne, schlug Alber vor. Dieses diene dazu, die Auswirkungen klimapolitischer Maßnahmen auf das Geschlechterverhältnis zu überprüfen, um negative Folgen zu minimieren und positive zu maximieren sowie Geschlechternormen und –rollen und männliche Privilegien infrage zu stellen. Unterstützend müssten institutionelle Rahmenbedingungen und Ansätze verändert werden, um die Präferenzen und Ansätze von Frauen besser zu integrieren.

Beim Aspekt der Care-Ökonomie sei relevant, wie Politik die Anerkennung von Care-Arbeit und deren Wert für die Gesellschaft unterstütze. Zentrale Fragen zur Bewertung politischer Maßnahmen seien: Sorgt die Politik für Entlastung für den Aufwand von Care-Arbeit? Trägt die Politik zur Umverteilung der Care-Arbeit bei? Und wie wirkt sich die Verteilung von Care-Arbeit auf das private und öffentlichen Leben aus? Partizipation und Gleichstellungsmacht werde auch von Genderwissen geprägt: was wird zugänglich, was wird priorisiert? Ein weiterer kurzer Überblick skizzierte Genderdimensionen in der Erwerbsökonomie, Fragen nach Repräsentation und Partizipation von Frauen in der Politik sowie Fragen nach der Beteiligung und Gestaltungsmacht von Frauen. Weiterhin sei von Relevanz, wie zugänglich öffentliche Ressourcen für Frauen seien, ob öffentliche Infrastruktur bereitgestellt und ausgerichtet sei auf die Bedürfnisse von Frauen oder wie der öffentliche Raum gerechter verteilt und zugänglich werden könne.

Klimapolitik in Deutschland

Zusammenfassend werde Gender bisher sowohl auf nationaler als auch auf kommunaler Ebene wenig in der Klimapolitik berücksichtigt. Auf internationaler Ebene sei die Verbindung beider Themen mittlerweile hingegen etabliert. Die bisherige nationale Klimapolitik ziele eher auf technologieorientierte ökologische Modernisierung ohne Berücksichtigung struktureller Ungerechtigkeiten oder ein Hinterfragen von Wachstum. Feministische Ansätze und Gender-Teams seien nur marginal vertreten. Dennoch enthalte der vierte Gleichstellungsbericht wichtige Forderungen zu geschlechtergerechter ökologischer Transformation. Darüber hinaus existierten auf kommunaler Ebene einzelne Forschungs- und Pilotprojekte zu Gender und kommunaler Klimapolitik und es bestehe ein wachsendes Interesse der Gleichstellungsbeauftragten und Frauenverbände an Klima sowie ein wachsendes Interesse in der Zivilgesellschaft daran, Klimamaßnahmen gendergerecht zu gestalten.
Es existierte jedoch auch eine „petromaskuline“ Gegenbewegung. Petromaskulinität konzentriere sich dabei auf drei wesentliche Faktoren: traditionelle fossile Energien und Leugnung des Klimawandels, Abwesenheit von Gendergerechtigkeit sowie eine autoritäre Orientierung. Gotelind Alber forderte daher, Gender müsse in (klima)politische Zielsetzungen aufgenommen werden: Die Politikbereiche Klimaschutz und Gleichstellung sollten zu stärkerer Kooperationen aufgerufen werden. Darüber hinaus müsse die Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen erhöht und eine Genderexpertise aufgebaut und einbezogen und die Zusammenarbeit zwischen Klimaschutzbeauftragten und den Gleichstellungsstellen verbessert und intensiviert werden. Ein wichtiges Instrument sei das vorher erwähnte Gender Impact Assessment, um Maßnahmen geschlechtergerecht zu gestalten. Dazu sei es notwendig, die Datenlage zu geschlechtsspezifischen Unterschieden zu verbessern und Geschlechtergerechtigkeit auch bei Fördermaßnahmen der Klimapolitik zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung von Gender müsse sich zudem im Klimamonitoring, der Klimapolitik und im Gender Budgeting widerspiegeln. Klimapolitik insgesamt solle sich stärker auf die gesellschaftliche und soziale Transformation ausrichten.

Abschließend skizzierte Gotelind Alber einige spezifische Empfehlungen zu Care und Klima, die dazu beitragen könnten, dass Care-Arbeit nicht als weiblich konnotierte Aufgabe gewertet werde, sondern allen Geschlechtern zugeordnet werden könne. So nannte sie Arbeitszeitverkürzung als Voraussetzung für gerechtere Aufteilung der Sorgearbeit. Der Ausbau von Gemeinschaftsverpflegung könnte ebenso dazu beitragen, mehr Gleichberechtigung in der Care-Arbeit zu schaffen. Sie plädierte für ein staatliches Label für umweltfreundliche, gesunde und tierfreundliche Produkte sowie für die Einführung von Mindeststandards für Energieeffizienz, da solche Maßnahmen die Last der Entscheidung für umweltfreundliche Alternativen verringerten. Weiterhin brauche es eine Verringerung des erwerbsorientiertem Verkehrs und eine stärkere Berücksichtigung von Care-Bedarfen in der ÖPNV-Infrastruktur sowie bei der Förderung der Sharing Angebote (z. B. die Mitnahme von Kindern oder Einkäufen). Zum Abbau und zur Bekämpfung von Energiearmut sollten Alber zufolge ein Klimasozialplan sowie gendersensible Energieberatungsprogramme entwickelt werden. 

Impulsvortrag: Bremswirkung herrschender Männlichkeitsbilder

Dr. Dag Schölper, Geschäftsführer des Bundesforums Männer, kommentierte den Vortrag von Gotelind Alber in dem er sowohl Bremswirkung als auch Hebelwirkungen herrschender Männlichkeitsbilder in der Gesellschaft mit Blick auf die Verteilung von Care-Arbeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel beschrieb. Er sah aus Gleichstellungsperspektive das Erreichen einer 50/50 Verteilung zwischen den Geschlechtern von (bezahlter) Erwerbsarbeit und (unbezahlter) Haus- und Familienarbeit als Zielstellung. Problematisch sei jedoch, dass politisch nicht alle dafür notwendigen Hebel genutzt würden.
Ziel der Gleichstellungspolitik müsse sein, eine Förderung von Frauen in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. Zudem müsste es eine bessere Unterstützung geben, damit Männer vermehrt Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen. Es brauche eine Förderung von Maßnahmen und Rahmenbedingungen, damit Frauen Care-Arbeit an ihre Partner abgeben könnten und gleichzeitig müsste die Übernahme von Care-Aufgaben durch Männer durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden (z. B. Lohngestaltung, Anreize, Vorbilder in Arbeitswelt und Politik).
Durch ein Verständnis von Männlichkeit als Leitbild und Norm, das oft als Symbol von Unabhängigkeit, Leistungsorientierung und Erwerbsarbeit verstanden werde, verenge sich der Handlungsspielraum für Männer, Care-Arbeit zu übernehmen. Die Folgen seien, dass tradierte Rollenvorstellungen sich im Alltag, in der Arbeitswelt und Politik verankerten, wodurch Vertrauen in eine geteilte Care-Arbeit sinke. Als Beispiel nannte Schölper ein Bild von Männlichkeit, das Autofahren, Technik oder egozentrische Konsumentscheidungen präferiere. Der Fokus liege daher auf Männlichkeit als sozialem Konstrukt, was beinhalte, dass Geschlechterrollen sozial konstruiert und dadurch auch veränderbar seien. 

Perspektiven zur Fürsorge

Dag Schölper wies auf die Relevanz von Fürsorge und Verantwortungsübernahme für das Gemeinwohl hin.  Männer sollten in der Erziehung präsenter sein, um das Kümmern und Trösten zu übernehmen und zu erleben. Denn wer eigene Bedürfnisse wahrnehmen könne, sei tendenziell empathischer. Sorge bedeute dabei auch, auf das Gemeinwohl zu schauen. Die aktuelle Realität zeige hingegen eine Abnahme männlicher Sorgepraxis. Zwar sei die Inanspruchnahme von Elterngeld zwischen 2016 bis 2022 auf niedrigem Niveau gestiegen. Bei der Inanspruchnahme und dem zeitlichen Umfang von Elternzeit zeige sich jedoch nach wie vor ein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern. Familien entschieden sich auch durch finanziellen Druck für die klassische Rollenverteilung, so Schölper weiter.

Appelle reichten für eine Veränderung der Situation nicht aus. Vielmehr sollten Erkenntnisse wie aus dem Väterreport 2023 zu verschiedenen Vätertypen genutzt werden, um Bedürfnisse zu ermitteln und herauszufinden, welche Gruppen wie anzusprechen seien. Dabei gehe es konkret darum, progressive Einstellungen politisch zu unterstützen und konservative oder regressive Einstellungen durch politische Öffnungs- und/oder Begrenzungsmaßnahmen zu beantworten. Umfragewerte unter Vätern zeigten, dass Bewusstsein für Gleichberechtigung und Care mit dem Alter steige und zunehmend in der Verantwortung der Arbeitgeber gesehen werde. 

In der Frage von Klimaschutz zeige sich, so Dag Schölper, dass die Reproduktion von klischeehaften Bildern Nachhaltigkeitsfragen ausblende. Gesellschaftliche Narrative über Männlichkeit mit einem Fokus auf fleischlastiger Ernährung, Auto-Kultur oder Motorräder als Hobby verstärkten demnach klimaschädliche Muster. Bilder von Maskulinität würden oft mit Unabhängigkeit, Mobilität und Schnelligkeit assoziiert, was nachhaltige Verhaltensänderungen erschwere. Es gelte also, zunehmend Nachhaltigkeit und Männlichkeit zusammen zu adressieren. In diesem Zusammenhang entsprächen Forderungen nach der Freistellung für Väter nach der Geburt („Familienstartzeit reloaded“), einer gleichmäßig verteilten Elternzeit zwischen Müttern und Vätern sowie der Einführung einer Lohnersatzleistung für Pflege nicht nur einer Förderung von Gleichstellung, sondern auch von Nachhaltigkeit. Durch Übernahme von mehr Verantwortung in der Sorgearbeit könnten stereotype Männlichkeitsbilder erweitert und der Blick für Sorgearbeit und Umweltverantwortung geweitet werden.

Impulsvortrag: Handlungsmöglichkeiten gendergerechter Klimapolitik

Monika von Palubicki, Sonderbeauftragte des Deutschen Frauenrats für das Politikfeld Klimaschutz, kommentierte den Vortrag von Gotelind Alber aus der Perspektive eines Frauenverbands.
Sie betonte, das sich bereits viele Frauenverbände mit Umwelt- und Klimafragen im Zusammenhang mit Sorgearbeit und Gleichstellungsfragen beschäftigt hätten. Ziel müsse es zum einen sein, Optimismus zu bewahren und zum anderen Verantwortung zu übernehmen. Trotz einer Politik, die bei Klimaschutz und Gleichstellung Rückschritte zu machen drohe, sollten Ziele definiert werden und diese Schritt für Schritt umgesetzt werden. 
Sie betonte zunächst, dass zu Gleichstellung und Klimaschutz bereits einiges erreicht worden sei. So habe der Deutsche Frauenrat 2021-2023 einen Fachausschuss Klimaschutz gebildet, der unter dem Titel „Klimaschutz geht alle an!“ ein Positionspapier entwickelt habe, das die Zusammenhänge zwischen Einkommen, Klimaschutz und Care-Arbeit erörtere.  Auch habe der vierte Gleichstellungsbericht verschiedene Themen aufgegriffen. Mit einem Fokus auf die Fragen von Mobilität habe dieser gezeigt, wie Frauen durch die CO2-Bepreisung bei Care-Arbeit finanziell stärker belastet seien.

Monika von Palubicki betonte die Bedeutung von Vernetzung und nannte als Beispiel die Klima-Allianz Deutschland, in der sich bisher über 150 Verbände zusammengeschlossen hätten. Ein breites Spektrum von u. a. Umwelt- und Naturschutzverbände, Kirchen, Hilfsorganisationen und Gewerkschaften beschäftige sich hier bereits mit Klimaschutz, Hitzeschutz und Care-Arbeit. Auf Initiative des Deutschen Frauenrats und der Bundesstiftung Gleichstellung sei dort kürzlich eine Gender-AG eingerichtet worden.

Als entscheidend nannte Monika von Palubicki die Bildungsarbeit. Diese werde bereits von verschiedenen Verbänden umgesetzt. Beispielsweise arbeiteten Gewerkschaften an Programmen, um Transformation und Gleichstellung miteinander in Verbindung zu bringen. Auch auf kommunaler Ebene gebe es Zusammenarbeit zwischen Gleichstellungs- und Klimaschutzbeauftragten, wie Konzepte in Kommunen (z. B. in Bochum und Berlin zur Umgestaltung von Straßenzügen hin zu mehr Familienfreundlichkeit) zeigten.

Monika von Palubicki rief dazu auf, ins Handeln zu kommen und auch „im falschen System das Richtige zu tun“. Beispiele seien Change Clubs, die Aktion Gutes Klima, plattform n oder auch Basisgruppen in Kirchen, Stadtteilen oder Kommunen. Auch sei Engagement durch Teilnahmen an Demonstrationen möglich. Es gebe genügend Beispiele, wie sich eigene Alltagsroutinen ändern ließen und Mobilität, Ernährung und Konsum einen eigenen Beitrag leisteten. Sinnvoll sei es, in kleinen Schritten voranzugehen und positive Erfahrungen mit anderen zu teilen. Um eine Sensibilisierung für Care-Arbeit der Frauen zu erreichen, sei zum Beispiel das Spiel „Gleich gewinnt“ von der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) entwickelt worden, das in Form von Personas versuche, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen Zeit und Geld verschiedene Bedürfnisse und Verpflichtungen zu erfüllen. Weiterhin biete auch die Lebenskarte, entwickelt vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, die Möglichkeit zu verstehen, wie Care-Arbeit Biografien verändere. Weiterhin wies von Palubicki auf Untersuchungen hin, die zeigten, dass bei Protestbewegungen in den letzten 100 Jahren der gewaltfreie Widerstand von drei bis vier Prozent der Bevölkerung ausreichten, um einen Kipppunkt zur erreichen für politische Veränderungen in der Gesellschaft. Sie schloss ihren Beitrag mit einer Forderung nach neuen Arbeitsstrukturen. Die derzeitigen Betreuungsstrukturen reichten nicht aus für klimaschonendes Verhalten. Notwendig sei eine flexiblere Arbeitsgestaltung für Frauen und Männer.

Diskussion

In der folgenden Diskussion wurde gefragt, wie es möglich sei, durch strukturelle Veränderungen geschlechtsspezifische Einstellungen dahingehend zu verändern, mehr Bewusstsein für klimafreundliches Verhalten zu schaffen. Die Familie wurde als geeigneter Ort für die Diskussion über Haltungen und Einstellungen angesehen. Entscheidend sei, dabei anzuerkennen, wie groß der eigene ökologische Fußabdruck sei und eigene Veränderungen anzustreben. Dafür es gebe zahlreiche Möglichkeiten und die Familie sei ein Ort, in dem sich Verhaltensveränderungen bereits zügig festigen können.
Strukturelle und individuelle Handlungsmöglichkeiten sollten ausgeschöpft und Positives vorgelebt werden. Als Beispiel wurde das Klima-Bündnis genannt, welches Kampagnen für eine neue Mobilität mache und in die Familie hineintrage. Diese müsse mit entsprechender politischer Rahmensetzung auf kommunaler, Landes- und Bundesebene zusammen gehen. Betont wurde in diesem Zusammenhang, dass zwar durch individuelle Handlungen etwas verändert werden könne, jedoch individuelle Handlungsmöglichkeiten oft durch hindernde Strukturen begrenzt würden.

Generell wurde unterstrichen, dass mehr Austausch und Wissenstransfer zwischen den Kompetenz- und Politikbereichen Gender und Umwelt geschaffen werden müsste. Hierzu seien auch die Familienorganisationen als Unterstützung anzusehen. Hervorgehoben wurde, dass ein Zusammenschluss nach dem Vorbild des Bundesforums Familie von Umwelt- und Sozialverbänden, die gemeinsam in der Politik auftreten, begrüßenswert wäre. Beispiele wie ein Frauengeneralstreik in der Schweiz oder die Demonstrationen unter dem Motto „Hunderttausend Mütter“ zeigten, was durch Zusammenschlüsse bewirkt werden könnte.

Ein weiteres Thema der Diskussion war die Frage nach der Vereinbarkeit eines Sozialmonitorings Klimaschutz, welches soziale Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen vor Einführung prüfen und von der Ampelregierung eingeführt werden sollte, und eines Gender Impact Assessments, das die gleiche Prüfleistung im Hinblick auf Geschlechteraspekte erbringt. Sowohl für die Prüfung sozialer Aspekte als auch Belange von Gender und Familie sollten Energien gebündelt werden, um diese Aspekte auf Landes- und Bundesebene in die Klimapolitik einzubringen. Ebenso wurde zum Stand des Klimagelds diskutiert und die Notwendigkeit einer Entlastung einkommensschwacher Gruppen betont. Die Bedeutung eines Ausbaus von Infrastruktur wurde ebenfalls betont. So seien der Ausbau von ÖPNV-Infrastruktur und Fernwärme zentrale Instrumente, um es Familien zu ermöglichen ihren CO2-Abdruck zu senken.