Relativ früh im Projekt wurde festgestellt, dass die bisherige Wertedebatte einseitig und stark vereinfacht geführt wurde. Zu schnell werden Werte auf Tugenden reduziert, Erziehung auf Erziehungsdefizite beschränkt und Jugendliche mit Migrationshintergrund als Problem und nicht als Chance begriffen. Solche Behauptungen dürfen nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben.
Aus diesem Grund wurde das Wissenschaftscluster eingerichtet. In ihm hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen die Chance, eine differenzierte Perspektive in die öffentliche Wertedebatte einzubringen und Fragen zu diskutieren wie: Was sind eigentlich „Werte“? Warum wird gerade jetzt darüber gesprochen? Gibt es tatsächlich einen Werteverfall? Haben Menschen mit Migrationshintergrund wirklich andere Werte als Menschen ohne? Welche Rahmenbedingungen sind für den Aufbau einer Wertekompetenz nötig?
Arbeitsprogramm
Es war der Wunsch der Wissenschaftler/-innen, einen Text zu produzieren, der sowohl grundlegende Fragen zum Wertediskurs und zu Werten „an sich“ behandelt als auch in einem praktischen Teil konkrete Vorschläge macht für förderliche Bedingungen, um Werte zu leben und zu erleben. Der Text sollte zur Begriffsklärung in der öffentlichen Debatte beitragen, Anstöße zur kritischen Reflektion geben und, nicht zuletzt, der Praxis eine Hilfestellung für den Umgang mit Differenzen und Aufbau von Wertekompetenz anbieten. Tatsächlich entstanden zwei Dokumente: Die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung und das Buch „Vom Wert der Werte“.
Position beziehen – gesellschaftlichen Dialog gestalten. Berliner Erklärung zur wertorientierenden Erziehung
Das Wissenschaftscluster verfasste die Vorlage für die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung. Diese Vorlage wurde durch Diskussionen in der Steuerungsgruppe, im Kita-Cluster und im Cluster Familienbildung ergänzt und um eine Selbstverpflichtung erweitert.
Ausgelöst durch den sozialen Wandel der letzten 40 Jahre hat sich die Gesellschaft erheblich verändert. Emanzipationsbewegungen, Migration und soziale Ungleichheit sind einige Stichworte, die Aspekte dieses Wandels beschreiben. Deshalb braucht eine Gesellschaft Maßstäbe für soziales Handeln, die zugleich Grundlage für ihren Zusammenhalt und ihre Weiterentwicklung sind. Als unhintergehbarer Ausgangspunkt für einen Konsens über bestehende Grundwerte gilt die UN-Menschenrechtserklärung. In ihr fließen die Werte aus vielen Kulturen der Welt zusammen. Dazu gehören die Anerkennung der Menschenwürde, das demokratische Prinzip, Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit.
Das Bundesforum Familie erklärt, dass Werte nicht nur als abstrakte und theoretische Vorstellungen zu behandeln sind, sondern auch die Aspekte der Lebensführung und der Emotionalität enthalten. Deshalb kommt der Lebensgestaltung von Familien und insbesondere der Kinder selbst eine besondere Bedeutung zu. Kinder wachsen in öffentlicher Verantwortung auf; sämtliche Generationen tragen Mitverantwortung. Deswegen ist es für den Aufbau von Wertekompetenz nötig, Familien bei der Gestaltung der nötigen Rahmenbedingungen zu unterstützen sowie öffentliche Erfahrungs- und Bildungsräume entsprechend zu gestalten.
Konkret fordert das Bundesforum Familie dazu auf, Position zu beziehen und den gesellschaftlichen Dialog zu gestalten:
• Wo die Würde von Menschen missachtet oder infrage gestellt wird, brauchen wir den Mut zum Nein-Sagen.
• Familien müssen darin unterstützt werden, ihre eigenen Werte zu reflektieren und für ihre Kinder einsichtig zu machen.
• Die kulturelle Diversität und religiöse Vielfalt in Tageseinrichtungen für Kinder und Einrichtungen der Familienbildung und Beratung müssen vor Ort gefördert und gestärkt werden.
• Familien als auch pädagogische Fachkräfte brauchen „Raum“, in dem sie sich ihre eigenen Werte bewusst machen und sich darüber austauschen können.
• Mangelnde Ressourcen in Familien können nicht durch wertorientierende Erziehung ersetzt werden. Deshalb sind ausreichende finanzielle und räumliche Ressourcen für ein gutes Familienleben unabdingbar.
„Kinder brauchen Werte“ ist somit eine Aufforderung an die Erwachsenen, Kindern Werte vorzuleben. Kinder und Familien müssen in ihrem gesunden Selbstvertrauen gestärkt werden, denn Werte spielen in ihrem Alltag sehr wohl eine Rolle.
Das Ergebnis: Die Berliner Erklärung zur werteorientierten Erziehung.
Vom Wert der Werte
Das Buch ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Wertedebatte, der nicht nur die Definition und Bedeutung der Werte aus verschiedenen Disziplinen erleuchtet, sondern auch praxisorientierte Hinweise zum Aufbau von Wertekompetenz enthält. Verlag ist der Medienpartner des Projektes, Family Media.
Das Buch stellt das Ergebnis einer breiten interdisziplinären Diskussion dar. Deutlich wurde dabei stets, dass über Werte nicht gesprochen werden kann, wenn nicht gleichzeitig auch gesellschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse in den Blick genommen werden. Diese doppelte Perspektive einer „Problematisierung der Problematisierung“ ist eine Leitidee der Ausführungen.
Zunächst wird danach gefragt, warum gegenwärtig so viel über Werte gesprochen wird. Im zweiten Schritt wird aus interdisziplinären Perspektiven die Frage beantwortet: „Was sind Werte?“ Der dritte Abschnitt befasst sich beispielhaft mit empirischen Befunden zum Wertediskurs, in dem häufig die Differenz von Werten als Problem gesehen wird. Dort wird gezeigt, dass einfache kulturelle oder ethnische Abgrenzungen nicht möglich sind. Im vierten Abschnitt wird die kindliche Entwicklung und Erziehung fokussiert und ein Modell für eine „Kita-Kultur der Offenheit“ vorgestellt. Abschließend werden in Thesen die wichtigsten Befunde zu Werteentwicklung und den notwendigen Rahmenbedingungen vorgestellt.
Mit dem Buch wird das Ziel verfolgt, Impulse in der Debatte um Werteentwicklung bei Kindern zu setzen. Dabei wird der Blick auf Hintergründe von Wertedefinitionen und -traditionen gelenkt. Angesprochen werden insbesondere Eltern und pädagogische Fachkräfte als auch Studierende und Lehrende sozialer Berufe. Beabsichtigt ist, sowohl die gesellschaftliche als auch die Fachdebatte begrifflich zu fundieren und aus verschiedenen Fachdisziplinen anzureichern.
Mitglieder des Wissenschaftsclusters
• Prof. Dr. Sabine Andresen, Universität Bielefeld
• Wolf D.A. Aries, Universität Münster
• Prof. Dr. Micha Brumlik, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
• Prof. Dr. Doris Bühler-Niederberger, Bergische Universität Wuppertal
• Prof. Dr. Ute Gerhard, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
• Prof. Dr. Paul Mecheril, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
• Prof. Dr. Nina Kölsch-Bunzen, Hochschule Esslingen
• PD Dr. Haci-Halil Uslucan, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
• Prof. Dr. Dieter Spanhel, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
• Dr. Barbara Thiessen, Deutsches Jugendinstitut