„So entsteht ein Werteklima: In Kindertageseinrichtungen wertebewusst kommunizieren“
Werte können Kindern nicht vermittelt werden – erst durch das eigene Tun und durch das Vorbild von Erwachsenen werden Werte für Kinder lebendig und begreifbar. Aus dem, wie sie Menschen im Umgang miteinander erleben, leiten Kinder intuitiv Regeln für ihr Leben ab. Dies setzt ein Werteklima voraus, das den erhobenen Zeigefinger überflüssig macht. Und genau darum ging es in dieser Regionalkonferenz. Die Kooperationspartner waren der Landesverband Katholischer Kindertagesstätten Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband.
Am 17. Juli 2008 trafen sich mehr als 60 Erzieher*innen und Fachberater*innen im Christkönigshaus in Stuttgart-Hohenheim, um sich praxisnahe und konkrete Anregungen für die Beschäftigung mit Werten in Kindertagesstätten zu holen.
Zum Auftakt stellte Norbert Hocke, Sprecher des Bundesforums Familie, fest, dass jede Einrichtung ihreigenes Werteklima habe, das von den Mitarbeiter*innen geprägt werde und auf den Grundpfeilern von Authentizität, Respekt und Wertschätzung ruhe. Er bedauerte zutiefst, dass Erzieher*innen so wenig Wertschätzung erführen, denn wer wenig Wertschätzung erführe, könne sie auch nicht weitergeben. Für ihn sei das Klima einer Einrichtung wichtiger als vielfältige frühkindliche Bildungsangebote.
In seinem Grußwort wies Peter Scherer (Landesverband Katholischer Kindertagesstätten Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V.) darauf hin, dass das Wertethema nicht neu sei und immer darunter leide, dass nicht genau definiert sei, was man mit Werten meine, und alle etwas anderes darunter verstünden. Ziel der Regionalkonferenz sei, zur Klärung dieser Frage beizutragen.
Frank Jansen (Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e. V.) ging in seinem Grußwort noch einmal auf die Entstehungsgeschichte des Projektes „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ ein und erinnerte daran, dass es die damalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt gewesen sei, die die Idee für das Bündnis für Erziehung hatte und die Kirchen zum gemeinsamen Handeln aufforderte. Dann sei der Regierungswechsel gefolgt und die neue Ministerin von der Leyen hätte das erste Bündnis für Erziehung initiiert. Jansen berichtete von seiner Erfahrung auf der Bundespressekonferenz, auf der das Projekt vorgestellt und sogleich massiv kritisiert worden sei. Aus dieser Erfahrung sei dann das Projekt „Kinder brauchen Werte – Bündnisinitiative: Verantwortung Erziehung“ geworden. Schnell habe man dort gelernt, dass es nicht möglich ist, in so einem pluralen Zusammenhang bestimmte Werte festzulegen. Stattdessen habe man auf die Reflexion dessen gesetzt, was man tut, und versuche darüber zu einem Konsens zu kommen.
Den praktischen Teil der Veranstaltung leitete Mitorganisatorin Uta Stolz (Landesverband Katholischer Kindertagesstätten Diözese Rottenburg-Stuttgart e. V.) ein, die darauf hinwies, wie wichtig es sei, die Eltern in den Wertedialog einzubeziehen und dass Werte im Verborgenen wirkten und immer wieder herausgeholt werden müssten. Folgende Fragen formulierte sie für die Veranstaltung:
• Wie wird im Elternhaus und Kindergarten ein Werteklima geschaffen?
• Wie kann man Werte erlebbar machen?
• Wie kann man sie teilen und vermitteln?
• Wie kann man sie mit Leben füllen, überzeugend und bereichernd machen?
Werte erlebbar machen – gefühlt, gelebt, gezeigt…
Wenn Werte erlebbar gemacht werden sollen, müssten sie ungewöhnlich und neu dargestellt werden, sodass Gefühle entstehen können und eine Anregung zum Mitdenken entsteht. Es sei einfacher darauf zu reagieren, wenn etwas nicht stimme mit den Werten.
Schlimbach stellte dann das Konzept der Kommunikationssphären vor. Auf einem Achsenkreuz befänden sich die Dimensionen Aktiviertheit und Innere Beteiligung. Nur in dem Bereich, wo sich Aktiviertheit und Innere Beteiligung treffen, könne ein Erlebnis entstehen. Als Beispiele für Aktiviertheit ohne innere Beteiligung nannte sie den Bildungsbereich. Weder innere Beteiligung noch Aktiviertheit fänden sich beim Fernsehen oder anderen Formen der „Berieselungsunterhaltung“. Hohe innere Beteiligung ohne Aktiviertheit könne in bestimmten Arten des ästhetischen Empfindens vorkommen.
Ziel sei also, sowohl die innere Beteiligung als auch die Aktiviertheit in einer Gruppe zu erreichen, damit es ein gemeinsames Erlebnis geben könne.
Was ist ein Erlebnis? – Aus dem Alltag herausgelöst
Wie wird ein Erlebnis erreicht? – Aktivieren, Innere Beteiligung
Was bedeutet das für Werte? – Das Alltägliche besonders machen
Auf dieser Grundlage entwickelte sie ein Dreistufenmodell, um Werte erlebbar zu machen:
1. Sich seiner eigenen Werte bewusst werden und definieren
2. Leitsätze entwickeln (Wir-Aussagen, wir möchten, wir wollen …)
3. Handlungsgrundsätze (Ich verpflichte mich, auf meiner persönlichen Ebene)
Was würde ein Kind über Sie erzählen?
• Wie würde ein Kind oder ein Haustier Sie wohl beschreiben?
• Was würde ein Kind oder ein Haustier über Sie erzählen?
Alle Tagungsteilnehmenden wurden in drei Gruppen – eine pro Wert – aufgeteilt. Drei Tische mit unterschiedlichsten Materialen standen zu Verfügung. Nach dem Prinzip „Lernen mit allen Sinnen“ wurden jedem Tisch unterschiedliche Sinne zugeordnet. Die Idee war, der Kreativität der Teilnehmenden freien Lauf zu lassen und die Frage zu beantworten: Wie können wir Kindern und Erwachsenen den uns zugewiesenen Wert mit den uns zugewiesenen Sinnen näherbringen?
Eine Gruppe hatte die Aufgabe, „Gerechtigkeit“ akustisch und taktil erlebbar zu machen. Sie führte das Spiel „stiller Dirigent“ vor, in dem jede/r einen Rhythmus vorgab, den die anderen nachmachen sollten.
Alle Gruppenmitglieder bekamen damit die Chance, die ganze Gruppe kurzzeitig zu führen. Aber das Spiel funktioniert nur, wenn alle die Grundbedingungen akzeptieren und mitmachen.
Die gestellte Aufgabe brachte für viele der Teilnehmenden eine neue Erkenntnis: In vielen ihrer Alltagsaktivitäten in der Kita werden Werte erlebbar gemacht; sie hatten aber noch nicht erkannt, dass sie das tun. Viele der Teilnehmenden genossen die neue Herangehensweise an eine derartige Problematik und die Gelegenheit, sich kreativ mit der Problemstellung auseinandersetzen zu können. Nicht wenige machten in Gesprächen deutlich, dass sie durchaus versuchen werden, das Gelernte in der eigenen Einrichtung umzusetzen.