Regionalkonferenz Nord des Kita-Clusters

„Mein Wert – Dein Wert: Zum Umgang mit Differenz in der Kita“

teilnehmerinnen ha.gif„Nicht alles, was man sieht, ist auch so“
Über 100 Erzieherinnen und Erzieher, viele davon noch in der Ausbildung, folgten der gemeinsamen Einladung des Bundesforums Familie, der AWO Region Hannover und der Alice-Salomon-Fachschule Hannover und nahmen an der Regionalkonferenz Nord am 6. März 2008 in Hannover teil. Die drei Vorträge am Vormittag lieferten reichlich Stoff für Diskussion und Reflektion über die eigenen Werte und das pädagogische Handeln am Nachmittag.

Wertedifferenzen und Wertehaltungen

ha_uslucan2.gifIn seinem Eröffnungsvortrag sprach PD Dr. Haci-Halil Uslucan von der Universität Potsdam über die Wahrnehmung des Anderen und die Gefahr der vorschnellen Erklärung von Problemen mit dem Begriff „Kultur“. Manche Unterschiede lassen sich an Hand anderer Merkmale erklären, wie z.B. Schichtzugehörigkeit oder Geschlecht und nicht nur Ethnie.

Uslucan stellte die Ergebnisse einer Forschungsstudie vor, in der Deutsche, in Deutschland lebende Türken und Türkinnen und in der Türkei lebende Türken und Türkinnen nach ihren wichtigsten Werten befragt wurden. Für einige überraschend, stand in allen drei Gruppen derselbe Wert an erster Stelle: „Familiäre Sicherheit“. An zweiter oder dritter Stelle standen weiterhin in allen drei Gruppen „Freiheit“ und „Freundschaft“. Diese drei Werte führten mit Abstand. Unterschiede bestanden in der Bewertung von „Spiritualität“ und „Achtung vor Tradition“ zwischen den Deutschen und den in Deutschland lebenden Türken und Türkinnen.ha_zuschauermappen.gif

Anknüpfend an die Bedeutung der Spiritualität berichtete Uslucan aus weiteren Studien über religiöse Erziehung in islamischen Familien. Einigen eingewanderten Familien hilft die Religion sich in der Aufnahmegesellschaft zu Recht zu finden. Angesichts der Unübersichtlichkeit und Komplexität der neuen Heimat bietet die Religion klare Regeln und Orientierungen. Ferner wenn das Bild eines Gottes als eine schützende, bergende und bedingungslos liebende Macht vermittelt wird, kann es das Selbstwertgefühl eines Kindes stärken. In diesem Fall kann die Religion als Ressource in der kindlichen Entwicklung betrachtet werden.

Zum Schluss warnte Uslucan vor „pädagogischen Fallen“ im Umgang mit Kindern und Eltern mit Migrationshintergrund. Dazu gehören die Tendenz zum Universalismus („Alle Türken sind gleich“), die Fixierung auf eine fremde Mentalität oder Sitten (manchmal sind es die Eheprobleme der Eltern, die einem Kind zu schaffen machen), der pauschale Verdacht auf Fundamentalismus, eine folgenlose Toleranz (Unterschiede wahrnehmen aber keinen Umgang damit entwickeln), die Infantilisierung von Eltern mit Migrationshintergrund, die Tendenz zur zivilisatorischen Missionierung und keine Infragestellung des eigenen Wahrnehmungs- oder Bewertungsmusters. Vor allem dieser letzte Punkt wurde in den Workshops am Nachmittag aufgegriffen.

Der Umgang mit Wertedifferenzen im niedersächsischen Orientierungsplan

ministerium.gif Im zweiten Vortrag berichtete Christiane Reckmann aus dem niedersächsischen Kultusministerium, Referat 31 (Tageseinrichtungen und Tagespflege für Kinder), über die Entstehung und Inhalte des Orientierungsplans für Bildung und Erziehung im Elementarbereich. An der Erarbeitung des Plans waren nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kultusministeriums beteiligt, sondern auch die Kita-Träger und Eltern. In der prozesshaften Zusammenarbeit kamen bestimmte Werte zum Vorschein, wie z.B. Wertschätzung, Akzeptanz, Beachtung und Verständigung.
Im Orientierungsplan selbst befasste sich ein Abschnitt mit ethischen und religiösen Fragen. Der Fokus liegt auf grundlegenden Erfahrungen der menschlichen Existenz, wie z.B. Geburt oder Tod, und nicht auf einer spezifischen religiösen Interpretation. In der Kita sollen Kinder positive Grunderfahrungen machen: Geborgenheit, Vertrauen und Angenommensein. Sie sollen zu ihrem eigenen Standpunkt verholfen werden in dem sie lernen, dass es gut ist, solidarisch zu sein und anderen zu helfen. Sie lernen Toleranz, die Achtung der Umwelt und der Mitmenschen vor allem durch das Vorbild der Erwachsenen und durch gelebte Demokratie in der Kindertagesst
ätha_zuschauerlachend.gifte.

Es ist Aufgabe der Erzieherinnen, den Raum für solche Themen zu schaffen und ihn entsprechend zu gestalten. Obwohl Erzählungen und Feste natürlich geeignete Anlässe für Diskussionen über ethische und religiöse Fragen sind, werden die positiven Grunderfahrungen im Kita-Alltag gemacht, ohne darüber nachzudenken. Zur Unterstützung der Erzieherinnen kann es hilfreich sein, über diese Fragen zu reflektieren: Welche Sicht auf das Kind habe ich? Bin ich Vorbild? Vermittele ich die Werte des Trägers? Sind die Eltern ein Partner? Die Konsultationskitas nehmen sich einen Schwerpunkt aus dem Orientierungsplan und entwickeln Umsetzungsvorschläge für sich und andere Kitas. Auf dieser Weise lernt die Praxis von der Praxis. Die vollständige Liste der Konsultationskitas finden Sie hier: www.kita-bildet.de
Die Kita „Villa Kunterbunt“ in Peine (Raum Braunschweig) hat den Schwerpunkt Wertebildung mit konkreten Aktivitäten zur Bildung von fünf Werten: Solidarität, Weltbürger, Gerechtigkeit, Frieden und Naturschutz.
Der Orientierungsplan wurde ursprünglich für 3- bis 6-Jährigen konzipiert. Zurzeit ist das Kultusministerium wieder im Gespräch mit den Trägern, um den Plan für 0- bis 3-Jährigen zu erweitern, im Zuge des Ausbaus der Betreuung der unter 3-Jährigen.
Hier können Sie den Niedersächsischen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich herunterladen: www.mk.niedersachsen.de

„Kinderwelten“ – Ein Projekt zur vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung

ha_birgit.gif Abgerundet wurde der Vormittag mit der Vorstellung des Projektes „Kinderwelten“ von Birgit Merkel von der AWO Region Hannover. Seit ihrer Gründung im Jahre 1919 gehören Werte wie Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität zum Leitbild der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Deswegen wird in AWO-Kitas einen besonderen Schwerpunkt auf das Erlernen von demokratischen Verhaltensweisen gelegt. Kinder erwerben und praktizieren demokratische Verhaltensweisen in gemeinsamen Aktionen:
– im gemeinsamen Spiel
– in der gemeinsamen Planung
– in der gemeinsamen Gestaltung des Zusammenlebens.

Von dieser Ausgangslage war die Beteiligung am Projekt „Kinderwelten“ nur ein kurzer Schritt. Über drei Jahre arbeiteten die AWO Region Hannover zusammen mit Institut für den Situationsansatz, internationale Akademie gGmbh an der FU Berlin im Rahmen des Projektes. Basis für das Projekt „Kinderwelten“ ist der Anti-Bias-Ansatz. Für die Kinder bedeutet dies:

•    Kinder brauchen pädagogische Fachkräfte, die sich ihres eigenen kulturellen Hintergrunds und seiner Auswirkungen auf ihre Tätigkeit bewusst sind.
•    Dazu gehört, dass sie ihre Machtposition im Erziehungsgeschehen reflektieren, Einseitigkeiten erkennen und bei Vorurteilen und Diskriminierung kompetent eingreifen.

Für die pädagogischen Fachkräfte sind vier Ziele von zentraler Bedeutung:

•    Erkennen Sie ihren eigenen kulturellen Hintergrund und seinen Einfluss auf Ihr berufliches Handeln.
•   
Lernen Sie die unterschiedlichen Familienkulturen und Vorstellungen über Erziehung und Lernen kennen.
•    Werden Sie kritisch gegenüber Diskriminierungen und Vorurteilen in Ihrer Einrichtung und allgemein im Bildungsbereich.
•    Initiieren Sie Dialoge über Diskriminierungen und Vorurteile und tragen Sie Konflikte aus.
Wie diese abstrakten Prinzipien in vielfältigen praktischen Aktivitäten umgesetzt werden können, zeigte Frau Merkel inha_birgitmagda.gif einer Ton-Dia Show. Da der Ansatz kontextbezogen ist („Situationsansatz“), gibt es keine allgemeingültigen Konzepte, sondern der Anti-Bias-Ansatz ist auf den jeweiligen Kontext zu beziehen. Er umfasst Vorurteile jeglicher Art aber thematisiert Unterschiede auf der Grundlage von Gemeinsamkeiten. Wichtig ist die breite Verankerung in der Kita: es geht alle Kinder an, bezieht die Familien(-kulturen) ein und ist integriert in Alltagsleben der KiTa (nicht touristisch). Die Einblicke in die Praxis lieferten wichtige Inspirationen für die Workshops am Nachmittag.

Die Dokumentation kann bei der AWO Bezirksverband Hannover e.V., Körtingsdorfer Weg 8, 30455 Hannover gegen ein Entgelt erworben werden.
Weitere Informationen über „Kinderwelten“ finden Sie unter www.kinderwelten.net

Workshops – Reflektion über die eigenen Werte

Am Nachmittag fanden drei parallele Workshops statt. Schwerpunkt war die Reflektion über die eigenen Werte und wie diese mit denen der Kinder, ihrer Eltern, der weiteren Teammitglieder, des Leitbildes des Trägers und der Gesellschaft insgesamt zusammenpassen. Eine wichtige Botschaft des Tages war Differenz als Chance zu sehen und zu begreifen und „Wertedifferenzen nicht nur wahrnehmen, sondern etwas daraus machen.“
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Protokolle der Workshops
•    Workshop 1
•    Workshop 2
•   
Workshop 3