Die abschließende Diskussion drehte sich um drei zentrale Aspekte. Zum einen diskutierte das Plenum die Bedeutung von Partizipation für Inklusion mit den drei Referent/innen. Hierzu wurde festgestellt, dass Partizipation deutlich mehr sei als nur Teilhabe: es gehe vielmehr um Mitentscheidung beziehungsweise Mitbestimmung. Auch in der BRK spiele Partizipation eine bedeutende Rolle, so definiere die BRK in ihrer Präambel Behinderung Resultat der Interaktion zwischen Menschen mit Einschränkungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, die die volle und effektive Partizipation an der Gesellschaft auf gleicher Basis mit anderen behindere. Dr. Wrase verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es Ziel von Inklusion sei, die größtmögliche Partizipation zu ermöglichen. Die Partizipation selbst sei also das Ziel, währenddessen Inklusion die Ausgestaltung der Systeme beträfe, um eben jenes Ziel zu erreichen. Im Umkehrschluss sei Inklusion nur dann erreichbar, wenn – am Beispiel der inklusiven Schule – Eltern und Kinder an dem Prozess der Ausgestaltung eines inklusiven Bildungssystems partizipieren könnten, im Sinne von mitentscheiden.
Ein zweiter Diskussionsstrang befasste sich mit der Frage, wie es zu dem aktuell bestehenden Bildungssystem Deutschlands gekommen sei, schließlich sei die deutsche Sonder- oder Förderschule weltweit einmalig. Dr. Arnade beleuchtete den Sachverhalt historisch und hielt fest, dass auch mit Ende des nationalsozialistischen Deutschlands 1945 leider nicht automatisch das damals vorherrschende Gedankengut „Behindertes Leben ist minderwertig“ in der Gesellschaft ausgelöscht gewesen sei. So hätten die Sonderschulen zu Beginn auch eine ganz klare Schutzfunktion gehabt. Die Entwicklung in Deutschland sei an dieser Stelle einfach stehen geblieben. Prof. Dr. Eckert gab vor diesem Hintergrund auch zu bedenken, dass das deutsche Schulsystem Inklusion in sich nicht vorgesehen habe, schließlich beruhe es mit seinen Gymnasien, Haupt- und Realschulen grundsätzlich auf dem Prinzip von homogenen Lerngruppen. Das angelsächsische Schulsystem beispielsweise sei mit seinen comprehensive schools und dem Prinzip der möglichst langen gemeinsamen Beschulung für Inklusion deutlich besser geeignet, bestätigte auch Dr. Wrase. Hierüber entspann sich zudem die Frage inwieweit die in Deutschland stark ideologisch aufgeladene Debatte über die inklusive Schule ihre Berechtigung in der BRK habe, ob also ein Elternwahlrecht in der Konvention vorgesehen sei. Dr. Arnade führte hierzu aus, dass mit der Ratifizierung der BRK sich die Staaten ganz klar zu einem inklusiven Bildungssystem verpflichteten, ein Elternwahlrecht sehe die BRK nicht vor. Wie in der öffentlichen Debatte gab es auch im Plenum zu diesem Punkt unterschiedliche Meinungen, aber unabhängig von der Frage ob zwei parallel bestehende Schulsysteme als wünschenswert betrachtet wurden, waren sich alle Beteiligten darin einig, dass die Elternperspektive von zentraler Bedeutung für die Ausgestaltung von Inklusion ist.
Mit der ganz praktischen Umsetzung der BRK in der Realität beschäftigte sich ein dritter Aspekt der Diskussion und zwar mit der Frage nach der Deutung der Formulierung „im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren“. So sei eben jene Formulierung häufig ein Hinderungsgrund in der Umsetzung inklusiver Maßnahmen vor Ort, da sie interpretierbar wäre. Dr. Wrase räumte ein, dass diese konkrete Passage bewusst so gehalten wäre um der Individualität der Kinder gerecht werden zu können. Allerdings gäbe es durchaus Konkretisierungen. So müssten die Vorkehrungen zu den individuellen Beeinträchtigungen passen. Im Sinne des Zumutbaren müsse sich das Niveau aktuell dem der Förderschulen entsprechen. Dr. Arnade fügte hinzu, dass die BRK sehr wohl darauf einginge, dies jedoch nicht ins deutsche Recht übertragen sei. So sollte der Aspekt der Vorkehrungen in das Behindertengesetz und der der Vorhaltung dieser in das AGG aufgenommen werden, um eine Ahndung zu ermöglichen.
Die Diskussion schloss damit, dass viele bisher unbefriedigende Punkte bei der Umsetzung von Inklusion durch die Einführung der „großen Lösung“ und eine Lockerung im Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern erreicht werden könnte.
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Seite 2: Dr. Michael Wrase: Inklusion als (Menschen-)Recht?!
Seite 3: Dr. Sigrid Arnade: Die UN-BRK aus der Perspektive der Zivilgesellschaft
Seite 4: Prof. Dr. Andreas Eckert: Lebenslagen von Familien mit einem Kind mit einer BehinderungSeite 5: Abschließende Diskussion im Plenum