Impulsworkshop am 06. September 2024: „Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit im Familienalltag“

Der Klimawandel ist nicht nur eine politische, technische und wirtschaftliche Herausforderung, sondern greift auch erheblich in den Gefühlshaushalt ein: die klimatischen Veränderungen und ihre Folgen nehmen auf vielen Ebenen erheblichen Einfluss auf die psychische Gesundheit – und damit auch auf das Miteinander im Familienalltag. Welche Folgen sich daraus ergeben und wie zukünftig auf diese Belastungen familien- wie gesundheitspolitisch reagiert werden kann, diskutierten knapp 40 Vertreter*innen aus den Mitgliedsorganisationen des Bundesforums Familie im Rahmen einer Online-Veranstaltung mit Katharina van Bronswijk (Sprecherin der Psychologists and Psychotherapists for Future).

Die Themenperiode „Familien und Klimawandel“ deckt viele Aspekte ab, die sich sowohl auf den Familienalltag und die individuelle Ebene, als auch auf die politisch strukturelle Ebene beziehen. Das Thema der Veranstaltung ist ein solches „Multilayer-Problem“, das in verschiedene Politikbereiche von Bildung, Gesundheit, Soziales und Umweltpolitik hineinreicht. Die Gesellschaft steht in all diesen Bereichen vor der Herausforderung multipler Krisen, die in emotional aufgeladenen Diskursen verhandelt werden. Studien zeigen, dass eine deutliche Mehrheit von 86 % der deutschen Bevölkerung aufgrund das Klimawandels besorgt sind. Hier gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Haushalten mit und ohne Kinder (Vgl. Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2023). Fast ebenso groß sei jedoch die Sorge vor sozialer Spaltung, zunehmend mit der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in Verbindung gebracht würde. Wie wirken sich diese Sorgen und die damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen auf Familien, familienpolitische Organisationen und Fachkräfte aus? Wie kann kluge Familienpolitik insbesondere hinsichtlich des Klimawandels Familien stärken? Werden durch die Klimakrise neue Unterstützungsangebote nötig? Welche Anpassungen müssen stattfinden, um den zukünftigen Herausforderungen besser zu begegnen? Um diese Fragen fundiert diskutieren zu können, informierte zunächst Katharina van Bronswijk über die Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit. Hier unterschied sie zwei große Stränge: 1. den „Climate Change Impact of Human Health“, d.h. den Einfluss einer veränderten Umwelt auf den menschlichen Organismus und 2. den „Climate Distress“, der die emotionale Belastung durch die Klimakrise bezeichnet.

„Climate Change impact of Human Health“

Katharina van Bronswijk eröffnete ihren Vortrag mit einem Blick auf die sich verändernden Lebensbedingungen So seien die planetaren Belastbarkeitsgrenzen (d.h. die Grenzen, innerhalb derer sich die Erde selbst regenerieren kann) bereits in sechs von neun Bereichen deutlich überschritten. Wassermangel und Hitzewellen würden das Leben in Zukunft bestimmen. Durch den hohen Eintrag von Phosphat und Nitrat seien die biochemischen Kreisläufe aus der Balance gekommen. Neuartige Substanzen (Mikroplastik, Atommüll, Pestizide) seien in unsere Umwelt gelangt. Artensterben und die Abholzung von Wäldern führten zur Veränderung unserer Wassersysteme. Diese und weitere Entwicklungen hätten bereits heute gravierende Folgen für das Leben und das Zusammenleben.

Verschiedene Klimawandelfolgen können, so Katharina van Bronswijk, Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit (Vgl. WHO „Climate Change Impact of Human Health“) haben: anhaltende Hitzeperioden führten zu einem gesteigerten Risiko für Herz- Kreislauferkrankungen; aufgrund von Luftverschmutzung und Erderwärmung käme es vermehrt zu Asthma und Allergien. Epidemiologische Studien zeigten, dass Schwermetalle und Feinstaub Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung von ungeborenen Kindern nehmen. Tropenkrankheiten (wie Malaria) würden sich zukünftig auch in Europa ausbreiten. Zudem sei damit zu rechnen, dass Extremwetterereignisse Ernteausfälle nach sich zögen und es daher zu einer schlechteren Nahrungsmittelversorgung kommen würde; Verteilungsproblematiken und vermehrte Migrationsbewegungen seien die Folge, was zu Konflikten und Kriegen führen könne. Sie vertiefte einzelne Aspekte:

 Naturkatastrophen und Wetterextreme

Als eine der gravierendsten Auswirkungen auf die psychische Gesundheit nannte Katharina van Bronswijk Angst- und Traumafolgestörungen. Durch das Erleben von Naturkatastrophen und durch die Zunahme von Extremwetterereignissen werde dies zukünftig mehr Menschen betreffen: bei 10 bis 15 % der Menschen führten derartige Erlebnisse zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB). Entscheidend dafür sei die Art der Traumatisierung sowie die psychosoziale Versorgung nach den Ereignissen. Bei Nichtbehandlung drohe eine Chronifizierung der Symptome. In Folge dessen können Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen entstehen, laut Studien sei dies bei bis zu 49 % der Betroffenen der Fall. Somatisierungsstörungen (körperliche Symptome durch psychische Störungen) seien insbesondere bei Kindern zu beobachten.

Katharina van Bronswijk plädierte angesichts dieser Entwicklungen für eine flächendeckende Notfallversorgung und professionellere Strukturen. Der Anstieg an Menschen mit einer PTB werde in Zukunft zu einer Herausforderung für die Gesundheitssysteme, denn bereits jetzt betrage die Wartezeit für einen Therapieplatz in Deutschland ca. 5-6 Wochen. Durch die Zunahme von Naturkatastrophen sei auch in Deutschland mit einem höheren Bedarf an Psychotherapie-Plätzen zu rechnen. In Deutschland bestehe die psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) derzeit fast ausschließlich aus ehrenamtlichen Helfer*innen – dies sei perspektivisch nicht weiter tragbar.

Hitze

Hitzeepisoden werden zukünftig zunehmen – mit zahlreichen Konsequenzen: Katharina van Bronswijk verwies auf Studien, die die Abnahme von Arbeitsproduktivität und Konzentration bei Hitze aufzeigten. Nicht zu unterschätzen sei, dass sich unter Hitzeeinwirkungen das Sozialverhalten ändere. Bei Hitze reagierten Menschen aggressiver, dies könnte insbesondere in Hochkonfliktfamilien eine Rolle spielen. Auch müsse zukünftig von großen Gruppen vulnerabler Personen ausgegangen werden: Bis zu zwei Drittel aller Menschen würden zukünftig zu den durch Hitze gefährdeten Personen zählen. Neben älteren Menschen und Kindern beinhalte das auch Menschen, die durch körperliche Arbeit, Arbeit unter freiem Himmel oder Obdachlosigkeit besonders exponiert seien. Menschen mit chronischen Erkrankungen seien ebenfalls gefährdet. Hitze, so Katharina van Bronswijk, gelte zudem als verstärkender Faktor von Demenz, bipolarer Störung oder Schizophrenie. Auch sei eine erhöhte Zahl an Suiziden und Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit Hitzewellen festzustellen. Zudem hätten Medikamente bei Hitze teilweise veränderte Wirkungsweisen, die zu berücksichtigen seien. Manche Substanzen führten zudem zu einer schlechteren Hitzeanpassungsfähigkeit und so zu einer höheren Vulnerabilität der Behandelten.

Es sei notwendig, öffentliche Hitzeschutzräume auszubauen und zugänglich zu machen. Auch für den privaten Bereich brauche es Empfehlungen für Hitzeschutzmaßnahmen. Besonders wichtig sei, ein Verständnis in der Bevölkerung zu fördern, wie vielseitig die Wirkung langanhaltender hoher Temperaturen auf unseren Organismus und unsere Psyche ist.

Neue Herausforderungen für das Gesundheitswesen

Katharina van Bronswijk zeigte den Zusammenhang von individueller Gesundheit und Gesundheitswesen auf. Im Zentrum stehe das individuelle Wohlbefinden. Eine Verschlechterung individuell erlebter Lebensqualität wirke als Stressor im Sinne des Vulnerabilitäts-Stress-Modells. Stress könnte in einem resilienten System und durch Ressourcen abgepuffert werden. Wird ein System jedoch immer wieder gestresst und verfügt nicht über ausreichend Ressourcen, steige die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen. Das bedeutet, dass Menschen mit Dispositionen für Krankheiten unter guten Lebensbedingungen ohne Erkrankung leben können. Stress – etwa stark veränderte Lebensbedingungen nach Naturkatastrophen, Hunger, gesundheitliche Probleme von Angehörigen – macht den Ausbruch eben dieser Krankheit wahrscheinlicher. Ein Beispiel: für einen Menschen mit depressiver Veranlagung wird mit Verschlechterung der Lebensumstände (=Stress) die Wahrscheinlichkeit höher, an einer Depression zu erkranken. Dieser Zusammenhang könne auch in der Zusammenarbeit mit Menschen mit Migrationsgeschichte relevant werden. Hier sei eine Sensibilisierung für die Problemlagen notwendig.

Nicht nur die Resilienz des Individuums, sondern des ganzen familiären Systems müsse in den Blick genommen werden. Systemische Belastungen könnten aus sozialpsychologischer Sicht zu einer Abnahme von sozialer Kohärenz und Stabilität führen. Eine Folge davon kann es zu einer gesellschaftlichen Entsolidarisierung und vermehrter Gewaltbereitschaft kommen. Dazu verwies Katharina van Bronswjik auf Studien, die den Zusammenhang von Sparpolitik im sozialen Bereich und demokratiegefährdenden Wahlergebnissen darlegen.

Climate Distress

Der Klimawandel und seine Folgen seien Auslöser von Unsicherheit und Angst, so Katharina van Bronswijk. Es gehe um die Bedrohung unserer körperlichen Unversehrtheit. Der Begriff Climate Distress  bezeichne emotionale Auswirkungen des Klimawandels: Angst – Climate Anxiety; Wut – Eco Anger und Trauer – Climate Grief/ Solastalgia. Angst und Wut seien im Diskurs relativ präsent, Trauerprozesse verliefen hingegen leise und hintergründig. Gerade das mache die Trauer zu einer Belastung, auch weil sie besonders intim sei und selten kollektiv ausgelebt werde. Der Begriff „Solastalgia = Trostschmerz“ bezeichne das Erleben ehemaliger Wohlfühl-Orte als verschwundene oder negativ veränderte Orte: wie zum Beispiel der gefällte Baum der Kindheit, die abgestorbenen Wälder im Harz, das leere Dorf an der Abbruchkante des Kohlereviers. Der Klimawandel führe bei vielen Menschen zu einem Gefühl von Kontrollverlust.

In der Diagnose von psychischen Erkrankungen seien diese spezifischen Phänomene nicht aufgenommen worden. Denn in der Diagnostik seien Gefühle keine emotionalen Störungen, sondern Bedürfnisanzeiger. Wenn sie erfüllt seien, gehe es uns gut. Sinnvoll sei daher, so Katharina von Bronswijk, diese Bedürfnisse als solche erkennen und zu erfüllen. Dies bedeute vor allem: (gemeinsam) aktiv zu werden.

Maladaptiver Umgang mit Klimagefühlen

Die Klimakrise bedrohe uns und unser Zusammenleben auf existenzielle Weise. Damit umzugehen sei nicht leicht. Katharina van Bronswijk ging auf verschiedene Coping-Strategien ein. Eine schlechte Anpassung, d.h. ein maladaptiver Umgang mit Klimagefühlen sei das Vermeiden von Nachrichten (News Fatigue). Laut Umfragen würden etwa zwei Drittel der Deutschen diesen Weg wählen. Ein gegenteiliger Umgang sei der ausdauernde Konsum von Nachrichten (Doomscrolling): das Erhalten von möglichst viel Information suggeriere einen Ausweg aus dem erlebten Kontrollverlust. Sowohl der verringerte als auch der exzessive Nachrichten-Konsum sei laut Studien mit einer wachsenden, indifferenten Wut auf Mitmenschen verbunden und daher auf Dauer nicht hilfreich.

Verarbeitungsstrategien (Climate Grief)

Verarbeitungsstrategien zu entwickeln sei eine wesentliche Aufgabe für Individuen und Institutionen. Katharina van Bronswijk stellte in dem Zusammenhang das Phasenmodell von Elisabeth Kübler-Ross vor, welches die verschiedenen Stadien im Sterbeprozess formuliert: Leugnung, Wut, Aushandlung, Depression und Akzeptanz. Diese Phasen der Verarbeitung einer existenziellen Transformation seien auch für den Umgang mit der Klimakrise erkennbar. In der Phase der Leugnung seien indes immer weniger Menschen, laut einer Studie seien etwa 6% der deutschen Bevölkerung als Klimawandelleugner*innen einzustufen.

Haltung im Diskurs einnehmen

Katharina van Bronswijk forderte das Ende des politischen Verzögerungsdiskurses. Der Ausreden-Rhetorik des „Klimaschutz ja, aber…“ müsse mit Haltung und Argumenten begegnet werden: Klimaschutz sei zwar teuer, aber nicht so teuer wie kein Klimaschutz, wenn langfristig gedacht wird. Die „Anderen“ müssten auch klimafreundlicher werden, aber das sei kein Argument für das eigene Nichtstun. Es sei zwar spät, aber nicht zu spät. Bei Verweisen auf kommende Technologien müsse man gut prüfen, ob diese Innovationen nur Scheinlösungen und Ausreden für das eigene Nichtstun oder tatsächliche Schritte auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen Transformation seien.

Resilienz stärken

Um die psychische Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten zu fördern, brauche es, so Katharina van Bronswijk, drei Punkte: 1. Aufklärung und Information – um zu verstehen, was los ist; 2. Handhabbarkeit – um zu wissen, an welcher Stelle zu Lösungen beigetragen werden kann und 3. das Erleben von Sinnhaftigkeit – um zu fühlen, dass das eigene Handeln Bedeutung habe.

Der Umgang mit der Klimakrise und alle drei Aspekte gehörten in den Schulalltag. Kindern und Jugendlichen müsse hier Raum für ihre Fragen und Gefühle gegeben werden. Ebenso wichtig seien Prozesse auch in der Familie: wenn Kinder Fragen zum Klimawandel und den Folgen haben, sei es wichtig, altersgemäße, ehrliche Antworten zu bieten und gemeinsame Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

 Diskussion

Die Runde diskutierte, welche Herausforderungen sich aus den psycho-sozialen Folgen der Klimakrise für den familienpolitischen Bereich ergeben. Ein Ziel müsse sein, Ressourcen aufzubringen, um pädagogische und therapeutische Angebote in entsprechenden Einrichtungen und ein Netz psychosozialer Versorgung auszubauen. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch eine Vereinfachung der Zulassungensverfahren von Therapeut*innen. Es müssten Wege gefunden werden, das System flexibler zu gestalten, um auf neue Versorgungslagen im Bereich der psychischen Gesundheit reagieren zu können.

Viel stärker müsse die wissenschaftlich belegte Tatsache, dass Sparpolitik zu „extremen“, d.h. demokratiegefährdenden Wahlergebnissen führe, an die Politik herangetragen werden. Die Runde diskutierte die enge Verbindung von Ausgaben im sozialpolitischen Bereich, Demokratiestärkung bzw. –verteidigung und Klimapolitik. Gerade auf der kommunalen Ebene, die sich sehr auf das Ehrenamt stütze und sowohl durch eine angespannte Haushaltslage als auch durch die gesellschaftliche Stimmung unter Druck gerate, sei es zunehmend schwierig, sich für familienfreundlichen Klimaschutz einzusetzen. Elena Gußmann verwies darauf, dass zu diesem Thema eine weitere Veranstaltung des Bundesforums Familie in Planung sei.

Als Reaktion auf eine der Hauptaussagen des Inputs, dass gemeinsames Handeln eine zentrale Komponente für die psychische Gesundheit sei, diskutierte die Runde, wie Familien als „change agents“ verstanden und angesprochen werden können. Das Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten für die ganze Familie sei hier elementar – etwa eine Kinder-Fahrraddemo (Kidical mass), die auf die Notwendigkeit der Mobilitätswende hinweist und die ganze Familie anspricht. Hier müsse klassismussensibel vorgegangen werden. Klimafreundliches Verhalten müsse allen Familien offenstehen und es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle Kinder Zugang zu zum Beipiel gesundem, ökologischen Essen sowie zu Reparatur-Treffen und Kleiderkreiseln haben. Diese Orte und Praktiken sollten nicht zu Stigmatisierung und Segregation, sondern zu einem „Wir-Gefühl“ beitragen. Als mögliche Orte für den Aufbau dieser Angebote wurden Einrichtungen benannt, an denen sich bereits Kinder und Jugendliche aufhalten: Grundschulen, Schulen, soziale Zentren. Abschließend wurde der Wunsch geäußert, das Bundesforum Familie noch mehr als Plattform für Verbände zu nutzen, die sich in diesem Bereich engagieren wollen. So könnte mehr Gewicht in die politischen Debatten eingebracht werden.

 

Impulsworkshop am 4. Juni 2024: „Recht auf Klima!? Über die Einklagbarkeit von einem besseren Klimaschutz für Familien“

Familien haben ein Recht auf eine intakte natürliche Umwelt. Nicht nur auf einer moralischen oder rechtsphilosophischen Ebene, sondern handfest in der Gesetzgebung festgeschrieben. Welche Gesetze befassen sich damit, was sind „ökologische Kinderrechte“ und werden diese auch umgesetzt? Wenn nicht, sind sie einklagbar? Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen versammelten sich knapp 40 Vertreter*innen aus den Mitgliedsorganisationen des Bundesforums Familie zu einem Online-Impulsworkshop.

Einführung

Projektkoordinatorin Elena Gußmann eröffnete die Runde und lenkte den Blick auf einige politische und gesetzliche Rahmen, in denen sich Berührungspunkte zu den ökologischen Lebensbedingungen von Familien finden lassen. Auf internationaler Ebene sei die UN Agenda 2030 und deren Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die bekannten SDGs (Sustainable Developement Goals) von Bedeutung, jedoch nicht rechtlich bindend. Zahlreiche Inhalte der 17 Ziele wiesen elementare Bezüge zu dem Lebensalltag von Familien auf, etwa die Zielbereiche Armut, Bildung, Geschlechtergerechtigkeit und Gesundheit. Die Bundesrepublik Deutschland habe zugesagt, die SDG im Rahmen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die sich derzeit in einem Weiterentwicklungsprozess befinde, umzusetzen.

Die UN-Kinderrechtskonvention sei hingegen rechtlich bindend. Insbesondere der Comment Nr. 26 (Version für Kinder) sei für die heutige Veranstaltung von Bedeutung. In diesem formuliere der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes eine offizielle rechtliche Einschätzung und Handlungsanweisungen für Staaten im Kontext ökologischer Kinderrechte. Auf EU-Ebene sei wiederum die Europäische Charta der Rechte des Kindes in Artikel 24 (Rechte des Kindes) ein wichtiger Bezug. Hier würde zwar nicht das Recht auf intakte Umwelt und gutes Klima direkt aufgegriffen, wohl aber die Gewährleistung des Kindeswohls. Darin könne ein Argument für ökologische Lebensbedingungen gesehen werden. Auf nationaler Ebene verpflichte insbesondere Artikel 20a des Grundgesetzes den Staat. Zwar müssten die Maßnahmen zum Schutz der „natürlichen Lebensgrundlagen“ mit anderen Belangen abgewogen werden, jedoch betone nicht zuletzt das „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 2021 die Wichtigkeit von Maßnahmen als Teil einer „intertemporalen Freiheitssicherung“, die vor einer einseitigen Verlagerung der Lasten auf zukünftige Generationen schützen solle. Zudem formuliere auch §1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes , dass die Jugendhilfe dazu beitragen solle „eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen“.

Insofern gebe es zwar zahlreiche politische und rechtliche Gesetze und Bereiche, die Familien und Kinder mit Klima in Verbindung bringen, jedoch verhandle kaum ein Gesetz Klima- und Kinderrechte explizit gemeinsam und rechtsverbindlich.  Daher müsste, um beide Aspekte zu bedienen oft „über Bande gespielt“ werden. Eine Ausnahme sei der General Comment 26, in dem sich gleichermaßen soziale und ökologische Ansprüche befänden. Daher sei dieser und insbesondere dessen Umsetzung von besonderem Interesse – aus diesem Grund sei eine Auseinandersetzung mit dem General Comment 26 als erster Programmpunkt der Veranstaltung gesetzt worden.

Der General Comment 26 in der politischen Praxis

Nina Eschke (wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Menschenrechtspolitik International) und Sophie Funke (wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-KRK) vom Deutschen Institut für Menschenrechte stellten vor, wie mit Berufung auf die UN-Kinderrechtskonvention aus der Perspektive der Kinder und Familien für mehr Klimaschutz argumentiert und auf die Verpflichtung der Staaten verwiesen werden könne.

Das Übereinkommen über die Rechte der Kinder wurde 1989 verfasst. Die UN-Kinderrechtskonvention schreibe hierin völkerrechtlich fest, dass Kinder auf gleicher Ebene wie Erwachsene wahrgenommen werden müssten.
Der Staat sei dazu verpflichtet, Kinder nicht an der Ausübung ihrer Rechte zu hindern (Achtungspflicht), Kinder vor Übergriffen und Ausbeutung durch Dritte zu schützen (Schutzpflicht) und die Umsetzung der Kinderrechte durch z.B. Infrastrukturmaßnahmen, soziale Leistungen oder Rechtsbehelfe zu gewährleisten (Gewährleistungspflicht). Der Staat stehe außerdem in der Pflicht, die Einhaltung der Rechte zu prüfen, unterstützt durch ein unabhängiges Monitoring durch Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Darauf basierend formuliere der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes konkrete Änderungshinweise. Auch wenn es sich dabei nur um Empfehlungen handele, betonte Sophie Funke, seien diese von hoher politischer Relevanz. Die allgemeinen Bemerkungen des General Comment seien hierfür als Interpretationshilfe anzusehen.

Der General Comment 26 sei im August 2023 durch den UN-Ausschuss veröffentlicht worden und schreibe fest: jedes Kind hat ein Recht auf eine saubere Umwelt. Entsprechend würden darin umwelt- und klimapolitische Maßnahmen empfohlen. An der Entstehung des General Comment 26 seien16.000 Kinder und Jugendliche aus 121 Staaten beteiligt gewesen. Sophie Funke  wies darauf hin, dass der UN-Ausschuss sich nach weltweiten Protesten von Kindern und Jugendlichen des Themas angenommen habe. Dies zeige einmal mehr, wie wichtig es sei, Kinder als Akteure anzuerkennen.

Der General Comment 26 sei entlang der Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention aufgebaut – dazu gehöre beispielsweise das Recht, nicht diskriminiert zu werden, das Wohl des Kindes, das Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung, das Recht gehört zu werden, der Zugang zu Information sowie das Recht auf Gesundheit. Die Bemerkungen führten jeweils aus, was dies in Bezug auf das Recht auf saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt bedeute, z.B.: Kindern müsse der Zugang zu leicht verständlichen, wahrheitsgetreuen Informationen über Umwelt und Klima gewährleistet werden, ebenso wie der Zugang zu Justiz und Beschwerdeverfahren. Sophie Funke betonte, dass in zahlreichen Staaten noch ein innerstaatlicher Rechtsweg fehle, auch in Deutschland. Hier seien Kinder nach wie vor auf die Unterstützung Erwachsener angewiesen. Jedoch sei ein Individualbeschwerdeverfahren vor dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes möglich, wenn Kinder und Jugendliche ihre in der Kinderrechtskonvention oder in den beiden Fakultativprotokollen festgehaltenen Rechte verletzt sehen.

Nina Eschke lenkte die Aufmerksamkeit auf aktuelle politische Prozesse. Insbesondere aktuell, wo viele Maßnahmen im Rahmen des Bundes-Klimaanpassungsgesetzes (KAnG) diskutiert und beschlossen würden, gelte es genau hinzusehen, inwieweit die Maßnahmen die Kinderrechte gemäß der UN-KRK achten, schützen und gewährleisten. Es sei wichtig mitzudenken, inwiefern Klimaschutzmaßnahmen auch negative Auswirkungen auf Kinder und deren Rechte haben könnten. Dazu plane die Bundesregierung (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales) den Aufbau eines „Sozialmonitoring Klimaschutz“. Dieses solle die sozialen Verteilungswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen bereits im Vorfeld analysieren und Maßnahmen möglichst sozial und gerecht entwickeln. Dazu gebe es aktuell eine öffentliche Ausschreibung für die Konzeption des Monitorings. Nina Eschke verwies darauf, dass dies interessante Möglichkeiten biete, sich aktiv in den Prozess einzubringen. Im Zuge einer sozialen Klimaanpassung solle insbesondere der Schutz von Rechten von Menschen mit Behinderungen und Kindern mehr Aufmerksamkeit zukommen. Nina Eschke betonte, dass die sich aktuell im Entstehen befindliche „Vorsorgende Klimaanpassungsstrategie auf Bundesebene“ bei Festlegung von messbaren Zielen und Indikatoren und der Auswahl von Maßnahmen eine öffentliche Beteiligung vorsehe. Interessensvertretungen vulnerabler Gruppen und Verbände könnten sich hier gezielt einbringen. Die Etablierung einer „Vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie Länder und Kommunen“ sei bis Januar 2027 vorgesehen. Auch hier eröffne sich die Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen.

Dr. Manuela Niehaus – „Klimaklagen – Einklagbarkeit von Klimaschutz und Wirksamkeit“

Dr. Manuela Niehaus ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, für Öffentliches Wirtschaftsrecht und Klimaschutzrecht der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Sie stellte vor, was unter Klimaklagen national und international sowie auf völkerrechtlicher Ebene zu verstehen sei, machte auf die vielen „juristischen Fallstricke“ aufmerksam und zeigte auf, welche Ansatzpunkte besonders relevant für familienpolitische Belange sein könnten.

Unter dem Begriff Klimaklagen verberge sich eine Vielzahl an Formen des Klagerechts, die alle zur sogenannten strategischen Prozessführung gezählt würden. Klimaklagen, so Manuela Niehaus, vereine die Grundidee, die politische Ebene gefährde durch das Nichtstun die Zukunft und das Leben bzw. die Lebensqualität der Kläger*innen. Klimaklagen argumentierten vorrangig mit wissenschaftlichen Erkenntnissen (insbesondere den Berichten des IPCC) und seien häufig geprägt von einer Zusammenarbeit dreier Akteure: NGOs, die die Klagen anstoßen und unterstützen, oft jugendliche oder junge Kläger*innen und hochspezialisierte Anwält*innen. Gerichte würden hier nicht nur zu Orten der Rechtsprechung, sondern zu Foren des Protests und zur Möglichkeit, vulnerablen und oft nicht öffentlich sichtbaren Gruppen – etwa junge Menschen, oder Menschen im globalen Süden – in die Öffentlichkeit zu bringen. Eine erfolgreiche Klage fungiere dabei immer als Anstoß für weitere Klagen.

Umweltklagen zielten, so Manuela Niehaus, auf einen sozialen und/oder rechtlichen Wandel ab. Sie verfolgten in den konkreten Fällen verschiedene Ziele, richteten sich gegen verschiedene Akteure. Dementsprechend seien sie verschiedenen Rechtsbereichen zugeordnet und damit verschiedenen Zuständigkeiten. Um mit Klimaklagen erfolgreich zu sein, sei es daher zentral, die formalen Voraussetzungen zu kennen. Nur so könne vermieden werden, dass Klimaklagen allein aufgrund formaler „Nichtzuständigkeit“ bereits im Vorfeld abgelehnt würden.

Entscheidend für die Zuständigkeit der Gerichte sei, gegen wen geklagt werde und was erreicht werden solle: Klimaklagen, die sich gegen den Staat richteten, beträfen das öffentliche Recht. Dies liege in der Zuständigkeit der Verwaltungs-, Verfassungs- und internationalen Gerichte. Geklagt werden könne hier gegen einen Verwaltungsakt, ein Gesetz oder ein gesetzgeberisches bzw. politisches Unterlassen (zum Beispiel die fehlende Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen). Klimaklagen gegen den Staat könnten somit neben den Verwaltungsgerichten auch vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Gericht der Europäischen Union, dem Europäischen Gerichtshof sowie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt werden. Für Klagen gegen Unternehmen oder Einzelpersonen gelte das Zivilrecht. Zuständig dafür seien die Nationalen Zivilgerichte (Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte sowie der Bundesgerichtshof). Zivilrechtliche Klagen könnten auf Unterlassung sowie auf Entschädigung und/oder Schadensersatz klagen. Unter das Strafrecht fielen Klagen, die die Legitimität von Protestformen erstreiten – beispielsweise im Kontext von Sitzblockaden sogenannter „Klimakleber*innen“. Diese würden überwiegend von NGOs genutzt und zielten auf öffentliche und politische Aufmerksamkeit.

Die meisten Klimaklagen, so Manuela Niehaus, stützen sich nicht auf das Recht auf gesunde Umwelt, da dies bislang nicht rechtsverbindlich anerkannt sei. Vielmehr würden klassische Menschenrechte „eingegrünt“. Mit dem sogenannten „greening“ würden Rechte, die per se keinen Umweltbezug haben, im Kontext von Umweltzerstörung und Klimawandel interpretiert. So werde z.B. aus dem Recht auf Familien- und Privatleben ein Recht auf eine intakte Umwelt abgeleitet, da es nur in dieser möglich sei, ein gutes Familienleben in Würde zu führen. Nur Klagen mit anthropozentrischer Perspektive seien erfolgsversprechend – d.h. die Natur selbst gelte nur insofern als schützenswert, als sie wichtig für den Menschen sei. Manuela Niehaus stellte eine Auswahl erfolgreicher Klimaklagen auf nationaler und internationaler Ebene vor, wie zum Beispiel die Klage der Klimasenior*innen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2024. Diese habe Erfolg gehabt, da sie die Schutzpflicht des Staates – in dem Fall der Schweiz – und damit dessen Kernaufgabe adressierte. Dem Staat blieben jedoch Ermessungsspielräume, wie der Schutz gewährleistet werden könne. Es sei demnach kaum möglich, gegen eine konkrete klimaschädliche Maßnahme (z.B. Autobahnbau) zu klagen oder eine konkrete klimaschützende Maßnahme einzuklagen.

Anhand weiterer Beispiele erläuterte Manuela Niehaus die Problematik der Klagebefugnis. In Deutschland und in der EU seien sogenannte Popularklagen nicht erlaubt, die Selbstbetroffenheit der Kläger*innen müsse gegeben sein. Viele Klagen würden an diesem Punkt scheitern, denn Kläger*innen müssten darlegen, inwiefern gerade sie in ihren Rechten verletzt seien. Bei einer globalen Konstellation wie der Klimakrise, die letztendlich alle betrifft, sei dies besonders schwierig. Dass sich hier etwas bewegen müsse und aktuell auch bewege, zeige das Beispiel von „Carvalho gegen die EU“ im Jahr 2021. Die Klage sei aus dem Grund der nicht ausreichend dargelegten Betroffenheit als unzulässig abgewehrt worden. Im Nachspiel der Klage wurde die Aarhus-Konvention geändert, so dass neue Klagemöglichkeiten für Verbände eröffnet worden seien. Die Verbände müssten dabei nicht nachweisen, dass ihre Mitglieder persönlich mehr als andere betroffen sind, sondern nur, dass die Menschenrechte ihrer Mitglieder verletzt werden und dass sie als Organisationen qualifiziert sind, die Betreffenden zu repräsentieren. Vielleicht, so Manuela Niehaus abschließend, folge der Änderung der Aarhus-Konvention nun bald ein Schwung neuer Klimaklagen vor den EU Gerichten.

Diskussion

Die Voraussetzungen für Verbandsklagen waren Gegenstand der anschließenden Diskussion. Manuela Niehaus erklärte, dass es ein Umweltrechtsbehelfsgesetz gebe, in dessen Kontext Umweltrechtsverbände vor einem Verwaltungsgericht klagen könnten, wenn es eine entsprechende Umweltrechtslage gebe. Die neue Klagemöglichkeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bezögen sich jedoch nicht explizit auf Umweltverbände, sondern allgemein auf Verbände, die sich entschließen, Klimaschutzrechte bzw. Menschenrechte im Hinblick auf Umwelt und Klima geltend zu machen – dies sei für familienpolitische Akteure also durchaus relevant. Inwiefern sich dieses neue Urteil auf die nationale Klimapolitik auswirke, werde sich noch zeigen.

Nachgefragt wurde auch die Dauer von Klageprozessen. Für diese sei entscheidend, so Manuela Niehaus, mit welcher Priorität die Klage behandelt und ob eine weitere Verfassungsbeschwerde angestrebt werde. Drei oder mehr Jahre seien durchaus möglich. Die Diskussionsrunde interessierte sich für sinnvolle Schritte eines strategischen Vorgehens. Als Bündnis zusammen eine Klage anzustreben sei vielversprechender als ein individuelles Vorgehen, es müsse jedoch berücksichtigt werden, ob die Klage im Hinblick der genannten Klägereigenschaften zulässig sei. Daher würden sich juristisch versierte NGOs oft erst im zweiten Schritt geeignete Kläger*innen suchen, die auf die angestrebten strategischen Prozesse passten.

Kritisch hinterfragt wurde, warum das Recht auf eine gesunde Umwelt noch kein Rechtsstand in Deutschland sei. Zwar stehe dies auch im Koalitionsvertrag, aber es zeichne sich bisher keine Veränderung ab. Hier könne eine Veränderung über Gerichte geschaffen werden. Es müsse auch verfolgt werden, was diesbezüglich auf europäischer Ebene entschieden werde, hier gebe es derzeit im Europäischen Gerichtshof (EUGH) interessante Entwicklungen. Diskutiert wurde in diesem Zuge auch das Konzept des „ökologischen Existenzminimums“, das von mehreren Akteuren im rechtspolitischen Rahmen des Art. 20a des Grundgesetzes eingefordert wird. Auf die Frage, weshalb die Forderung noch nicht viel Gehör fände, vermutete Manuela Niehaus, dass die Zustände wohl noch nicht apokalyptisch genug seien.

 

Auftaktveranstaltung am 13. März 2024: „Familien und Klima“

Welche Themenfelder ergeben sich an der Schnittstelle von Klima- und Familienpolitik? Der Klimawandel, dessen Auswirkungen heute bereits erleben, beeinflusst zunehmend den Alltag von Familien – und das auf vielen Ebenen: ökonomisch, sozial, emotional, gesundheitlich. Um diese Themen für den familienpolitischen Diskurs zu erschließen, trafen sich rund 60 Vertreter*innen der Mitgliedsorganisationen zum Online-Auftakt des Bundesforums Familie.

Einführung „Familien und Klima“

Zum Auftakt begrüßte Projektkoordinatorin Elena Gußmann Ulrike Bahr, Mitglied des deutschen Bundestages und Vorsitzende im Ausschuss für Familie, Frauen und Jugend. Ulrike Bahr würdigte die Themenwahl des Bundesforum Familie: sich mit Familie und Klima zu beschäftigen, sei ein zentrales und zukunftsentscheidendes Thema. Ulrike Bahr betonte, Klimaschutz sei als ein Staatsziel im Grundgesetz definiert, der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft und des Verkehrs müsse trotz Schuldenbremse umgesetzt werden. Familienpolitische Maßnahmen und Bedürfnisse dürften dabei nicht zu kurz kommen. So verändere die Frage des Flächenverbrauchs zukünftig familiäre Wohnformen, dennoch sollte eine Berücksichtigung kindlicher Bedürfnisse und Elternwünsche auch zukünftig möglich sein.

Ulrike Bahr betonte, dass auch bei Budgetknappheit und fehlenden Ressourcen die Notwendigkeit bestehe, ein Umdenken hin zu einer nachhaltigen Lebensweise zu erreichen. Viele Menschen würden den Bedarf für klimafreundliches Verhalten sehen, aber wenig eigene Handlungsmöglichkeiten erkennen. Aufgabe der Politik sei es, diese Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen und ernst zu nehmen, dazu gehöre die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in politischen Prozessen. Für junge Menschen seien auch Bewegungen wie Fridays for Future entscheidend.

Der neue Themenschwerpunkt berühre viele Themen, so Ulrike Bahr. Sie sei gespannt, wie diese Fragen von Bildung, Mobilität, Ressourcenverbrauch und vielem mehr im Bundesforum Familie in den nächsten Jahren bearbeitet würden.

Input: Warum und wo der Klimawandel Familien besonders betrifft

An die familienpolitische Eröffnung schloss Mona Treude, Senior Researcherin am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie, mit einem Beitrag aus der Perspektive der Klimawissenschaften an. Sie verwies auf die Dringlichkeit klimapolitischen Handelns. Würden die sogenannten Kipppunkte erreicht, könne der Klimawandel nicht mehr gestoppt werden. Betroffen von den heutigen Entscheidungen seien vor allem Kinder und zukünftige Generationen. Obwohl die junge Generation am wenigsten für den heutigen Klimawandel verantwortlich sei, werde sie die Generation sein, die zukünftig am meisten darunter leide. Klimapolitik sei daher nicht nur eine Frage der globalen, sondern auch der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit. Die ökologische Krise sei, so Mona Treude, im Kern eine soziale Frage.

Zur Gerechtigkeitsfrage gehöre, dass die heutigen Generationen in allen Teilen der Welt unterschiedlich stark von den Auswirkungen betroffen seien. Erderwärmung, aber auch Artensterben verändere den Lebensalltag von Familien jetzt und perspektivisch unterschiedlich stark. Soziale Disparitäten seien derzeit so groß wie nie zuvor. Es sei belegt, dass mit höherem Einkommen der Einfluss auf den Klimawandel steige, jedoch auch die Möglichkeiten, sich vor den Auswirkungen zu schützen. Diese Schutzmöglichkeiten hätten einkommensschwächere Haushalte oft nicht. Innerhalb der Familien lebten zudem besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen wie pflegebedürftige Menschen, was Familien doppelt stark betroffen mache. Andererseits seien auch Familien selbst die Treiber der Klimakrise.

Problematisch sei, dass klimapolitische Maßnahmen gegenwärtig zu viele Auswirkungen auf einkommensschwächere Haushalte haben. Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen, damit einerseits die Belastungen auf stärkere Schultern verteilt werden, andererseits müsse es Familien erleichtert werden, sich klimafreundlich zu verhalten. Ansätze hierfür wären die Sicherung einer gerechteren Wohnraum- und Bodenverteilung, soziale Garantien wie das Grundeinkommen und nachhaltige Konzepte wie das der autofreien Stadt. Die Bausteine für Klimagerechtigkeit des konzeptwerks neue ökonomie böten eine gute Orientierung, welche acht Maßnahmen für eine solidarische Zukunft maßgeblich seien. Als konkretes positives Umsetzungs-Beispiel nannte Mona Treude die nachhaltige Stadtentwicklung der Stadt Wien.

In der gegenwärtigen Krisensituation befinde sich die Menschheit zwischen Allmacht und Ohnmacht. Der Klimawandel sei menschengemacht und könne ebenfalls durch menschliches Handeln abgeschwächt werden. Dafür sei ein Umdenken alternativlos – wie kann das gelingen?

Mona Treude betonte die Notwendigkeit, den Blick auf „Change Agents“ zu lenken. Wer sind die, die Veränderung anstoßen? Ängste führten dazu, dass Menschen ihr Selbstwirksamkeitsgefühl verlören, was die eigene Handlungsfähigkeit blockiere. Bewegungen wie Fridays for Future zeigten dagegen, dass auch Kinder, Jugendliche und Familien großartige Akteure sein könnten. Denn man wisse viel über das Problem der Klimakrise, man kenne gute Lösungen, es fehle an der Umsetzung bzw. der Einforderung der Umsetzung. Hier fehle eine klare politische Kommunikation und vor allem nachhaltige Bildung.

Mona Treude betonte die Vorbildfunktion von und in Familien und zeigte mehrere Ansätze auf, wie in Familien klimarelevantes Handeln thematisiert werden könnte: so zeige die Berechnung des CO2-Fußabdrucks, dass Klimaschutz in der Verantwortung jeder und jedes Einzelnen stehe. Die Betrachtung des eigenen ökologischen Handabdrucks zeige die Wirksamkeit des eigenen Handelns. Mit gemeinsamen Herausforderungen wie der „Klimafit-Challenge“, zu der man sich auch als Familie anmelden könne, werde klimafreundliches Handeln lern- und erfahrbar. Es gehe insgesamt darum, eigene Handlungsspielräume zu erkennen, zu nutzen und an das Umfeld zu kommunizieren. Dabei sei es sinnvoll, alle Lebensbereiche zu beachten und nicht nur Bereiche wie Mobilität und Nahrung, sondern auch Geldanlagen auf eine nachhaltige Ausrichtung zu überprüfen. Dies alles gelte nicht nur für Familien, sondern auch für Familienorganisationen, die hier ebenfalls mit gutem Beispiel vorangehen könnten.

Nicht zuletzt gehöre zu einer sozial-ökologischen Transformation ein Umlernen zu einem anderen Verständnis von Wohlstand. Es müsse gesellschaftlich neu ausgehandelt werden, was gutes Leben bedeute: zum Beispiel Zeit zu haben und diese in intakter Natur verbringen zu können, mit sauberer Luft und gesunden Lebensmitteln. Die wissenschaftliche Kommunikation thematisiere im bisherigen Diskurs zu sehr den Verzicht. Auf diese Verzichtsdebatte solle verzichtet und stattdessen betont werden, dass durch einen Lebenswandel, der die planetaren Grenzen nicht überschreite, mehr Lebensqualität gewonnen werden könne. Es gehe nicht allein um Suffizienz („weniger“), sondern um mehr Effizienz („besser“) und Konsistenz („anders“). Diese Sichtweise sei besonders bedeutend für Kinder und Jugendliche.

Diskussion

In der anschließenden Diskussionsrunde wurden im Vortrag angesprochene Aspekte aufgegriffen. Mehrfach wurde der Eindruck geteilt, dass bei der Größe des Themas im Diskurs leicht der Überblick verloren gehe. Dies gelte sowohl dafür, was es bereits an Bausteinen, Zielvorgaben oder Aktionsplänen auf den unterschiedlichen Ebenen (UN/EU/National) gebe, als auch dafür, was eigentlich das Ziel der Handlungen sei – Klimaschutz oder Klimagerechtigkeit, Naturschutz oder Menschenrechte. Ebenfalls wurde diskutiert, inwiefern, Arbeitszeitverkürzung klimagerecht sei. Mit mehr verfügbarer Zeit werde ermöglicht, so Mona Treude, den eigenen Lebensstil nachhaltiger auszurichten. Dies sei jedoch kein Selbstläufer, es brauche dafür die richtigen Rahmenbedingungen. Die Runde diskutierte die Rolle von Familien in der sozialökologischen Transformation und die Verantwortung, gerade Kindern und Jugendlichen nicht nur die Bedrohung durch die Klimakrise, sondern auch die Handlungsmöglichkeiten in der Klimakrise aufzuzeigen. Die Generationen müssten hier gemeinsame Lösungen finden. Familien seien dafür relevante „Change-Agents“, da sie nicht nur als wichtige Orte des Generationendialogs, sondern auch schlicht durch die große Anzahl ins Gewicht fallen. Wie können Bedingungen geschaffen werden, damit Familien eine ökologische Lebensweise möglich ist? Welche Projekte, welche Angebote sind sinnvoll? Hier diskutierten die Teilnehmer*innen die Rolle der Kommunen und regten an, dies im Verlauf der Themenperiode zu intensivieren.

Familienorganisationen und Klima

Im zweiten Teil stellte Elena Gußmann die Ergebnisse der Mitgliederbefragung vor, mit der im Vorfeld der Veranstaltung Interessen und existierende Ansätze der Organisationen im Themenfeld „Klima“ erhoben worden waren.

Die mehr als 30 Antworten zeigten, dass sich viele Mitgliedsorganisationen des Bundesforums Familie bereits eingehend und auf unterschiedlichen Ebenen mit der Thematik beschäftigen. Von konkreten Maßnahmen im Arbeitsalltag, wie der Umstellung auf regionale und/oder vegane Verpflegung oder Nutzung des ÖPNV bei Dienstreisen bis zu inhaltlicher Bearbeitung des Themas in Stellungnahmen, Veranstaltungen oder Materialien wurde eine große Bandbreite sichtbar. Um einen Einblick zu erhalten, wurden zwei Mitgliedsverbände eingeladen, ihre Maßnahmen und Projekte vorzustellen.

DEUTSCHER CARITASVERBAND

Liliane Muth vom Deutschen Caritasverband startete mit der Anmerkung, dass derzeit alle großen Wohlfahrtsverbände aktiv dabei seien, Maßnahmen für den Klimaschutz zu entwickeln. Der Deutsche Caritasverband habe es sich zur Aufgabe gemacht, mit seinen rund 25.000 Einrichtungen und Diensten bis 2030 klimaneutral zu werden. Dabeiwürden unterschiedlichen Bedingungen, Personalmangel und Finanzierungsgrundlagen der Caritas-Einrichtungen den Weg häufig erschweren. Klimaschutz sei leider trotz der ambitionierten Selbstverpflichtung im konkreten Fall oft noch eine „C-Priorität“. Es gelte daher, im Einzelfall zu schauen, welche Möglichkeiten für jeweilige Einrichtungen machbar seien, etwa in den Bereichen Gebäude und Mobilität oder in der Beschaffung von Lebensmitteln, Textilien, Hygieneartikeln und Elektrogeräten. Eine erste interne Klimabilanz habe gezeigt, was bereits erreicht wurde und wo weitere Einsparungsmöglichkeiten lägen. Von dieser Bestandsaufnahme ausgehend, könnten Veränderungen strukturiert angegangen werden. Der Bundesverband der Caritas stelle dafür seinen Mitgliedern Tools zu Verfügung. Oft liege es jedoch an einzelnen „begeisterten Kümmerern“, ob diese auch genutzt würden.

Liliane Muth betonte, dass der Kern der pädagogischen Arbeit der Caritas die Stärkung von Kindern und Jugendlichen für die Zukunft sei. Dies müsse im Sinne der Notwendigkeit der Generationengerechtigkeit umgesetzt werden. Ein Bezugspunkt für diese Ausrichtung sei der General Comment 26, der zum Schutz der Kinderrechte umgesetzt werden müsse. Die UN-Kinderrechtskonvention erfordere deutlich mehr Umsetzung von Klimaschutz, als derzeit realisiert werde. Entscheidend für die Umsetzung einer sozioökonomischen Wende sei nicht die Selbstverpflichtung weniger, sondern politisches Handeln maßgeblich, insbesondere die Einführung des Klimagelds und die Stärkung einer solidarischen Politik. Dazu gehöre beispielsweise, energetische Sanierungen auch von günstigen Mietwohnungen umsetzbar zu machen, ohne dass Mieter*innen einen Nachteil haben. Der ÖPNV sollte zudem kostenlos sein und besonders im ländlichen Raum mehr ausgebaut werden.

Liliane Muth stellte als konkretes Projekt der Caritas den „Stromsparcheck“ vor. Das Verbundprojekt von Caritas und Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschland werde vom Bundesumweltministerium gefördert und sei in mehr als 150 Städten und Landkreisen aktiv. Das Programm richte sich an Menschen mit wenig Geld, die Bürgergeld, Sozialhilfe, Grundsicherung oder Wohngeld, eine geringe Rente, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder Kinderzuschlag beziehen oder deren Einkommen unter dem Pfändungsfreibetrag liegt. Mit dem Projekt werde gleichzeitig der Klimaschutz und die Energiearmut thematisiert, indem für konkrete Haushalte Energieeinsparpotentiale aufgezeigt werden. Auch eine Bezuschussung beim Neukauf klimafreundlicher Geräte sei möglich. Die Erfahrung des Projekts zeige, dass in Haushalten Energie-Einsparungen von bis zu 15 % möglich seien.

BUNDESVERBAND DER MÜTTERZENTREN

Sarah Schöche, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Bundesverbands der Mütterzentren, betonte, dass Nachhaltigkeit seit der Gründung vor 40 Jahren als leitendes Prinzip der Mütterzentren gelte. Mitnahmeregale oder Repair-Cafés seien Beispiele für diese gelebte Praxis. Das Projekt „Fairändern“ der Nachhaltigkeitsgruppe in Langen, das 2023 einen Nachbarschaftspreis erhielt, zeige etwa auf, wie durch verändertes Konsumverhalten im Familienalltag ein plastikfreies Leben möglich werde. In der, in den Mütterzentren umgesetzten Umwelterziehung für Kinder werde Wert daraufgelegt, positive Beispiele und Einsichten zu geben, statt allein von Verzicht zu sprechen. Sarah Schöche benannte dazu einzelne Projekte wie eine Ferienspielwoche, die Auszeichnung zur Umweltheld*innen oder gemeinsames Basteln mit Upcyling-Materialien. Die Grundidee der Bildungsangebote sei „Was ich kenne und liebe schütze ich“ – und so gelte es, mit Kindern und Jugendlichen etwa Insektenhotels zu bauen und Pflanztage zu veranstalten und erfahrbar zu machen, dass Naturschutz selbst in die Hand genommen werden kann. Wissensvermittlung zur klimafreundlichen Ernährung werde anwendungsorientiert, zum Beispiel durch Kochkurse mit Gemüse aus dem eigenen Garten, vermittelt. Sarah Schöche nannte weitere Projekte wie Lebensmittelrettung und ein nachhaltiges Weihnachtsfest als Beispiele für die Vermittlung von Nachhaltigkeit für Familien. Bundesweit sorge die Vernetzung der Mütterzentren für einen Austausch, so dass diese Ideen weitergegeben werden und kooperiert werden könne.

DISKUSSION

Klimawandel, so stellte die Diskussionsrunde fest, sei eine komplexe Herausforderung, verbinde die globale Dimension mit kleinen Alltagshandlungen, individuelle, kollektive und institutionelle Dynamiken. Gerade wegen dieser Vernetzung der Probleme müssten auch die Lösungsansätze vernetzt gedacht werden. Daher sei es wichtig, Klima- und Sozialpolitik zusammenzudenken, wobei Familienpolitik durch die Thematisierung und Adressierung von unterschiedlichen Generationen eine besonders relevante Rolle zukomme. Zusammenarbeit zwischen familienpolitischen und umweltpolitischen Organisationen sei hier sehr sinnvoll, wie auch durch die vorgestellten Beispiele verdeutlicht werden konnte. Gerade in der Jugendhilfe oder an Schulen könne das gut gelingen. Die weltweit angelegte Kampagne „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ biete hier wertvolle Ansatzpunkte. Bemerkt wurde, dass durch die Größe des Themas oft der Überblick fehle: Es gebe bereits viele rechtliche Konstrukte, Aktionsprogramme und Zielsetzungen auf UN-, EU- und nationaler Ebene. Jedoch sei in der familienpolitischen Arbeit sowie in Fragen der Umsetzung nicht immer offensichtlich, mit welchen dieser unterschiedlich verbindlichen Grundlagen sich gut für die Belange von Familien argumentieren lasse.

Kritisch gesehen wurde, dass es vielen Organisationen an verlässlicher und ausreichender Finanzierung fehle, die es erschwerten, in der eigenen Arbeit mehr Klimaschutz umzusetzen. Zwar könne weniger finanzielle Ausstattung auch unfreiwillig zu klimafreundlicherem Handeln führen – wenn etwa aus Kostengründen keine Flugreisen mehr getätigt werden. Gerade Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, etwa bei energetischen Sanierung, seien jedoch zu oft nicht umsetzbar. Im Zusammenhang mit dem Thema „Klimawandel und psychische Gesundheit“ wurde angemerkt, dass Klimaängste nicht nur ein Problem von Familien seien, sondern auch Fachkräfte betreffen würden. Hierfür brauche es mehr Sensibilisierung und vor allem Hilfestellung.

Aussicht auf 2024/25

Elena Gußmann stellte das weitere Vorgehen des Bundesforums Familie in der Themenperiode 2024/25 vor. Die Geschäftsstelle habe aus den Diskussionen des Netzwerktreffens am 17. Oktober 2023, den Rückmeldungen der Mitgliederbefragung Anfang 2024 und dem Austausch mit dem Beirat mehrere Vorschläge erarbeitet, über die nun abgestimmt werden könne. Die Auswahl bilde einen Großteil der genannten Interessen und Fragestellungen ab – von „Klimageld“ über „ökologische Kinderrechte“ bis zu „Generativität“.

Da nicht alles bearbeitet werden könne, solle nun gewichtet werden, zu welchen Aspekten die Geschäftsstelle Veranstaltungen organisieren soll. Ad-Hoc-AGs solle es in dieser Themenperiode nicht geben, dennoch solle die Expertise der Mitgliedsorganisationen aktiv in die Veranstaltungsplanung einfließen und eine Beteiligung bei der inhaltlichen Gestaltung und Nachbereitung der Ergebnisse möglich gemacht werden. Zuletzt wurde das Netzwerktreffen am 16. Oktober 2024 angekündigt, das als Präsenzveranstaltung in Berlin stattfinden wird.

 

 

 

Themenauswahl „Familien und Klima“ 2024/2025

Zu welchen Themen soll das Bundesforum Familie 2024/25 arbeiten?

Aus den bisherigen Diskussionen und der Mitgliederbefragung hat die Geschäftsstelle des Bundesforums Familie verschiedene thematische Schwerpunkte zusammengefasst, die im Rahmen von Veranstaltungen bearbeitet werden könnten. Die Vorschläge sind eher als erste Skizzen und nicht als fertige Veranstaltungskonzepte zu verstehen.

Ganz unten können Sie im Formular bis zum 26. März 2024 Ihre Prioritäten angeben. Ebenso freuen wir uns über Hinweise und Anregungen zu unseren Vorschlägen, z.B. wenn Ihnen dazu potentielle Referent*innen, zu vermeidende Fallstricke oder spannende Perspektiven einfallen oder welche Themen gut „als Doppel“ im Rahmen des Netzwerktreffens bearbeitbar wären.

Schwerpunkt-Vorschläge im Koordinatensystem angeordnet.

Schwerpunkt-Vorschläge im Koordinatensystem angeordnet (zum Vergrößern anklicken)

Wir freuen uns auf Ihr Feedback!


1. Die öko-soziale Frage im Familienalltag

Welche Familien tragen die Lasten der Klimakrise?

Perspektivisch sind wir alle vom Klimawandel betroffen. Kurzfristig jedoch treffen Auswirkungen – seien es finanzielle, gesellschaftspolitische oder gesundheitliche – nicht alle gleich. weiterlesen

Über „Familien und Klima“ lässt sich kaum nachdenken, ohne anzuerkennen, dass unterschiedliche Familien mit unterschiedlichen Perspektiven auf den Klimawandel blicken und unterschiedlich viel Last, auch die Last anderer Krisen, zu tragen haben. Dabei tragen einkommensschwächere Familien weit weniger zur Erderwärmung bei, als wohlhabende Haushalte. Wie transformationsbereit, wie besorgt oder wie belastet Familien sind, hat maßgeblich mit sozioökonomischen Verhältnissen und der politischen Grundorientierung zu tun. In welchen Familien wird das Thema auf welche Weise diskutiert? Wie verstärkt der Klimawandel Ungerechtigkeit und soziale Disparitäten? Wie können Krisen nicht in Konkurrenz, sondern im Zusammenhang gedacht werden? Kann Klimaschutzpolitik als Chance gesehen werden, einen ganzheitlichen Blick auf Erwerbs- und Versorgungsökonomie zu kommen und gesellschaftliche Transformationen anzustoßen? Welche Relevanz hat die politische Bearbeitung der Klimafrage als Klimagerechtigkeitsfrage für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Demokratie? In einer Veranstaltung könnten diese Zusammenhänge mit Blick auf die SINUS-Milieustudie analysiert und diskutiert werden.

#Diversität #Armut #Gerechtigkeit #Verantwortung #Bestandsaufnahme


2. „Eco-Gender-Gap“ & „Petromaskulinität“

Familiäre Rollen(vor)bilder und der Zusammenhang von Care/Klimaschutz/Gender

Klimaschutz wird als Variante der Sorgearbeit – Sorge um „die Natur“ oder „die Welt“ – mit Weiblichkeit verknüpft. Auf der anderen Seite steht „Petromaskulinität“, also die Verknüpfung von Männlichkeitsbildern mit einem Festhalten an fossilen Energien, fleischhaltiger Ernährung und der grundsätzlichen Skepsis bis Abwehr von Klimaschutzmaßnahmen. weiterlesen

Mehrere Studien stellen diesen Zusammenhang von klimarelevantem Handeln und Geschlechterrollen dar.* Dazu kommen geschlechterspezifische Unterschiede im CO2-Verbrauch, die sich auf die Organisation des Familien- und Arbeitsalltags zurückführen lassen, z.B. beim Punkt Mobilität (wer pendelt, wer nutzt eher den ÖPNV, wer fährt die Kinder etc.). Die Effekte geben zu denken und werfen die Frage auf: Lässt sich eine nachhaltigere Familienpolitik und eine familienfreundlichere Klimapolitik gestalten, wenn diese Zusammenhänge verstanden werden?

Interessant dazu: Das Bundesforum Männer arbeitet derzeit zum Thema „Nachhaltige Männlichkeit“ (Fachtag am 15. Mai 2024)

*(vgl. Brough et al (2016): „Is Eco-Friendly Unmanly?“; Swim (2019): „Gender Bending and Gender Conformity“)

 #Geschlechtergerechtigkeit #Familienalltag


3. Klimageld & Co

Politische Instrumente für eine ökologisch-soziale Transformation und deren Auswirkungen auf Familien in Deutschland

Wirksame Klimapolitik kann ohne eine dazu passende Sozialpolitik nicht gelingen. So muss sichergestellt werden, dass Klimaschutzmaßnahmen die existierenden sozialen Disparitäten nicht weiter verschärfen: weiterlesen

Klimaschutz darf nicht als Bedrohung für die eigene Lebensgrundlage erlebt werden, sondern im Gegenteil als – auf lange Sicht gesehen – deren Erhalt. Dafür ist jedoch Veränderung notwendig. Konkrete politische Maßnahmen wie das Klimageld sollen helfen, Mehrkosten, die diese Veränderung mit sich bringt und Preissteigerungen auszugleichen und insbesondere Familien mit kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten. Welche Maßnahmen stehen an und wie steht es um deren Umsetzung? Welche Rolle spielen nicht-monetäre Lösungen wie Verbote, die für alle gelten? Auf welche Punkte sollte aus familienpolitischer Perspektive besonders geachtet werden? Welche weiteren gesetzlichen Vorgaben könnten größere Auswirkungen für Familien bedeuten? Die Veranstaltung könnte einen Überblick über konkrete Vorhaben bieten und eigene Handlungsempfehlungen für die Politik formulieren.

#Gesetzgebung #Armut #Gerechtigkeit #politischeLösungen


4. „Klima-Angst“ & „Emo-Chaos“

Auswirkung des Klimawandels auf die psychische Gesundheit im Familienalltag

„Climate change is a psychological crisis, whatever else it is.” (Poulsen, 2018) Der Klimawandel ist nicht nur eine politische, technische und wirtschaftliche Herausforderung, sondern greift auch in den emotionalen und psychischen Alltag von Familien ein. weiterlesen

Die Belastung durch Nachrichten von einer sich immer mehr entfaltenden Klimakrise spielen hier ebenso eine Rolle wie deren unterschiedliche Wahrnehmung und Einordnung der Lage durch die Familienmitglieder. Der unterschiedliche Umgang mit dem Klimawandel kann zum Identifikations- oder Streitpunkt werden. Aspekte wie Generationengerechtigkeit, Zukunft, Schuld, Verantwortungsübernahme und kognitiver Dissonanz werden im Familienalltag präsent. Gerade unter Jugendlichen wird die Sorge immer häufiger zu einer permanenten Angst mit gesundheitlichen Folgen (Depression, Angststörungen, psychosomatische Beschwerden). In einer Veranstaltung könnten die Dimensionen der Auswirkungen auf Psyche und emotionalen Haushalt besprochen und Lösungsansätze diskutiert werden. Auch die zusätzliche psychologische Belastung der Fachkräfte könnte thematisiert werden.
[Vgl. „Junge Menschen in der Klimakrise“ (Umweltbundesamt 2022); SINUS-Studie: „Ergebnisse einer Repräsentativ-Umfrage unter Jugendlichen 2022/2023“ (Möller-Slawinski 2022); „Young People’s Voices on Climate Anxiety, Government Betrayal and Moral Injury: A Global Phenomenon“ (Marks et al. 2021)].

#Resilienz #Gesundheit #Familienalltag


5. Familienorganisationen und Klimawandel

Was können Familienorganisationen beitragen?

Die vom Bundesforum Familie jüngst durchgeführte Umfrage an die Mitgliedsorganisationen hat gezeigt, dass es bereits viele Ansätze gibt, sich mit dem Thema Klimawandel in der eigenen Organisation zu beschäftigen. weiterlesen

Die Motivation ist da, aber es gibt bei der Ausgestaltung auch noch „Luft nach oben“. Was können Familienorganisationen konkret tun, um der Problematik des Klimawandels zu begegnen? Denkbar wäre eine Veranstaltung, bei der Vertreter*innen aus den Mitgliedsorganisationen ihre Ansätze vorstellen, in einem Art Werkstatt-Charakter Ansatzpunkte ausgetauscht, diskutiert und entwickelt werden. Möglich wäre hier auch ein Input zum Thema „Materielle Seite der Digitalität – Wieviel Strom verbrauchen eigentlich meine archivierten Mailanhänge von 2015?“

#Austausch #Selbstreflexion #WasTun


6. Ökologische Kinderrechte

Der General Comment 26 und die Überführung der Empfehlungen in nationales Recht

Wie hängen Kinderrechte mit Umweltzerstörung und Klimakrise zusammen? Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes formuliert im General Comment 26 (2023) diesen Zusammenhang sowie konkrete Handlungsempfehlungen. weiterlesen

Unter Berufung auf die UN-Kinderrechtskonvention, die von 196 Staaten ratifiziert wurde, kann so aus der Perspektive der Kinder und Familien für mehr Klimaschutz argumentiert und auf die Verpflichtung der Staaten verwiesen werden. Im Rahmen eines Impulsworkshops könnte der „General Comment 26“ vor- und zur Diskussion gestellt werden. Wie können die darin empfohlenen Maßnahmen in Deutschland umgesetzt werden?

#Generationengerechtigkeit #Gesetzgebung #international


7. (Keine) Zeit für Zukunft?!

Die Sorge um die nächste Generation im Familienalltag

Der Klimawandel ist auch ein Zeitproblem: Es gilt, schnell zu handeln und dabei langfristig zu denken. Die Zeit drängt, aber eine nachhaltige ökologische-soziale Transformation braucht Zeit, um alle mitzunehmen. weiterlesen

Als drängendste soziale Probleme werden zumeist die tagesaktuellen wahrgenommen und nicht die vielleicht größeren Probleme von morgen, Katastrophenhilfe ist akuter als die langfristige Investition in Klimaschutz. Durch diese Gegenwartspräferenz rücken Zukunftsperspektiven in den Hintergrund – ein Problem, dass auch in der der letzten Themenperiode im Zusammenhang mit präventiven Unterstützungsangeboten sichtbar wurde. Diese etwas abstrakte Problematik zeigt sich ganz konkret im Familienalltag: Wer hat Zeit für Klimaschutz, wer nicht? Wer nimmt sich die Zeit für Klimaschutz, wer nicht? Wie werden Prioritäten (neu) gesetzt?

Generativität, d.h. die menschliche Fähigkeit, für andere Generationen zu sorgen, ist zentraler Bestandteil von Familie. Im Familienalltag wird dies auf individueller Ebene gelebt. „Verzicht“ oder Änderung der Lebensweise zu Gunsten insbesondere der nächsten Generation ist für viele Eltern selbstverständlich. Familie wird so auch zum Lernort, um die intergenerationelle Verantwortungsübernahme auch auf die kollektive, gesamtgesellschaftliche Ebene übertragen zu können. Das kann jedoch auch bedeuten, dass der Klimawandel als Bruch im Generationenverhältnis verstanden wird und im Rahmen der Familie zum persönlichen Streitpunkt wird: Etwa wenn Jugendliche ihren Eltern an den Kopf werfen: „Ihr habt es verbockt“ oder aus dem Gedanken der Verantwortungsübernahme heraus davon absehen, selbst Kinder zu bekommen.

Eine Veranstaltung könnte die Aspekte „Zeitpolitik“ und „Generativität“ aufgreifen und diskutieren, wie der Klimawandel den Generationendialog beeinflusst. Ziel kann sein, durch die Perspektive auf Lebenszeit bzw. Lebenszeiten Argumentationen für langfristige Maßnahmen zu stärken und Ideen für die Thematik im Bereich der Familienbildung zu finden.

#Zeitpolitik #Generationenverhältnis #Generativität


8. Klimawandel aus Sicht unterschiedlicher Familienformen

Austausch verschiedener Perspektiven anhand von Beispielen

Der Klimawandel und seine Folgen greift früher oder später in viele Bereiche des Familienalltags ein. Wie (be)treffen diese Entwicklungen zum Beispiel den Lebensalltag von Familien mit behinderten Familienmitgliedern? weiterlesen

Wie sehen sich insbesondere migrantische Familien mit dem Thema konfrontiert? Welche neuen Problemstellungen, welche Chancen ergeben sich daraus? Welche Aspekte werden bei der Suche nach nachhaltigen Lösungen häufig übersehen? Durch die Darstellung verschiedener Perspektiven kann ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge von Problemlagen erlangt werden.

#Inklusion #Klimagerechtigkeit #Familienalltag


9. „Think globally, act locally“

Klimaschutz auf kommunaler Ebene im sozialen Nahraum und Auswirkungen auf das Familienleben

Für das Erreichen des nationalen Klimaziels der Treibhausgasneutralität bis 2045 braucht es ambitioniertes Handeln auf allen Ebenen. Die Kommunen, Städte und Landkreise spielen hierbei eine große Rolle. weiterlesen

Die Handlungsbereiche sind insbesondere Wohnen und Mobilität, Energie und Ernährung – also Bereiche, die zentral für die Gestaltung des Lebensalltags von Familien sind. Klimaschutz auf kommunaler Ebene findet für und mit Familien statt. Wie sehen Ansätze aus, die Familien explizit mitdenken? Wo sind Handlungsfelder, wo sich Interessen von Familien und klimapolitische Ziele mutmaßliche entgegenstehen und wie wären diese verschiedenen Interessenslagen zu bearbeiten?

#politischeLösungen #Familienalltag


10. Klimafolgenereignisse und Klimaanpassung

Welche Fragestellungen werden uns in Zukunft (noch) mehr beschäftigen?

Immer heißere Sommer und Katastrophen wie das Ahrtal-Hochwasser führen uns vor Augen, welche Herausforderungen uns in Zukunft noch mehr beschäftigen werden. weiterlesen

Die Frage wird sein, wie besonders vulnerable Gruppen wie z.B. Kinder, behinderte oder ältere Familienmitglieder vor Klimafolgenereignissen geschützt werden können. Fehlende Infrastruktur nach Unwetterereignissen wird dann ebenso zum Problem wie fehlende Investitionen beim Ausbau von Infrastruktur, z.B. von Hitzeschutz in Pflegeeinrichtungen. Auch vermehrte Allergien und Infektionskrankheiten sind Folge des Klimawandels und müssen mitgedacht werden. Was kann heute angeschoben werden, um morgen resilient zu sein? Wie kann Politik und Öffentlichkeit für die Problematiken sensibilisiert werden? Welche Maßnahmen-Pläne gibt es und wie sind diese aus familienpolitischer Perspektive zu kommentieren?

#Klimafolgenanpassung #Infrastruktur #Gesundheit


11. Familien- und Klimapolitik auf europäischer Ebene

Der European Green Deal und ein Blick zu den Nachbarn

Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie andere Kontinente. 2022 war bereits mit 2,2 Grad über der Durchschnittstemperatur das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. weiterlesen

Besonders Südeuropa ist von Hitze und Trockenheit betroffen. Wie wird auf EU-Ebene auf diese Entwicklungen reagiert und welche Rahmenbedingungen sind für die Umsetzung auf natoinaler Ebene relevant? Wie reagieren andere EU-Länder auf die kommenden klimatischen und gesellschaftlichen Herausforderungen? Ein Blick in verschiedene Nachbarländer und ein Austausch mit deren familienpolitischen Akteuren könnte als Anregung für eigene Handlungsideen dienen.

#Europa #WasTun #Austausch #EuropeanGreenDeal #international


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